Mittwoch, 13. Oktober 2010

Innovative Geschäftsmodelle: Erfolg aus dem Ziegendarm

Daheim im marokkanischen Örtchen Safi war er einer unter vielen, ein Straßenhändler, der versuchte, die selten vorbeischauenden Touristen dazu zu überreden, sich ein Säckchen überteuerten Safran mit nach Hause zu nehmen. Eines Tages aber besann sich Ali Mohammed auf seine wahren Stärken: Der 33-jährige Vater von zwei Kindern, glücklich verheiratet mit seiner ersten Frau, hat ein Verkaufstalent in die Wiege gelegt bekommen, das ihn befähigt, Regenschirme in der Wüste ebenso selbstverständlich an Mann und Frau zu bringen wie Sonnencreme im Dauerregen.

Am Goethe-Institut in Casablanca lernte der begnadete Redner innerhalb eines halben Jahres die Grundzusammenhänge der deutschen Sprache, dann kratzte er zusammen, was er an Geld finden konnte, und buchte eine Urlaubsreise nach Spanien. Von dort ging es per Bus, Bahn und oft auch zu Fuß nach München, wo Ali Mohammed zuerst bei verwandten unterkam. Da er als naturgläubiger Anhänger eines traditionellen Marabus daheim ständiger Verfolgung ausgesetzt war, durfte er bleiben - und noch mehr Glück für den Zuzügler: Schon auf eine erste Bewerbung hin stellte ihn der Verkaufschannel SH24 als Frontmanm seiner neuen Rheumacremeshow ein.

Hier hat sich Ali Mohammed, der im Studio stets einen weißen Arztkittel trägt und schneller spricht, als jeder über 60 mitschreiben kann, binnen eines halben Jahres zum Star entwickelt. "Mohammed verkauft durchschnittlich das Dreifache dessen, was möglich ist", sagt sein Sendeleiter Walter Köppert, der senderintern als "Erfinder" des marokkanischen Verkaufsgenies gilt. Doch da ist noch mehr: Ali Mohammed bekommt Liebesbriefe, kein Tag vergeht, an dem am Studioausgang nicht Fans auf ihn warten, denen er Autogramme geben muss.

Inzwischen ist auch die große Politik auf den Mann aufmerksam geworden, der Öle aus dem Verdauungstrakt spezieller Baumziegen mit ebensolcher Grandezza verkauft wie Pülverchen, die den Darm je nach Bedarf öffnen oder schließen. Das uralte Wissen der marokkanischen Marabouts, Ali Mohammed bringt es seinen Zuschauern tagtäglich nahe. Er erklärt, wie aus der Arganbohne durch Fermentierung im Ziegendarm ein völlig überteuertes Schönheitsöl wird, das im Gesicht gegen Falten hilft, wie Safran sich von echtem Safran unterscheidet und warum ein Sekret aus Baumrinde schütteres Haar zwar nicht nachwachsen lässt, es nach der Anwendung aber so aussehe, als sei es nachgewachsen.

"Solche Zuwanderer, hochqualifiziert, spezialtalentiert, grundsympatisch, wünschen wir uns", hieß es aus der Staatskanzlei von Horst Seehofer. Mit seinen "beeindruckenden Verkaufszahlen" bringe Ali Mohammed "das Land und seine Menschen und damit die Demokratie insgesamt voran", kommentierte ein SPD-Sprecher, während die Grünen darauf verwiesen, dass der junge Marokkaner es geschafft habe, "vor allem bei den älteren Zuschauern seiner Sendung Vorurteile abzubauen und alte Zöpfe abzuschneiden. "Bevor Herr Mohammed auf Sendung ging, wussten doch viele gar nicht, was Argan-Öl ist."

Mehr solche Lehrer täte Deutschland gut, ist auch die FDP überzeugt, die Ali Mohammed eingeladen hat, Parteimitglied zu werden. Der Verkaufsstar soll sich jedoch Bedenkzeit auserbeten haben. Zuerst müsse er seine Familie nachholen, dann sei Zeit, über ein politisches Engagement nachzudenken.

Mehr heiße Gründer-Stories von jungen Deutschen, die es geschafft haben, in der großen PPQ-Serie "Geschäftsideen, die wir auch gern gehabt hätten":

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