Montag, 24. Mai 2010

Kultlatschen für Spätossis

Die Menschen damals, sie hatten ja nichts anderes. Die angesagtesten Schuhe waren flach, häßlich und nirgendwo zu bekommen, die schönsten Sandalen zeichneten sich durch den Charme eiserner Unverwüstlichkeit bei völligem Verzicht auf Form oder gar Eleganz aus. Der Teil der DDR-Jugend, der sich selbst als außerhalb der Gesellschaft stehend empfand, trug mit Vorliebe solche Jesuslatschen, auch Römer genannt. Während im tiefen Winter zu "Trampern" gegriffen wurde, einer Art knöchelhohem Wanderschuhe mit papierdünner Sohle und einem Oberleder aus Nubuk-Fensterputztüchern.

Damals wurden die Latschen getragen, bis der Schuster durch die Löcher rief und die Größe sich durch beständiges Dehnen bei natürlicher Feuchtigkeit von innen und außen um zwei bis drei Nummern erhöht hatte. Nachschub gab es selten, Alternativen gab es nie - welch ein Unterschied zu heute, wo der Westverleger Hubert Burda, Erbe des 1938 während der „Arisierung“ durch die Nationalsozialisten zum Großkonzern avanciertern Burda-Konzerns, in einem neuen Ostalgie-Shop im Internet Ewiggestrige und nachgezüchtete Ostalgiker mit den "Kult Latschen der DDR" (Zitat) beschickt, zu deren Kulturgeschichte erläutert wird "Wer die nicht hatte, lebte nicht in der DDR!"

Aber nicht jeden, der zu spät kommt, bestraft das Leben! "Nun endlich sind sie wieder da unsere Ossilatschen, Jerusalemlatschen oder auch Römerlatschen", heißt es auf ost-arkaden.de, dem neuen Goldesel im Burdastall, in dem potentiellen Käufern zur Schicksalssandale der DDR-Jugend erklärt wird: "Inhalt: 1 Paar Römersandalen = 2 Schuhe". Das Pionierhalstuch gibt es sowohl in blau als auch in rot (für Fortgeschrittene), wird die Sehnsucht allzu groß, darf man ein "NVA-Reservistentuch" oder eine "original-NVA-Koppeltasche" ordern, das dann über dem Shirt "Ich bin stolz, ein Ossi zu sein!" getragen wird.

Inhalt einer darüber zu tragenden NVA-Jacke ist hingegen "echtes DDR-Feeling beim Joggen", obwohl das ja seinerzeit noch Dauerlauf hieß. Aber wer wird denn hier auf Details achten? Das Ampelmännchen gibt es hier als "Schlüsselanhänger grün", eine Tat, zu der selbst die komatöse DDR-Konsumgüterindustrie moralisch nicht fähig gewesen wäre, als Bücher locken "Alles Trabi, oder was?" und das "DDR Getränkebuch", das eine Entdeckungsreise durch ein Land verspricht, in dem "gern und häufig gefeiert" wurde und das "neben den vielen offiziellen Feiertagen wie dem Jahrestag der Sozialistischen Oktoberrevolution und dem Tag der Republik" auch zu "privaten Anlässen". Ganz neu im Laden ist das "Tshirt Helfer der Volkspolizei grün" und ein Modell des "Palastes der Republik", in dem das DDR-Parlament seine Politik für das Volk beschloss. In Ergänzung des erfolgreich angelaufenen Ostkult-Ladens soll vielleicht schon demnächst ein Internetportal mit Kultklamotten aus dem 3. Reich eröffnet werden. Unter der Adresse "Reichskult.de" werden dann Flakhelfer-Armbinden, Stiefelputzsets aus dem Reichsarbeitsdienst und Fahrtenmesser der HJ angeboten. Alle Teile seien nach Originalbauplänen von Albert Speer in Fernost nachgebaut worden, heißt es vorab.

2 Kommentare:

  1. Ich kann mich nicht entsinnen, daß es in der DDR jemals "Kult Latschen der DDR" zu kaufen gab. Zumindest nicht in Konsum und HO. Aber vielleicht waren die Treter auch im Sortiment der Bückdichware. Keine Ahnung.

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  2. Doch, die gab es schon ab und an. Und wurden nicht nur, wie das ehemalige Nachrichtenmagazin Spiegel gern verlautet, von DDR-Gammlern getragen. Auch ganz normale Schüler, Lehrlinge und Studenten trugen diese Sandalen ähnlichen Dinger. Doch es ist eben mit diesen wie wie auch mit der Schlagersüßtafel und vielen anderen Dingen: ihre Zeit ist vorbei.

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