Eben noch klagten die Verleger weltweit erbarmungslos über einbrechende Einnahmen und zunehmende Konkurrenz kostenloser Schmierautoren, die die teuer eingekauften Meldungen der einzig wahren deutschen Staatsagentur dpa nicht selbst bezahlen, sondern sie dort abschreiben, wo sie dpa auch herhat. Jetzt kommt Rettung aus Amerika, wo alles früher geschieht: Der Sun Chronicle, so berichtet das aus kostenlosen Fremdinhalten zusammengefügte Medienbeobachtungsblog Turi2, habe eine ganz neue Einnahmequelle erschlossen: Das Blatt verlange von seinen Nutzern Geld für Onlinekommentare. "Nicht nur, dass jeder Eintrag auf der Website des US-Zeitung 99 Cent kosten soll", heißt es bei Turi2, "der Kommentator muss mit Kreditkarte zahlen und sein echter Name erscheint mit dem Eintrag".
Hört sich an wie das Modell Tom Sawyer, der seine Freunde einen Zaun streichen und sich selbst von ihnen dafür bezahlen ließ. Der feuchte Traum aller E-Postnutzer, eine Fundgrube für Fahndungsbehörden und Bekämpfer der im Internet grassierenden Anonymkultur, mit der nicht nur nach Ansicht des ehemaligen Bundesspitzelbeauftragten Wolfgang Schäuble schon längst Schluss gemacht gehört hätte. Sun-Chronicle-Herausgeber Oreste P. D'Arconte wird plötzlich zum Vorkämpfer eines Netzes, das sich selbst neu definiert, in dem jeder Avatar das Gesicht aus dem Pass seines Besitzers spazierenträgt und jede Meinungsäußerung mit persönlichem Fingerabdruck und Eingabe einer Tan-Nummer beglaubigt wird.
"To enforce this change, all posters will be required to register their name, address, phone number and a legitimate credit card number", stellt D'Arconte, nur das mit dem dauernden Einnahmefluß aus Nutzerkommentaren hat Turi2 ein bisschen falsch verstanden: "The credit card will be charged a one-time fee of 99 cents to activate the account."
Immerhin: Alles, was geschrieben wird, erscheint zwar mit dem Namen des Posters unter dem Eintrag, aber vorerst wohl noch ohne seine Kreditkartennummer. Von Bundesrundfunkmechanikerministerin Ilse Aigner könnte der Hinweis kommen: "Registrants will also be required to acknowledge they understand that under existing state and federal laws they are legally responsible for any comments they post". Mit Hilfe des De-Mail-registrierungsverfahrens könnte Deutschland allerdings noch einen Schritt weitergehen und einen direkten Rückkanal zum virtuellen Polizeirevier der Maus-Police einrichten.
Sun-Chef D'Arconte, der wegen ausufernder Beschimpfungen im Forum seines Blattes bereits im April alle Kommentarfunktionen gestoppt hatte, glaubt, die Klarnamenpflicht für Forumskommentatopren sei ein eminent wichtiger Schritt für sein Blatt, weiterhin eine Möglichkeit zur Diskussion auf der Sun-Chronicle-Webseite anbieten zu können. Erste Stimmen dazu haben sich im Forum schon gemeldet: "Die Zeit mag kommen, in der wir alle dafür bezahlen, in Netzwerken aktiv sein zu dürfen", schreibt Gregory A. Roach, "aber diese Zeit ist bestimmt nicht bald und sie ist in jedem Fall nicht jetzt." Hat ihn einen Dollar gekostet der Tipp.
Der SPIEGEL hat heute einen Mann aus dem Hut gezaubert, der gesagt hat, in vier Jahren haben wir Vollbeschäftigung, eine Ansicht, die man sich - wie beim SPIEGEL üblich - auch gleich zu eigen gemacht hat.
AntwortenLöschenDas ist sensationell, dass man bei SPIEGEL jetzt vier Jahre in die Zukunft sehen kann, zumal man die Finanzkrise beim SPIEGEL auch dann noch nicht so richtig bemerkt hatte, als findige, wieselflinke, vorausschauende Unternehmer schon ein halbes Jahr zuvor ihren heimischen Rasen umgegraben hatten, um sicherheitshalber dort ihre Kartoffeln selbst anzubauen, falls alle Stricke reißen sollten.
Wenn ich jetzt also den enormen Fortschritt beim SPIEGEL in Sachen Aktualität im Kommentarbereich loben will, dann wäre mir das nicht nur 99 Cent wert, sondern 10 Euro! Hach, was sag ich: 100!
100 Euro dafür, dass ich sage: Jut gemacht, dass ihr irgendwo in einem Institut einen Typen gefunden habt, der es supi fand, einen eigenen SPIEGEL-Artikel zu bekommen. Und der sich mal für eine Sache aus dem Fenster hängte, die in vier Jahren sowieso keiner mehr überprüft.
Der SPIEGEL ist einfach kommentarlos geil.
qualität heute auch im anderen qualitätsmarktführer: die bild bezeichnet latif als "deutschlands besten klimaforscher" und lässt ihn wiedermal den ausbruch des klimawandels ausrufen, am aktuellen beispiel der hitze vor der tür.
AntwortenLöschender kalte winter, sagt latif, war nur ein ausrutscher, der heiße sommer ist es nicht.
müsste man sich auch merken. könnte schon im nächsten januar geprüft werden
Alles, was es zum Klimawandel noch zu sagen gibt (Der Öko-Gott habe ihn selig, so wie den Borkenkäfer, das Ozonloch, den Sauren Regen, die Schweinegrippe und die Heringswürmer), habt Ihr mal unübertrefflich in dem Satz "Kalt ist das neue Warm" formuliert. Besser kann man's nicht sagen.
AntwortenLöschenWas den SPIEGEL betrifft: Man sollte in einem Jahr noch mal deren Anlagetipps überprüfen. Erst verpennt der SPIEGEL fast die Finanzkrise, dann, Monate später, hängt sich Anne Seith mit "Anlagetipps" für den Leser ausm Fenster.
Also wenn ich mal in die Verlegenheit kommen sollte, mir Anlangetipps irgendwo einholen zu müssen: Anne Seith vom SPIEGEL wäre da sicherlich die erste Adresse.