Sechs Jahrzehnte reichen aus, um zu vergessen. Nur ganz große Großereignisse überleben länger im medialen Gedächtnis, Dinge aber, die in ihrer Zeit einflussreich nur gerade genug waren, die ganze Welt an den Rand des Untergangs zu führen, finden als Jubiläum nur mehr ein reichliches halbes Jahrhundert später nicht mehr statt in der kollektiven Geburtstagsroutine, wenn sie am anderen Ende der Erde ihren Schauplatz hatten.
So heißt es auch 2010 noch Stauffenberg, nicht aber Koreakrieg, dabei hätte der sogar runden Geburtstag. Am 25. Juni 1950 überschritten die Truppen des kommunistischen Nordens die Grenze zum Süden, nachdem "feindliche Truppen in einem frechen Angriff ein bis zwei Kilometer Tiefe in Nordkorea eingefallen" waren, wie das Innenministeriums der Volksrepublik Korea behauptete. Man habe "die Abteilungen des Grenzschutzes der Volksrepublik angewiesen, den Feind zurückzuschlagen", hieß es weiter. Schon drei Tage später wurde Seoul erobert, im September 1950 kontrollierten die Truppen von Kim Il-sung das ganze Land bis auf ein kleines Gebiet im Südosten.
Die fortschrittliche Welt hatte sich da schon längst hinter dem Befreiungskampf der Genossen in Fernost geschart. Die Chinesen schickten Truppen, Stalin hatte dem Angriff zugestimmt und Waffenlieferungen freigemacht. In der DDR zogen "Dreier-Aufklärungsgruppen" von Haus zu Haus, um den Menschen klar zu machen, wie schlimm der amerikanische Imperialismus wütete und wie grauenhaft die Pläne der Kriegstreiber in Washington und Bonn waren. Der Leiter einer Aufklärungsgruppe berichtet im Juli 1950, wie er und seine Genossen "zunächst zwischen Tür und Angel, später in der guten Stube" versucht, "die noch herrschenden Unklarheiten über die Ziele und Aufgaben der Nationalen Front und über die Notwendigkeit eines gemeinsamen Wahlprogramms zu beseitigen". Als sie mit einem "parteilosen Leunakumpel" in der Eichendorffstraße 30 von Halle ins Gespräch kommen, antwortet der kurz und bündig: "Mir ist nichts unklar, ich weiß genau, was gespielt wird."
"Damit zielt er auf den von den amerikanischen Imperialisten in Korea geschürten Brandherd", weiß der Oberaufklärer sofort, "von dem aus eines Tages auch die Brandfackel vor die Tore Europas getragen werden kann". Doch die Menschen in der DDR der 50er Jahre sind wachsam. "In der Nachbarschaft treffen wir eine alte Rotfrontkämpferin, die genau weiß, dass nur eine Friedensarbeit unseren Lebensstandard verbessern kann."
Im "Neuen Deutschland", dem Sprachorgan der Zukunftsorganiatoren, stand es klipp und klar. "DDR-Einheiten der koreanischen Volksarmee, die im Gegenschlag gegen den südkoreanischen Ueberfall trotz der ununterbrochenen Angriffe amerikanischer Jagdflugzeuge und Bomber unaufhaltsam vorrücken, haben die bisherige Hauptstadt der südkoreaiiischen Marionettenregierung besetzt." In allen Städten und Dörfern, in die die Befreier einrückten, so das ND, "wird ihnen von der Bevölkerung ein jubelnder Empfang bereitet."
Ganz Korea, in der Folge des 2. Weltkrieges unter Uno-Aufsicht geteilt, ist das Ziel. "Bei den Kämpfen in Südkorea wurden sechs Jagdflugzeuge der amerikanischen Interventionsstreitkräfte von Flugzeugen der koreanischen Volksarmee abgeschossen", erfährt die DDR-Bevölkerung, ohne dass ihr verraten wird, dass in den koreanischen Flugzeugen zum Teil sowjetische Piloten in chinesischen Uniformen sitzen. "Aufklärung" leisten in der DDR "Friedenskomitees" und "alle demokratischen Organisationen helfen ihnen" (ND). Die Freie Deutsche Jugend führt ein Friedensaufgebot durch, der Demokratische Frauenbund ebenfalls. "In den Betrieben Sachsen-Anhalts sind in den letzten Tagen über 900 Friedensko geschaffen worden", lobt ein SED-Dokument. Es sei "keine Zeit zu verlieren - in Korea fallen amerikanische Bomben auf Städte und Dörfer wie hoch vor wenigen Jahren auf Magdeburg, Dessau, Dresden, Köln und viele andere deutsche Städte".
"Die Sicherheit Europas wird nicht von der Menge der Atombomben bestimmt", erklärt DDR-Präsident Wilhelm Pieck, "sondern von dem Willen der Völker, den Krieg zu verhindern. Der Krieg muß nicht kommen, wenn jede Mutter, jeder Vater, jeder Jüngling und jedes Größer das Ausmaß, stärker die Kraft und Aktivität der Volksbewegung für den Frieden, gegen die Kriegsbrandstifter!"
Die bekommen in Korea Prügel. "Partisanenverbände, die seit Ausbruch der von der südkoreanischen Marionettenregierung Syng Man Juiee provozierten Kampfhandlungen in Korea ihre Aktivität im Süden des Landes verstärkt haben", (ND) besetzten auch die Stadt Ultsehin." Das Volk, so muss das Volk in der DDR glauben, ergreift die Chance zur Einheit, es ist wie eine Schablone für Deutschland: "Andere Partisaneneinheiten befreiten gemeinsam mit den Bergarbeitern des Gebiets die Stadt Yongwoi."
Die Lüge, das Weglassen, das Verbiegen der Wahrheit, hier wird es zu Information: Der Koreakrieg, ist für die DDR-Propaganda ein gigantischer Erfolg. "Zum ersten Male wurden viele der besuchten Einwohner in ihren Auffassungen bestätigt", heißt das Fazit der fliegenden Weltverbesserer vom Aufklärungskomitee, "nicht nur Genossen, sondern auch Kollegen schließen sich dem Kampf an".
Die Welt ist im Wandel, nach Korea wird der Rest der Erde folgen. Durch ein Telegramm an Generalissimus Stalin, "den großen Lehrer der internationalen Arbeiterklasse" (ND), unterstreicht Tage später auch eine Konferenz des DDR-Gewerkschaftsbundes die "feste Freundschaft aller Gewerkschafter zur Sowjetunion als der Führerin des Weltfriedenslagers". Aus der Stimmung in der Bevölkerung könne der Schluss gefaßt werden, dass die Menschen "positiv zu den Friedenszielen" stünden. 94,31 Prozent der Bevölkerung Sachsen-Anhalts hätten sich "durch ihre Unterschrift unter den Stockholmer Appell für das Verbot der Atomwaffe" schon für den Frieden erklärt". Jetzt gelte es, "aus den Millionen Friedensfreunden Millionen Kämpfer für den Frieden zu machen". Die Aufklärungsgruppen der Friedenskomitees haben es sich zur Aufgabe gemacht, "auch den letzten Keim der RIAS-Hetze auszumerzen". Mit dem Ziel: "Jedes Haus ein festes Fundament des Friedens!"
soll uns das jetzt überraschen? die DDR-führung hat keine stimmung gegen die agression des sozialistischen nordkoreas gemacht, kaum zu glauben.. kein plan was du mit deiner kleinen geschichtsstunde bezwecken willst.. warscheinlich bist du tatsächlich der ansicht das es zwischen der propaganda der einen und jener der anderen seite irgendsowas wie eine ewige wahrheit gibt.. naiv, aber wenns dich glücklichmacht..
AntwortenLöschenbezwecken? kenn ich nicht. ich fand interessant, dass das runde jubiläum dieses konflikts, der gut hätte ein weltkrieg werden können, keinerlei gedenken mehr hervorruft. und da frage ich dann niemanden, ob ich das aufschreiben darf. es muss ja niemand zur kenntnis nehmen.
AntwortenLöschenich wusste vorher nicht, dass es diese aufklärungsgruppen gab. aber wie in der schule: aufgeschrieben, vergisst man nicht mehr
ihr alten leute erinnert euch natürlich. ich jetzt auch
im übrigen bin ich wahrscheinlich wirklich der ansicht, dass die wahrheit immer im auge des betrachters liegt. damit hast du natürlich recht, von deiner seite aus gesehen. und ich genauso
Kein Gedenken?
AntwortenLöschenHier vielleicht, in Südkorea wird schon daran gedacht. Seoul, gleich am Hauptbahnhof, große Dauerausstellung mit Bildern und den Fahnen aller 60 Unterstützerländer.
Im Gegensatz zum anonymen Meckerkopp bedanke ich mich ausdrücklich für diese kleine Geschichtsexkursion, die sicher einige Arbeit gemacht hat...
Südkorea hat nichts aus der Geschichte gelernt. Dort gibt es sogar ein Denkmal für die antikommunistische Jugendbewegung.
AntwortenLöschenScheußlich!
In Nordkorea oder Deutschland sind solche Geschmacklosigkeiten undenkbar.
hey vakna, hast du ein bild davon? das würde ich dazustellen...
AntwortenLöschenpolitplatschquatsch@gmail.com
Tut mir Leid, habe nur einen Video-Rundblick vom Bahnhof aus, wo das im Hintergrund teilweise zu sehen ist.
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