Komasaufen, bisher nur für Minderjährige zugelassen, wird dank der großen Dichtkunst der staatlichen Nachrichtenagentur dpa endlich zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem. "Viele Deutsche trinken zu viel", reimt die Realitätserfindungsmaschine, "immer öfter sogar, bis sie ins Koma fallen". Jeder Bundesbürger habe im Jahr 2008 im Durchschnitt umgerechnet 9,9 Liter reinen Alkohol zu sich genommen, gehe aus dem Jahrbuch Sucht 2010 hervor, das die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) eben brühwarm vorstellte. Damit sei der "Verbrauch im Vergleich zu 2007 gleich" geblieben, aber "es ist natürlich viel zu hoch», habe Deutschlands oberster Suchthelfer Raphael Gaßmann erklärt.
Eine beeindruckende Bilanz angesichts der für die alkoholherstellende Industrie frustrierenden Zahlen der letzten 15 Jahre. Noch 1995 knallte jeder Deutsche jährlich zuverlässig 11,1 Liter reinen Alkohols weg, nachdem er Anfang der 80er Jahre sogar noch rund 12 Liter bewältigt hatte. Seitdem aber knickte die Nachfrage scharf ein, der Konsum ging um mehr als 20 Prozent zurück, allein zwischen 1995 und 2008 sank der Bierverbrauch von 135 auf nur noch 111 Liter pro Kopf und Jahr und der Schnapskonsum ging von 5,9 Liter auf 5,6 Liter zurück.
Zugleich aber konnte das Alkohol-Problem der Deutschen kontinuierlich zulegen, wie die unbestechliche Google-Timeline (unten) zeigt. 1980, als Horst Schmimanski noch zur besten Sendezeit volltrunken durch den "Tatort" taumelte und gemeinsam mit Marius Müller-Westernhagen, dem Erschaffer von Hymnen wie "Hier in der Kneipe" und "Johnny Walker" vom "Jungen auf dem weißen Pferd" sang, hatte Alkohol medial nur eine Chance, wenn Prominente im Suff "verunfallten" (Polizeigewerkschaft). Der kleine Rausch zwischendurch war Alltag, die Büroflasche Usus, Bier auch außerhalb Bayern ein Erfrischungsgetränk, das zu jeder Tageszeit gekippt wurde.
Karriere als die Bevölkerung begann, die Flasche zu verweigern und sich stattdessen diverser Fittnesssportarten hingab, begann der Aufschwung de Alkohols zur medialen Modedroge: Plötzlich entstanden Suchthilfeorganisationen, plötzlich förderte Vater Staat die Abstinenz mit bunten Werbespots, plötzlich rüttelten zunehmend häufiger zunehmend grausige Schlagzeilen über die Deutschen als ein Volk von Alkoholikern die gelegenheitstrinkende Mehrheit auf. Die betrunkene Republik bekam jetzt eine "Suchtbeauftragte", die zumindest dem Namen nach noch vom Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, einem begeisterten Alkoholverweigerer, benannteDeutsche Hauptstelle für Suchtfragen dachte sich vom Geld des Bundesministeriums für Gesundheit das "Suchtjahrbuch" aus und überzog das Land mit einem Netz aus mehr als eintausend Beratungsstellen. Der Erfolg ist beeindruckend: Das Problem, einmal erkannt und an Experten zu Erforschung und Bekämpfung abgegeben, wird zuverlässig immer größer.
Und, singt Westenhagen, "mein Glas ist übrigens leer, nein, der Junge auf dem weißen Pferd, der kommt nicht mehr".
Parallelen findet man beim Klimawandel. Waren vor 40 Jahren noch 5.000 Eisbären vom Aussterben beroht, so sind es heute bereits 25.000. Über steigt die Bedrohung und wenn der Statt uns nicht beschützt, werden wir alle zugrunde gehen.
AntwortenLöschenDes Rätsels Lösung liegt in den 80igern. Intelligente Konservative behaupteten, mit den Moralisten (vor allem bei den Grünen), seien "neue Jakobiner" aufgetreten, die vor allem ihrer Lust an der Prohibition fröhnten.
AntwortenLöschenMan muß also ständig "Mißstände" aufdecken und geeignete(!) Täter entlarven. ... nicht ohne Abhilfe durch Verbote und Sozialbetreuung anzumahnen.
die eisbären zeigen schön, dass ein problem sich verschärft, indem es ausstirbt. ist wie mit der armut in deutschland: je mehr leute reich sind, umso mehr leute werden arm, obwohl sie genau so viel wie vorher haben
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