Der Kampf war ein ungeheurer. Wie ein mann stemmte sich Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner gegen die unwägbaren Gefahren, die Bürgerinnen und Bürger im Lande durch den
Google-Dienst Street View zu erleiden drohten. Beinahe im Wochenrhythmus bestellte sich die gelernte Fernsehtechnikerin dazu Medienvertreter ein, denen sie Einblick in mögliche Schutzmechanismen gab: Ein Gesetz zum verbot von Fotoaufnahmen im öffentlichen Raum sollte es in der einen Woche sein, der Persönlichkeitsschutz für Fassaden in der anderen, eine Genehmigungspflicht für das Hochladen von Bildern ins Internet war im Gespräch und die Pflicht, alle hochgeladenen Aufnahmen vorher unkenntlich zu machen.
Vor allem aber forderte Ilse Frau Aigner, dass Bürger umfassend von ihren Einspruchsrechten Gebrauch machen sollten - selbst das aber stieß bei den Betroffenen weitgehend auf taube Ohren. Mit bisher nur rund 10.000 Einsprüchen bewegt sich die aktive Besorgnisquote bundesweit im Promillebereich. Eine verheerende Bilanz, zu der Bundes- und Landesministerien mit ihrem beunruhigend laxem Umgang mit dem hochsensiblen Thema nicht unwesentlich beigetragen.
Denn wo die Bürgerin und der Bürger zur Angst aufgefordert wird, wäre zu erwarten gewesen, dass Behörden und Ministerien mit gutem Beispiel vorangehen. Eine Flut von Widersprüchen gegen die Abbildung von Reichstag, Bundesbranntweinverwaltungsverwaltungsgebäude, Innenministeriumsamtssitz und Bundesbankhaupthaus im Street View-Dienst hätte entfesselt werden können, wäre der Wille der Politik dagewesen, den eigenen vollmundigen Aufforderungen auch nur ansatzweise Taten folgen zu lassen.
Doch nichts ist geschehen. Wo sich durch Ilse Aigners nimmermüde Bitten um Besorgnis wenigstens noch ein paar tausend Privatleute bereit fanden, das von Google bereitgestellte Widerspruchsformular auszufüllen, haben offenbar sämtliche Landes- und Bundesbehörden stillschweigend vor der Datenkrake kapituliert.
Heißt es im Bayerischen Staatsministerium zur Frage nach der Anzahl der Landesinstitutionen, die von ihren Einspruchsrechten bei Google ihre Dienstgebäude und Liegenschaften betreffend Gebrauch gemacht hätten nur knapp, "dazu liegen uns keine Zahlen vor", gesteht das Innenministerium des Landes Brandenburg auf Anfrage, das "eine Übersicht zu eventuellen Einsprüchen bzw. Widersprüchen von Brandenburger Behörden gegen Aufnahmen für Google Street View" nicht nur nicht vorliege, sondern sie "ressortübergreifend auch nicht erhoben" werde.
"Was das Innenministerium betrifft, sehen wir für den Ressortbereich dafür keine Notwendigkeit", begründet Pressesprecher Ingo Decker. Aufnahmen öffentlicher Gebäude und Liegenschaften 'von außen' unterlägen keinerlei Beschränkungen und könnten "bekanntlich auch von allen Medien erlaubnisfrei erstellt werden". Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes sei durch "das bloße Fotografieren von Landesliegenschaften und durch die Veröffentlichung dieser Aufnahmen grundsätzlich nicht" zu erwarten, widerspricht die brandenburgische Landeregierung der Verbraucherschutzministerin, die eine "millionenfachen Verletzung der Privatsphäre" durch Fassadenfotos ausgemacht hatte.
Inzwischen gibt es eine Volksinitiative des Twitterers Jens Best, die sich an der Verweigerung der Politik orientiert, bundes- und landeseigene Immobilien für Street View zu sperren. Best ruft die Menschen draußen im Land dazu auf, selbst auf die Straße zu gehen und Häuser zu fotografieren, deren Fotos in Googles Sammlung fehlen, weil Besitzer oder Mieter Widerspruch angemeldet haben. Die Aufnahmen sollen anschließend ins Netz gestellt werden.
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