Der Medienjournalist Stefan Niggemeier kennt sich aus in der Welt der großen Schlagzeilen. Er ist Fachmann und berufen, zu erklären, was dem normalen Volk schon längst unerklärlich scheint: Wieso funktionieren Zeitungen, Fernsehnachrichten und Internet-Newsportale auf eine Art, die am Ende immer dafür sorgt, dass überall dasselbe steht? Obwohl es falsch ist?
Niggemeier, eine Niedersachse wie die Sängerin Lena, etwas dicker, aber als Medienaufseher seit seiner Erfindung des "Bild-Blog" beinahe ebenso erfolgreich, handelte das Thema Anfang des Jahres in einem vor innerer Empörung zitternden Beitrag ab, der sich eine Bild-Meldung über angeblich sinkende Zahlen bei rechtsextremen Straftaten zum Aufhänger nahm. Wegen eines " alten, aus ideologischeren Zeiten übrig gebliebenen, rechten Reflexes" sei das Blatt wohl daran interessiert, "das Ausmaß rechtsextremistischer Gewalt in diesem Land kleinzureden", analysierte Niggemeier messerscharf, ehe er daran ging, "exemplarisch" (Niggemeier) zu beschreiben, wie "flächendeckende Desinformation" mit einer "Falschmeldung über den Rückgang rechter Gewalt" (Niggemeier) betrieben worden war.
Am Anfang habe „Bild”-Chefkorrespondent Einar Koch gestanden und mit ihm sein "Wahn, die Zahl rechtsextremer Gewalt kleinschreiben zu wollen", hieß es in Niggemeiers Blog-Beitrag "Malen nach Zahlen". Anschließend seien reihenweise unverantwortliche Medienkollegen gekommen und hätten die von "Bild" in die Welt geblasenen Zahlen weiterverbreitet - ein Beweis dafür, dass der "Zahlenfetisch der Massenmedien bizarre Ausmaße" angenommen habe, wie Niggemeier, eine Ikone der deutschen Internet-Unterhaltung, folgerte.
Die Runde herum stimmte dann auch - ein Abschreiben hier, ein Weitersagen dort. Es war wie immer bei der stillen Post, niemand wusste etwas, aber alle waren bemüht, es möglichst schnell weiterzusagen, obwohl die "Bild", so Niggemeier im Brustton ehrlichen Entsetzens, nicht einmal die vorläufigen, geschweige denn die offiziellen Statistikzahlen zur Rechts-Kriminalität abgewartet hatte.
Also sowas auch! Wartet nicht ab! Zitiert ungenannte Quellen! Um zu verharmlosen! Niggemeier, er sich seine ersten Sporen beim Werbefachblatt "Werben&Verkaufen" verdient haben soll, schlug mit dem ganz großen Hammer um sich." Sie möchte gar nicht wissen", hielt er der "Bild" vor, "wie sich die Zahl der rechten Gewalttaten im vergangenen Jahr verändert hat. Sie möchte nur irgendwas als erster melden, was vielleicht stimmt und vielleicht nicht."
Überraschend wäre das nicht, denn seit dem Zusammenbruch des staatssozialistischen Mediensystems in der DDR ist es nicht mehr unbedingt verboten, nicht-amtliche Nachrichten als Erster zu melden, eventuell sogar mit dem Zusatz "noch nicht amtlich bestätigt wurde". Beliebt sind dabei, das hat Stefan Niggemeier völlig richtig beobachtet, Zahlenreihen. Höher und tiefer, am höchsten und am meisten, die Medien lieben, was den Lesern den Eindruck gibt, mit Balken bedient und mit Törtchen informiert worden zu sein. Ist das nicht übel? "Wenn Journalisten Zahlen sehen, setzt bei ihnen der Verstand aus", folgert der vielzitierte Experte, bei dem es ganz anders läuft: Bei ihm setzt der Verstand offinsichtlich aus, sobald die Zahlen nicht mit seinen Erwartungen übereinstimmen.
In dem von ihm angeprangerten Fall waren die Zahlen bei den rechtsextremistischen Straftaten nämlich ausnahmsweise gefallen, laut Vorabmeldung der "Bild". Üblich und medialer Konsens dagegen ist, dass sie steigen, Jahr für Jahr, zuverlässig und unter breiter medialer Anteilnahme, obwohl die journalistische Grundregel sagt: Mann beisst Hund = Nachricht, Hund beisst Mann = keine Nachricht.
Hier biss der Mann den Hund und die Bild machte eine Nachricht draus, Niggemeier hingegen nutzte diese Gelegenheit, sich zu empören: Der Rechtsradikalismus werde mit Falschmeldungen verharmlost, jaja, mindestens. Wer darauf verwies, dass sämtliche von den Behörden genannten und in den Medien kolportierten Zahlen es an innerer Logik mangeln lassen, weil etwa zuletzt 624 rechte Gewalttaten nur 614 Opfer hatten, wie PPQ vorgerechnet hatte, bekam von Niggemeier als oberster Instanz eines ideologisch sauberen Journalismus den Rüffel, er agiere "ähnlich schlimm wie Politically Incorrect".
Offen muss deshalb die Frage bleiben, wie empört Niggemeier über die "Bild" gewesen wäre, hätte das Boulevardblatt gemeldet, die Zahl der Fälle rechtsextremer Straftaten sei gestiegen, obwohl das die Falschmeldung gewesen wäre. Denn die von Niggemeier als falsch und verantwortungslos bezeichnete Bild-Vorabmeldung zu den gesunkenen Zahlen stellte sich zwei Monate nach seiner Philippika gegen das vorschnelle Melden nicht-amtlicher Statistikzahlen als nahezu völlig richtig heraus. Allerdings betrug der Rückgang der rechten Gewalttaten nicht wie von "Bild" gemeldet 8,5 Prozent, sondern 13,8 Prozent betrug, der Rückgang bei den rechtsextremistischen Straftaten insgesamt hingegen lag nicht wie von der "Bild" vermeldet 0,35, sondern bei 4,7 Prozent.
Aber das erklärt sich schnell, wenn man Niggemeier noch einmal liest: "Die endgültigen Zahlen sind immer höher als die vorläufigen", schrieb der Kenner damals. Seitdem hat er sich zum Thema wohlweislich nicht mehr zu Wort gemeldet.
Niggemeier macht den Eindruck, als würde er selbst immer mehr in Richtung dessen driften, was er anprangert. Hauptsache ne Geschichte im Blog, egal woher sie kommt und ob was dran ist. Ein einst gefeiertes Blog wird sich selbst unseriös und erübrigt sich somit bald ganz.
AntwortenLöschen@bpb
AntwortenLöschenRichtig, ein Zahnarzt für Zahnlose, ein Lahmer unter den Blinden. Mainstream, gähnend langweilig.
er muss davon leben, also nachsicht bitte
AntwortenLöschenMuß er nicht, wenn er einen Verein für gegen Rechtsbraunschwarz gründen würde. Dann stünde ihm die Knete von Amts wegen wegen Gutmenschentum zu.
AntwortenLöschen@bpb:
AntwortenLöschenWenn man sich intensiv mit etwas beschäftigt, wird man ein Teil davon.
Schön an Menschen zu sehen, die ihren Hunden immer ähnlicher werden.
Und wer über Jahre die BILD durchforstet, um nachzuweisen, was alle wissen, nämlich daß es eine
Boulevardzeitung ist, die von Märchen und Übertreibungen lebt, hat sowieso einen an der Klatsche.
Der Niggemeier als solcher bräuchte einen ja nicht kümmern. Aber sein Danke-Danke-Danke-Fanblog macht schon irgendwie Angst.
AntwortenLöschenGerade den verlinkten Artikel zu OP-Online gelesen.
AntwortenLöschen[i]"Müller forderte, die Förderprogramme gegen linke Gewalt massiv aufzustocken."[/i]
Kennt jemand so ein Förderprogramm gegen linke Gewalt?
weiß nicht. wirds geben. ich glaube, die grünen und die linke sind so ein sozialisierungsprojekt marke einbinden statt ausgrenzen.
AntwortenLöschenNiggemeier soll sich doch eine andere Realität suchen, wenn ihm die Fakten nicht schmecken.
AntwortenLöschenEr kann sich zumindest mit den rechten "Straftraten" trösten, obwohl Propagandadelikte nicht sehr ergibig sind.