Neue Uniformen, neue Kopfbedeckungen, neue Feinde und neue Schlachten, sonst aber geht es kurz vor dem 1. Mai in alten Stiefeln zu neuen Tänzen: Ausnahmezustand im Land ist angedroht, nicht wegen Griechenland, sondern wegen der Antiglobalisierungsbemühungen linker Burschenschaftler in schwarzen Nahkampfburkas. Brennen wird das System und danach wird es untergehn, wie eine leider sehr vergessene Kampfcombo bereits vor Jahren vokal vorausahnte.
Wohin das führt, wenn Männer sich uniformieren, um der Welt das Heil nach selbstgebackenem Rezept in den Mund zu stopfen, erinnert der Berlinpankowblogger tagesaktuell in einem bewegenden Kurzfilm aus einem untergegangenen Land, in dem alle eben noch nicht dabei sein wollten, so wie heute die Volksfront aus Linken, Rechten, Grünen, Roten, Schwarzen, Gelben, Armen, Reichen, Gewerkschaftern, Verbände, Studierenden, Arbeitenden, Nicht-Arbeitenden, Prominenten, Abgeordneten, Kulturschaffenden, Bullen und Migranten. Der 1. Mai ein Tag, an dem alle allen alles demonstrieren können, am besten in Berlin.
Warum nur, fragt der Pankowblogger, dem es schlimm genug scheint, dass der erste Mai in diesem Jahr wie alle anderen Feiertage ein Sonnabend ist? Damit wird den fleißigen Werktätigen ein Feiertag geklaut und dem Kapitalismus beim wölfischen Wachstum geholfen, klar. Aber statt dass das so kalt enteignete Volk nun gemütlich vor seiner Laube oder auf seinem Balkon sitzt oder ein paar Stunden mit Freunden im Biergarten gehen sie auf die Straße.
So wie wir damals, nur eben ganz anders. Als die Demonstration zum 1. Mai inklusive ”Der Sozialismus wird siegen”-Losungen noch Pflicht waren, was aber uns nie interessiert hat. Wichtig war, dass man sich frühmorgens am Aufstellungsort sehen ließ. Der Anwesenheitsliste wegen. Einmal dort abgehakt, war es die Demo auch. Wenn sich dann die revolutionären Marsch-Reihen in Bewegung setzten, haben wir uns verpisst. Auf die Peißnitz zum Beispiel. Haben dort den ganzen Tag Skat gespielt. Oder Tischtennis. Dabei Hallesches Helles getrunken.
Und heute? Jetzt muss man fürchten, auf dem Weg in den Biergarten entweder den einen oder den anderen Vollidioten über den Weg zu laufen. An jeder Kreuzung muss man darauf achten, dass man nicht von links oder rechts angefahren wird. Oder angezündet. Sogar Fußballspiele in den Regionalligen werden an diesem Wochenende erstmals am Sonntagabend ausgetragen. Damit genügend Bullen aus Hamburg und Sachsen-Anhalt in Berlin auf links und rechts einprügeln können. Manche von denen freuen sich schon darauf, tuschelt man in den Hundertschaften. Und: Diese ganze Vollidioten-Prügelei soll in diesem Jahr auch noch in Pankow stattfinden. Da müssen wir wohl auch noch unsere Autos umparken, weil sie sonst abgefackelt werden. Auch das ist anders. Damals brannten maximal die Fackeln der FDJler beim Umzug. Aber die waren zu jener Zeit wenigstens weit von uns entfernt.
Klar, hingegangen ist man wegen abhaken. Aber auch wegen der Fischsemmeln (die gab´s da nämlich).
AntwortenLöschen@volkerstramm: Fischsemmeln? Koommst woll von de Waterkant? Bei uns gab's nischt, außer die Peitsche vom Lehrer, wenn man sich bei der Ehrenparade nicht benommen hat.
AntwortenLöschenDie abgebildeten Berliner GenossInnen mit den Betriebskampfgruppen zu vergleichen, hat auch was für sich. Uns kam eher die von Hannes Wader besungene junge Garde des Proletariats in den Sinn: http://wp.me/pqGTs-NV
Und immer den Werktätigen im Einzelhandel einen schönen freien Kampftag der Arbeiterklasse wünschen.
AntwortenLöschenDa die Angehörigen der bewaffneten Organe an diesem Tag wieder besonders gefordert sind, weil der Feind keine Provokationen scheut, sollten wir ihnen beim Sehen vielleicht ein freundliches Hallo zuwerfen.
Nein nwr, wohne nicht an der Waterkant, bin Sachse. Das mit den Fischsemmeln ist für mich so ein Paradebeispiel. Heute immer und überall im Angebot, aber im Paradies der Werktätigen, der besseren, weil gerechten Welt eine nur nach ewigem Schlangestehen zu kriegende Rarität – wenn man gerade dazukam.
AntwortenLöschenInteressant ist das schon, wie intensiv Links gegen irgendwas kämpft. Außer es geht gegen Juda. Da kann man die Hetzschriften von Indy- Altermedia vertauschen ohne dass es jemand auffiele.
Und haltlos kullern meine Tränen, sobald die Sängerin in Ricks Café die "Marseillaise" schmettert, um den fiesen Major Strasser zu ärgern. Ich fühle links. Da kann man einfach nichts machen.
schreibt Miersch in seinem großartigen Aufsatz
„Ja bin ich denn rechts?“
Irgendwie so in dieser Art geht es mir bei Hannes Wader.
Ja, er hat viel Mist verbreitet. Und „das nichts bleibt wie es war“ wurde so oft durch den Wolf gedreht dass es schon peinlich ist. Aber das ändert nichts daran, dass ein Rohr im Wind irgendwie genial ist. Und wenn ich zufällig mal Zeit habe und keiner im Haus ist (keiner leiden muss), wird das ganze Programm gnadenlos abgearbeitet. Warum nicht, wenn man vor 30 Jahren 19 war, was soll sich heute geändert haben?
Bin ich jetzt ein Nazi?