Donnerstag, 29. April 2010

Hungerkur zum Weltruhm

Da ist sie auch mal wieder, die uralte Mär vom rätselhaften Yogi, der seit Jahrzehnten nicht gegessen und getrunken hat und dennoch frisch und fröhlich von Gott erzählt. Aller fünf Jahre macht sich der zauselbärtige Inder Prahlad Jani auf, die internationale Premiumpresse mit wundersamen Geschichten zu Schlagzeilen wie "Seit 70 Jahren auf Null-Diät" (20minuten) oder "70 Jahre ohne Nahrung: Ärzte untersuchen angeblichen Wunder-Yogi" (Spiegel) zu inspirieren. Zuletzt hatte der angebliche Fakir 2003 weltweit Aufsehen erregt, als er angeblich "von angesehenen Medizinern durchleuchtet" (dpa) wurde. Damals kam Prahlad Jani "unter ständiger Beoachtung zehn Tage ohne Essen und Trinken aus", wie es hieß. Und er habe dabei nur "einige Gramm Gewicht" verloren.

Wenn jemand in zehn Tagen ohne Essen einige Gramm Gewicht verliert, wäre er natürlich nach durchhungerten 25.000 Tagen faktisch nicht mehr da. Doch solchen naheliegenden Lösungen des überirdischen Problems gehen Wissenschaftsredakteure in wirklichen Qualitätsmedien eher weniger gern nach. Lieber schreiben sie von "Rätseln", auf die auch "der untersuchende Arzt Dr. Sudhir Shah" keine Erklärungen habe. Dafür ist Shah Spezialist: Zuletzt hatte der Wunder-Wissenschaftler einem Mann namens Hira Ratan Manek bestätigt, dass er ausschließlich von Sonnenlicht lebe. Manek hatte zuvor 400 Tage unter Shahs Aufsicht auf jede Nahrung verzichtet. Seine Erfolgsdiät: "Es reicht völlig, wenn man 40 Minuten pro Tag barfuß läuft und in die Sonne schaut." Shah bestätigte das sehr gern. Sein 63-jähriger Patien habe seinen "energetischen Haushalt auf die Versorgung durch kosmische Quellen umgestellt", er nehme "über seine Zirbeldrüse Licht auf und wandele es durch Photosynthese in Energie um".

Kling wie die Lösung der Ernährungsprobleme der Welt, liegt aber noch hinter dem Ausweg, den Prahlad Jani aller Jubeljahre präsentiert, diesmal ausgelöst durch eine Geschichte in seiner Heimatzeitung Ahmedabad Mirror. Das Staunen ist global, auch das Wissenschaftsmagazin "Spiegel" staunt wieder in vorderster Front mit, obwohl Jani bei seinem letzten Auftritt auf der Weltbühne noch den Fehler gemacht hatte, anzugeben, dass die Ärzte seinen Urin untersucht hätten. Wo die doch behauptet hatten, Jani müsse nie zur Toilette.

Vorsichtshalber wird der Yogi nun aber doch wieder "rund um die Uhr beobachtet, sagte der Direktor des Defence Institute of Physiology & Allied Sciences des nationalen Verteidigungsinstituts, Govindasamy Ilavazhagan", wie der "Spiegel" per Hand aus dem Ahmedabad Mirror übersetzt hat. Ilavazhagan, ein Spezialist für die Behandlung der Höhenkrankheit, ist der neue Dr. Shah, der übrigens schon anno 2003 für "Anfang Dezember neue Untersuchungsergebnisse" über seine Test an Yogi Jani angekündigt hatte, die nie kamen. Der Rest ist der neuen Geschichten sind die alten aus dem Archiv: Jani sei als Achtjähriger von einer Gottheit berührt worden, verspüre er weder Hunger noch Durst, denn er ernähre sich von einer "Flüssigkeit, die aus einer Öffnung in seinem Gaumen" ströme. Ein Perpetuum Mobile, das sich selbst auffrisst, ohne dabei weniger zu werden. Nach Abschluss aller Untersuchungen, von denen man allerdings auch nie mehr hören wird, dann zuerst von Apple in Aluminium, später dann auch bei Aldi als Medion-Nachbau: Der iYogi, auf Hydro oder Erde, zum Inhalieren oder Schnupfen.

9 Kommentare:

  1. "... er nehme "über seine Zirbeldrüse Licht auf und wandele es durch Photosynthese in Energie um ..."

    Jetzt frage ich mich, ob man Regierungsmitglieder in D. nicht auch als *Yogi* bezeichnen könnte, weil sie Steuergelder in Sch... umwandeln können.

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  2. kann man. noch. wir sind ja hier unter uns.

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  3. Man sollte ihm den Mund zunähen, dann sieht man ja, ob das geht.

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  4. coole idee! zukleben. da fliegst du als kindergärtnerin sofort

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  5. Wenn er nichts macht, außer auf seinem Bett zu hocken und langsam zu atmen, verbraucht er wenig Energie, ergo muß er wenig zu sich nehmen. Daß aber ein Dasein des Menschen ähnlich einer Amöbe außer der Beseitigung des Ernährungsproblems kulturellen Fortschritt bringt, darf bezweifelt werden.

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  6. BeobachterApril 30, 2010

    Das ist doch alles altes Gewäsch!

    Ich benötige nicht mal Licht zum Leben, ALLE(!)Körperöffnungen sind versiegelt und dennoch sitze ich in meinem hermetisch abgeriegelten Bunker, welcher mich vor den Menschen und "dpa" schützt, und speise nicht aus meiner Zirbeldrüse, sondern aus einem Laufrad angetriebenen Generator einen Laptop und ein Modem mit Energie um mich der Welt in diversen Blogs mitzuteilen.

    Heilige Grüße vom Beobachter

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  8. siehste, und mancher ernährt sich nun wieder nur von dpa! mit einer käsesoße reuters drüber und einem schluck afp dazu nennen experten das das spiegel-online-diät. die langzeitwirkungen sind allerdings verheeren, kurzatmigkeit, vergesslichkeit, schließlich lähmungserscheinungen und dann der hirntod.

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