Da war er plötzlich wieder, der kernige Sozialdemokrat, der einst die Schweiz überrollen wollte, um die Auslandsvermögen der Deutschen jedes Jahr wieder versteuern zu können. Peer Steinbrück, als Finanzminister nach einer einzigartigen Politikerkarriere mit den meisten Bankenzusammenbrüchen in einer Amtszeit direkt in einen Managerposten bei einem Konzern mit großer Tradition bei der deutschen Truppenversorgung gescheitert, arbeitet hart an der Berichtigung der Geschichtsschreibung zu seinen Gunsten.
Nein, er selbst, oberster Aufseher etwa bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau, trägt keinerlei Verantwortung für die Finanzkrise. Nein, in seiner Erinnerung hat Peer Steinbrück niemals für Verbriefungen, für Deregulierung und die Verkürzung von Spekulationsfristen gestritten. Nein, er war es auch nicht mehr, der den wendigen Verbriefungsprediger Jörg Asmussen zum starken Mann im Finanzministerium gemacht hat. Der zuließ, dass öffentlich-rechtliche deutsche Banken Filialen in Steuersparparadiesen unterhielten, Länderfinanzminister Geld über dubiose Auslandskonstruktionen einwarben und der Bund sich Geld über Pfandbriefe besorgte, die eine nach Irland umgezogene ehemalige Staatsbank feilbot.
Peer Steinbrück will das alles nicht mehr wissen und er will es eigentlich auch niemals gewusst haben. Er war, so lautet die Geschichtsschreibungsvariante des bärbeißigen Offensivpolitikers, von Anfang an gegen die Krise. Schuld am Zusammenbruch waren deshalb eben auch nicht die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte. Sondern einen gesichtslose "Finanzelite" (Steinbrück) und ein anonymes "Marktversagen". Er addiert Gier und Gewissenlosigkeit dazu, und schon schaut niemand mehr Steinbrück als einen der Männer an, die an den Schalthebeln der Macht saßen und dem Treiben zuschauten. Nein, jetzt ist der Panzerbär der deutschen Sozialdemokratie, der etwa sagenhafte Laufbahn der Hypo Real Estate von der maroden Immobilientochter der Hypovereinsbank bis zum Börsenstar mit geschlossenen Auge verfolgte. Und sich erst einen Tag nach Ablauf der Frist zur Rücknahme der Bad Bank durch die ehemalige Mutter wunderte, dass er sich jetzt mit Milliarden Steuergeldern darum kümmern musste.
Steinbrück, seinerzeit Mitverfasser des "Koch-Steinbrück-Papiers", das durch Reformen allerlei Art zu einer größeren Wendigkeit deutscher Firmen, Bürger und Institutionen herbeizaubern wollte, schiebt alle Schuld auf andere, als er beim Fußballkommentator Reinhold Beckmann fachmännisch so vernommen wird, dass er nur sagen muss, was er sagen will. Die Manager. Die Wirtschaftsjournalisten. Die Finanzwissenschaft. Alle hätten total falsch gelegen. Sich selbst erwähnt er nicht, in dieser Pinocchio-Sendung bei Beckmann. Dafür aber natürlich das falsche "Paradigma der Deregulierung, der Entfesselung der Märkte".
Doch Steinbrück, anno 2006 noch der Ansicht, dass "die Lage der öffentlichen Haushalte es nicht mehr zulässt, einen vornehmlich konsumtiv, auf Alimentation ausgerichteten Sozialstaat weiterhin im bisherigen Volumen zu finanzieren", geht über seinen Anteil galant hinweg. Nie hat dieser Mann sich dafür eingesetzt, Banken zu helfen, "ihr Geschäftsmodell auf ein aktives Management ihrer Portfolien umzustellen". Nie hat er die Bundesfinanzagentur beauftragt, für den Bund eine Dollar-Anleihe auf den Markt zu bringen, um mit der Spekulation auf den Umtauschkurs von Dollar und Euro Gewinne zu erzielen. Nie saß er im Aufsichtsrat der KfW , Mutter der ersten Pleitebank IKB und später mit Millionenverlusten aus Geschäften mit der US-Investmentbank Lehman Bros. Nie hat ihm jemand verraten, wie Bundesländer ihren eigenen Fiskus betrügen. Nie hat er etwas wissen können über milliardenschwere Auslandsfilialen deutscher Staatsbanken.
Peer Steinbrück, als Ministerpräsident aus dem Amt gejagt und von seiner Partei im Finanzministerium abgeparkt, war immer nur dabei, aber nie mittendrin. Ein Insider, abgebrüht genug, seine Hände in aller Öffentlichkeit in Unschuld zu waschen. Auch bei Beckmann ist Peer Steinbrück nicht rot geworden.
Deregulierung?
AntwortenLöschenVerregulierung vielleicht.
Deregulierung hieße ja weniger von dem ganzen Qatsch. Wann hätte es je diesen Schritt zurück(?) je gegeben?