Donnerstag, 3. Juni 2010

Blackbox aus dem Kanzlercockpit


Ja, Merkel hier.

Grüß Dich, Angela. Ich bins, der Horst. Tut mir leid, wenn ich Dich geweckt habe.

Kein Problem, Horst. Was gibts denn?

Naja, weiß Du, tut mir leid aber, weißt Du, ich hau hin. Ich wollte es Dir auf jeden Fall zuerst sagen, ehe du es hintenrum erfährst. Kurz und gut, damit wir uns nicht mißverstehen: Ich werde nachher meinen Rücktritt bekanntgeben. Die Einladungen an die Presse sind schon raus.

Halthalthalt. Horst, das ist nicht Dein Ernst. Du machst was? Spaß oder was? Witze? Du schmeisst hin? Ich glaube, ich spinne. Warum denn das?

Ich kann einfach nicht mehr. Es wird mir alles zuviel, weißt Du. Man kann machen, was man will, und alle nörgeln nur rum. Guck Dir doch an, was sie über mich schreiben. "Horst Lübke"! Als wäre ich ein flügellahmer Altpräsident. Nein, wirklich, das hat doch dann alles keinen Zweck mehr. Dass man tut und macht und sich Mühe gibt. Eva Luise sagt auch, ich soll Schluß machen. Das Alter habe ich ja.

Ich bin völlig geplättet jetzt mein Lieber. Dass Du uns hängen lässt, in dieser Situation. Die Partei, das Volk, mich. Das ist ein Witz. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, und Du schaust, dass Du in die Rente kommst. Was soll ich da sagen? Wie wir für Dich gekämpft haben letztes Jahr, weil Du unbedingt noch einmal dranhängen wolltest...

Nun bleib mal auf dem Teppich, Angela. Ihr habt doch auch gekämpft, weil ihr keinen anderen hattet! Ich habe Dir damals schon gesagt, dass ich eigentlich keine Lust mehr habe. Immer diese Berliner Reden halten, immer mit dem Flugzeug rumjachtern. Eva Luise sagt auch, dass ist wegen der Strahlung dort oben nicht gesund.

Du willst es Dir nicht noch einmal überlegen? Also ich appelliere an Dich, sei kein Frosch, lass das Land und die Partei nicht allein.

Ich kann nicht, die Einladungen zur Pressekonferenz sind raus. Und wie sieht denn das aus, wenn ich jetzt einen Rückzieher vom Rücktritt mache.

Das biegen wir hin, Horst, da helfe ich. Mensch, wir können jetzt nicht noch eine Baustelle brauchen. Du kennst doch die Umfragen! NRW ist schon unregierbar, der Schäuble fällt mir dauernd aus und der Westerwelle guckt nur, wie er ein paar Umfragepünktchen rauspressen kann. Jetzt noch das Land ohne Oberhaupt. Ich kann doch nicht alles alleine machen.


Du findest jemanden. Ehrlich, es tut mir auch leid, aber spätestens seit der Sache mit dem Rettungspaket habe ich kein gutes Gefühl mehr.

Wie, was, Gefühl?

Ich habe Dir gesagt, dass ich das für völlig daneben halte und eigentlich nicht unterschreiben kann. Das ist mit der Verfassung undsoweiter aus meiner Sicht, also ich meine, das geht nicht, eigentlich.

Eigentlich, eigentlich, eigentlich, ich höre immer eigentlich. Das ist alternativlos gewesen, da kann man nicht unterscheiden zwischen eigentlich und nicht. Das kracht uns doch alles zusammen.

Ich weiß, deshalb habe ich ja auch unterzeichnet. Aber die Bauchschmerzen dabei, die habe ich, nicht Du. Ich schlafe seitdem schlecht.

Und deshalb haust Du jetzt ab, na gut, dass ich das mal weiß.

Nein, nicht deshalb, das sage ich doch die ganze Zeit. Ich kriege es nicht mehr hin, ich kann nicht mehr so, wie ich will. Die fangen doch jetzt an, auf mich zu schießen, obwohl ich nur dasselbe gesagt habe wie der Strunz oder Struck oder wie der hieß, damals, der Verteidigungsminister mit dem "Deutschland wird am Hindukusch verteidigt". Dem haben sie danach Doppelseiten gebastelt, wo er in dieser Macho-Lederkombi mit seinem Motorrad posieren durfte. Und mich wollen sie zur Schlachtbank treiben. Ohne mich.

Ich versteh Dich ja. Aber ich kann das nicht so hinnehmen. Horst, wir stehen vorm Abgrund! Ich fummle hier jeden Tag irgendwas zurecht, um bis zum Abend zu kommen. Ja, denkst Du denn, irgendwer von uns hat soetwas wie ein gutes Gefühl? Das heißt doch aber nicht, dass man alles fallen lassen kann, wo man gerade steht. Irgendwer muss es auch wegräumen.

Eva Lusie sagt aber, ein Ende mit Schrecken...

Jaja, Eva Luise. Kannst Du mir die mal geben?


Nein, die ist im Bad.

Auch gut, dann sag ich Dir das nochmal deutlich: Wenn Du das durchziehst, kriegst Du hier keinen Fuß mehr auf den Boden, ist das klar? Und wenn ich selbst drüber stürze - nichts mit Gazprom, Weltbank, Uno. Das kannst Du vergessen.

Angela, werde bitte nicht persönlich. Ich habe versucht, Dir zu erklären...

Das interessiert mich nicht, in dieser Situation. Wir haben Notstand, ich weiß niemandem, dem den ich den Job jetzt auf die Schnelle geben kann. Die von der Leyen? Wulff? Stoiber? Ich kann doch nicht Norbert Blüm fragen ode wie. Wen soll ich denn dann zur WM-Eröffnung schicken? Das sind doch Fragen, die muss man doch beantworten, ehe man sowas macht, einfach Tür zu knallen und weg.

Der Lammert würde sich freuen, außerdem fällt doch gar nicht auf, wenn da einer fehlt. Du bist doch selbst sicher da.

Natürlich bin ich da. Einer muss ja nach außen so tun, als sei alles in Butter. Aber sags nochmal: Du siehst keine Möglichkeit, Dich nochmal in die Verantwortung für Volk, Staat und Partei zu stellen? Ich biete Dir an, in drei, vier Monaten, wenn wir aus Gröbsten raus sind, eine Lösung zu finden, dass Du da nicht die ganze Zeit absitzen musst im Bellevue. Wir können da was mit angeschlagener Gesundheit machen und dann was Schönes beim IWF finden.


Ich danke Dir für Dein Angebot, Angela. Aber ich habe mich entschieden. Eva Luise würde es nicht verstehen, wenn ich wieder umknicke, nur weil Du es bist. Sicher verstehst Du mich nicht das verstehe ich. Aber vielleicht kannst Du das wenigstens respektieren.

Ja, respektieren, jaja. Das sagt der Richtige, Horst. Gib mir nochmal Eva Luise.

Die ist noch im Bad. Ich glaube, ihr ist schlecht.

Horst, die steht doch neben Dir. Du schwindelst. Du schwindelst Deine Kanzlerin an und du machst das ganz schlecht. Das ist das, was Dir fehlt. Der Struck, der konnte das. Aber Du bist zu weich. Gib sie mir, bitte.

Nein, sie im Bad, glaubs doch.

Wie Du willst, mein Lieber. Dann grüß sie mal schön von mir. Wann ist die Pressekonferenz, sagst Du? Kannst Du Deine letzten Worte, also Deine Abschiedsrede oder was Du da diktieren willst, vorher mal herfaxen? Ich will nur kurz drüberschaun. Danke. Klick.

7 Kommentare:

  1. So könnte es tatsächlich gewesen sein. Sehr gut gemacht! Lustig, wenn es nicht so ernst wäre. Die unseelige Unterschrift unterm "Rettungspaket" war sein Abschiedspräsent. Ich blicke schon etwas bange ins neue Jahrzehnt. An der Spitze befinden sich nur Leute, mit denen im Kindergarten keiner spielen wollte. Ich glaube da oben landen nur noch Bekloppte. Das ist wahrscheinlich Grundvoraussetzung.

    AntwortenLöschen
  2. eine beobachtung, die du nicht allein gemacht hast, leider

    AntwortenLöschen
  3. SchwarzmalerJuni 03, 2010

    Das Lachen bleibt einem leider... aber schön geschrieben, und wenn sie so reden könnten wie sie wollten würde das wohl ganz ähnlich ablaufen.

    AntwortenLöschen
  4. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Weisheiten beziehen. Aber dass Die beiden Sich Dutzen kann ich nicht bestätigen

    AntwortenLöschen
  5. @Anonym
    Bist Du´s, Guido?

    AntwortenLöschen
  6. Ich glaube, es war die Merkeln selbst. Sie war vorhin gerade nicht im Fernsehen, saß also wohl vorm PC.

    AntwortenLöschen
  7. Bekommt von mir die Note:
    *saugeil*

    Könnte noch ein paar Hintergründe mehr enthalten, ist aber so auch schon ganz schön fetzig. Sehr gut!!!


    (Fahnder99)

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.