Samstag, 12. Juni 2010

Von Tuten und Blasen: Tröten, die töten

Es ist ein ohrenbetäubender Orkan aus Tuten und Blasen, ein Tinnitusgeräusch aus trötenden Tieffrequenzen, die Lebenslust Afrikas als Dauerton aus zehn-, zwanzig- oder fünfzigtausend Nebelhörnern. Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika droht, an Nebengeräuschen zu ersticken: Kommentatoren klagen, dass sie nichts und niemand sie versteht, Fans stehen mit Gehörschutz im Stadion, Fernsehzuschauer diskutieren nicht Finten, Tricks und tolle Tore, sondern beinahe ausschließlich den lähmenden Lärm der im Ausrichterland der WM zur "Fankultur" erklärten "Vuvuzela"-Trompeten.

"Wo die Fahne weht, verschwindet der Geist in der Trompete", weiß ein Sprichwort aus Osteuropa, wo es auf Fußballrängen traditionell auch nicht leise zugeht. Doch gegen die Hummelschwärme des südafrikanischen Vuvuzela-Trötens ist ein Düsentriebwerk eine stille Mönchszelle. Spätestens seit dem letzten Afrika-Cup wusste die Welt, wie auf dem schwarzen Kontinent Lebensfreude und Fußballbegeisterung simuliert wird: Rasseln, Trommeln, Tuten, am liebsten ohne jeden Zusammenhang mit dem jeweiligen Spielgeschehen. Rasseln und Trommeln ist jetzt weggefallen, weil im Dauerorgeln der Plastikposaunen von Johannesburg nicht einmal mehr zu erahnen. Geblieben ist das ohne Einatmungspause tosende Tröten, ein wie maschinell erzeugtes Kollektiv-Tuten, das alles erstickt, was am Fußball sonst die Atmosphäre macht.

Fifa-Chef Sepp Blatter selbst machte sich dennoch stark für die südafrikanische Art, den Marsch zu blasen: Die Vuvuzela zu spielen sei landestypische Fußball-Kultur, sie zu unterdrückten und die üblichen Schlacht- und Fangesänge auf den Rängen damit wieder hörbar zu machen, sei ein westlicher Angriff auf afrikanische Errungenschaften, der kein Verständnis für die Eigenarten und Besonderheiten der südafrikanischen Kultur zeige. Man müsse die Andersartigkeit afrikanischer Fans würdigen und dem endlosen, nervtötenden Fäpen einfach mal bereitwillig sein Ohr leihen, hieß es bei WM-Veranstalter.

Doch Europa kommt nicht auf den Geschmack, das intolerante Deutschland verweigert sich der multikulturellen Geste. Zwei Tage kollektives Leiden am WM-Lärm haben gereicht, Südafrikas Ruf als nette Gastgebernation zu ruinieren, obwohl quäckenden Plastikröhren gar nicht südafrikanischen Ursprungs sind, sondern aus China kommen. "Jetzt ist völlig klar, warum die Kriminalitätsrate in Südafrika so hoch ist", mutmaßt ein Foreneintrag, "wer das 90 Minuten lang ertragen hat, muss einfach zum Mörder werden."

Oder sich wehren: Durchs Netz fegt ein Proteststurm, ARD und ZDF werden mit empörten Zuschauermails bombardiert, hier und da denken Fans sogar schon über einen nach. Die zentrale Protestseite ist vuvuzela.org inzwischen permanent überlastet. Auch unter Antivuvuzela.org wird versucht, mit Hilfe einer Fan-Petition für ein Ende des infernalischen Getutes zu sorgen.

Da sind dann nach Meinung der Fankulturfachzeitschrift Spiegel Rassisten und Fremdenfeinde unter sich: "Der weiße mann fühlt sich gestört", plädiert das multikulturelle Leitmagazin für eine radikale Lösung des Plastikposaunen-Problems: "Wahrscheinlich hilft da nur eins: Man kauft sich selber so ein Ding und trötet mit. Denn Krach, den man selber macht, ist bekanntlich nur halb so schlimm."

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13 Kommentare:

  1. Beim *Spiegel* warte ich sowieso darauf, daß er endlich mal ein gutes Beispiel ist und in (der Chef-)Redaktion(en) Eurozentrismus und Patriarchat den Kampf ansagt. Dann würde die BERECHTIGTE Klage über "weiße Männer" gleich viel mehr überzeugen.

    Mich stören die Vuvudings überhaupt nicht. Ich habe den Ton auf ein Minimum abgedreht.

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  2. ich auch. dazu eine cd mit alten reportagen von günter koch eingelegt. erstaunlich ist: manchmal beschreibt der sogar die richtigen spielzüge.

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  3. beim englandtor eben war er aber zu spät

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  4. Ich muß da mal was erzählen (es ist mir gleich, daß das niemanden interessiert):

    Ich las im Frühjahr 1994 an einem Samstagvormittag in Gera in einem schmalen Bändchen etwas über den Sportreporter Koch, der dort behauptete, an einem trüben Freitagabend bei leichtem Nieselregen und ebensolchem Bratwurstgeruch im trostlosen Niederrhein-Stadion Oberhausens gefühlt zu haben, was Fußball wirklich bedeutet.

    Ich, der ich als Essener in der Oberhausener Diaspora, wohin mich meine Eltern verschleppt, aufgewachsen bin und häufiger das o.g. Stadion aktiv/passiv frequentierte, fuhr wenige Stunden später in Richtung Zivili ... äh... Westdeutschland und habe im Radio Koch gehört, der am letzten Spieltag aus Dortmund berichtete ... vom Abstieg seiner Nürnperger.

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  5. Apropos England:

    Aber eins, aber eins, das bleibt bestehen ... der englische Torhüter ist seit 1966 eine Gurke.

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  6. Stimme aus dem KissenJuni 13, 2010

    "Vuvuzela" heißen die Dinger? Ich dachte die ganze Zeit, die hießen "UweSeeler"- sozusagen als kleine Reminiszenz an alte deutsche große Zeiten.

    Hab mich schon gewundert, dass ARD und ZDF locker Sätze über die Lippen brachten wie "Das UweSeeler-Blasen macht einen irren Lärm". Das ist ja denn nicht mehr so weit entfernt von "Stacheldraht im Harnkanal". Und das im Öffentlich-Rechtlichen. Aber das ist ja gerade noch mal gutgegangen mit dem Index. Fragt sich jetzt nur, was "Vuvuzela" übersetzt heißt. Vielleicht sowas wie "Schenkelbürste" oder "Matratzen-Polo". Nicht dass hier noch der Jugendschutz greifen muss. ARD und ZDF bewegen sich auf ziemlich dünnem Eis, solange das nicht geklärt ist, finde ich.

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  7. Wo der Name herkommt weiß selbst Wikikpedia nicht wirklich:

    "Die Herkunft des Namens ist umstritten. Er könnte aus der Bantusprache isiZulu stammen und Krach machen bedeuten, oder von dem Klang vuvu, der erzeugt wird, oder aus einem Slang der Townships, wo er von „duschen“ (shower) – hier im Sinne von jemanden in Musik duschen bzw. wegen der Duschkopf-Form der
    Instrumente – abgeleitet wäre."

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  8. Gustav FröhlichJuni 13, 2010

    angeischts der anhaltenden kritik kann man das ganze ding (problem wäre jetzt vllt. zuviel gesagt) so richtig "mainstream-like" als ultra 2.0 ausrufen..

    und dann bietet das getrötte noch einen vorteil: solche exkremente wie "juden.."-rufe und anderer unfug werden nicht mehr so einfach auf der tonspur auszumachen sein..

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  9. ja NEGER halt, was sonst, paßt doch, wo ist das PROBLEM, schwarze MANN machen LÄRM um böse GEISTER aus URWALD zu vertreiben, alles klar..ugga agga ugga agga issizula

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  10. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  11. wenn bafanabafana "die jungs" heißt, müsste vuvuzela eigentlich sowas wie wohlklang der kapkultur bedeuten. schätze ich mal. wobei ich bei bafanabafana nicht sicher bin, ob in zulu das erste bafana "die" heißt oder das zweite.

    woraus sich ergibt, dass ich auch nicht sicher bin, ob das zweite bafana für "jungs" steht oder dochs chon das erste. vielleicht kennt jemand einen zulu, der diese frage mal klären kann?

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  12. Stimme aus dem KissenJuni 13, 2010

    "Bafana" heißt "1 Junge". Bafanabafana heißt dann 11 Jungens, weil die Einsen nicht addiert, sondern sozusagen "nebeneinander" gestellt werden: 1+1=11. Mich würde aber doch interessieren, was Vuvuzela WIRKLICH heißt. Bestimmt sowas wie Elefantenfurz.

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  13. danke! dann hat die qualipresse das nach ausgiebigen recherchen wieder gut falsch übersetzt.

    dass 1+1 elf ist, darauf waren wir auch schon ml gekommen, wir ehrenzulus

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