Ein Ort, der Geschichte atmet, in Schweiß getränkt, in Blut gebadet, in Reizgas gespült und mit den Tränen trauriger Verlierer abgeschmeckt. Der DDR-Dauermeister BFC Dynamo ist hier an einem schönen Frühherbsttag mit 3:1 abgefertigt worden, der Europapokalsieger FC Magdeburg wurde mit 5:1 nach Hause geschickt, 2:1 hieß es gegen Torpedo Moskau und die DDR-Nationalmannschaft wäre wahrscheinlich sogar fast Weltmeister geworden, hätte sie immer hier, hinter den wuchtigen Stadionmauern aus Löbejüner Porphyr, spielen dürfen: Drei von fünf Länderspielen, die die international notorisch erfolglose Elf im halleschen Kurt-Wabbel-Stadion austrug, gewann sie, nur eines ging verloren.
Erich Mielke, Chef der Staatssicherheit der DDR, wurde hier mit "Stasi raus"-Sprechchören begrüsst, als Wolfgang Thierse noch kaum oppositionelle Bartstoppeln trug. Später riefen BFC-Anhänger den inzwischen durchweg Stasi-kritischen Zuschauern zu "Wer soll unser Führer sein / Erich Mielke", der farbige Gastspieler Adebowale Ogungbure entbot der Tribüne den Hitlergruß und ein Fallschirmspringer verfehlte den Mittelkreis und raste in eine Menschenmenge. Im Spiel gegen Türkiyemspor Berlin kommentierte die Fankurve einen Aufruf zu einer Schweigeminute für die Opfer eines Erdbebens in der Türkei mit dem Chor "Nachbeben, Nachbeben". Mehrfach haben die eigenen Fans schon versucht, das Stadion in Handarbeit in zu zerlegen und abzureißen, nie aber gelang es so ganz. Bisher.
Nein, es ging nie fein zu im weiten Rund, das einer Waschschüssel eher ähnelt als dem, was derzeit als modernes Fußballstadion gilt. Und so sind diese Tage im verregneten Frühjahr des Jahres 2010 auch die letzten Tage des nach einem selbsternannten Arbeiterführer benannten Stadions, das der hallesche Stadtarchitekt Wilhelm Jost Anfang der 20er Jahre als "Mitteldeutsche Kampfbahn" entwarf. Nach beinahe zwei Jahrzehnten Streit und Hader um Sanierung, Neubau, Abriss, Abschaffung oder Verlegung an den Stadtrand beginnt in den nächsten Wochen der Auszug des Halleschen FC, der hier seit 1966 seine Heimspiele austrug. Und der knapp 20 Millionen teure Umbau zu einer "modernen Fußballarena".
Die war das Wabbel-Stadion schon einmal, als es noch "Horst-Wessel-Kampfbahn" hieß. Erbaut mit Notstandsmitteln zur Arbeitsbeschaffung in der Wirtschaftskrise der 20er, um dem imposant aufspielenden FC Wacker 1900 Halle eine Heimstatt zu bieten, konnte das Stadion mit seiner vollen Kapazität von 32.000 Steh- und 3.000 Sitzplätzen erst am 22. August 1936 mit einer festlichen "Spatengymnastik" des Reichsarbeitsdienstes eingeweiht werden. Zwischendurch war das Geld ausgegangen. Die nun „Kampfbahn der Stadt Halle“ genannte Sportstätte wurde 1939 auf den NSDAP-Märtyrer „Horst-Wessel“ umgetauft, neben Fußballspielen wurden Radrennen ausgetragen, Boxkämpfe fanden unter freien Himmel statt und Leichtathletikwettbewerbe zeigten, dass die deutsche Jugend prima für das anstehende Kräftemessen der Völker präpariert war.
Nach dem Krieg bekam die Sportanlage erstmal wieder einen neuen Namen: Der ehemalige kommunistische Stadtrat Kurt Wabbel, angeblich von den Faschisten feige in einem Außenlager des KZ Buchenwald ermordet, stand jetzt Pate. Zugleich wurden einige große Arbeiter-Skulpturen, ursprünglich von Wilhelm Jost für eine prächtige NS-Thingstätte in den Brandbergen am anderen Ende der Stadt in Auftrag gegeben, vor die Stadionmauern gestellt.
Generationen von Fußballfans werden später denken, wenigstens eine der Statuen stelle Kurt dar, den halleschen Arbeitersportler und Schwerathleten, der nicht wankte und nicht wich vor den Faschisten. Sondern, wie die Staatssicherheit spätestens seit 1953 sicher wusste, mit den SS-Wachen kollaborierte, um an frisch eintreffende kleine Polenjungen heranzukommen.
Verständlich, dass die Fans des Verein ihr Stadion seit dem Mauerfall und der Öffnung der Stasi-Akten über das vermeintliche Arbeitersportidol lieber "KWS" nennen. Mit dem Namen schrumpfte über die Jahre seltsamerweise auch die Zuschauerkapazität der weitläufigen Arena. Sahen ein Spiel gegen Dynamo Dresden Ende der 70er Jahre noch mehr als 34.000 Menschen, lag die offiziell zugelassene Besucherzahl zehn Jahre später nur noch bei 28.000. Mit dem Mauerfall sank sie weiter, zuerst auf 23.000, später dann auf gerade noch etwas über 13.000. Auch das Licht, seit 1969 von einer hochaufragenden Flutlichtanlage gespendet, ging langsam aus. Kaputte Lampen wurden nicht mehr erneuert, Flutlichtspiele fanden immer seltener und dann bei zunehmender Finsternis statt. Ein verrosteter Trafokasten machte dem Drama schließlich ein Ende: Das KWS wurde endgültig zur Tageslichtbühne.
Die Stadtverwaltung sah das recht gern, denn der vorher ausdauernd verschleppte Stadionneubau konnte so wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Anfangs war noch geplant, nach dem Vorbild der Münchner Bayern eine völlig neue Arena aus dem Boden am Stadtrand zu stampfen. Später verlegte man sich für eine lähmend lange Prüfungszeit darauf, ein zu DDR-Zeiten gebautes Volkssportstadion im Stadtteil Neustadt mit Millionenaufwand umzubauen. Schließlich aber setzten sich Fans und Vernunft doch durch: Getarnt durch den Euphemismus, die ehrwürdige alte Spielstätte werde "umgebaut", erfolgt nun ein vom Land bezuschusster und mit millionenschweren städtischen Immobilienverkäufen, von denen nie bekannt wurde, wer da eigentlich was gekauft haben soll, finanzierter Neubau.
Der soll ein Jahr dauern und die hochaufragenden Flutlichtmasten das Leben kosten.. Der Hallesche FC wird so lange in dem mit Notgroschen aus dem Finanzkrisen-Rettungspaket umgebauten Vorstadt-Stadion in Halle-Neustadt spielen, dessen Tradition an Großereignissen bislang mehrere Kreisspartakiaden und ein Konzert der Puhdys mit der Vorgruppe MCB Meter aufweist.
Im KWS steigt genau noch ein Spiel, es geht gegen die Reserve von Hannover 96 und sportlich um gar nichts mehr. Fast auf den Tag genau 74 Jahre nach der feierlichen Eröffnung mit einer "großen Sportwoche der halleschen Vereine" schließt die Mitteldeutsche Kampfbahn am 22. Mai 2010 enge Türen und großes Haupttor, das früher mal "Tor des Kampfes" hieß und später dann "Marathon-Tor". Ein Jahr und 17 Millionen Euro später geht es wieder weiter, dann vermutlich in der "Verbundnetz-Gas-Arena". Jede Zeit hat ihre Zeichen.
Tschüß, Stadion !
AntwortenLöschenMich erinnert(e) der Bau an das Oberhausener Niederrhein-Stadion ... ebenfalls in den 20igern (1926) erbaut.
Der größte Sieg, den ich *dort* erlebte ?
Daß DAS Hallenser Stadion nicht an den (für eine Saison) zwei Klassen höher spielenden VfL 96 ging. Stadionwechsel und eine ein, zwei Jahre längere Dominanz der aufmüpfigen Parvenüs und es hätte dem HFC das Genick gebrochen.
Tschüß, Stadion !
AntwortenLöschenMich erinnert(e) der Bau an das Oberhausener Niederrhein-Stadion ... ebenfalls in den 20igern (1926) erbaut.
Der größte Sieg, den ich *dort* erlebte ?
Daß DAS Hallenser Stadion nicht an den (für eine Saison) zwei Klassen höher spielenden VfL 96 ging. Stadionwechsel und eine ein, zwei Jahre längere Dominanz der aufmüpfigen Parvenüs und es hätte dem HFC das Genick gebrochen.
damit hast du völlig recht. passierte nur nicht, weil man die tradition brechen wollte. das rote steckte im mauerporphyr, glaubten die nachwenderevolutionäre, die damals jahrelang beim "bürgerlichen" vfl die dorftribüne plattsaßen
AntwortenLöschenJetzt sagt Kurt wirklich "Goodbye"! Der Neubau des Stadions trägt den netten Namen VNG-Arena.
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