Miserable Zahlen, Umsatzrückgänge, fehlendes Engagement, Perspektivlosigkeit - nachdem das Bundesinnenministerium die neue Statistik zum politisch motivierten Extremismus veröffentlicht hat, herrscht große Ratlosigkeit in der Öffentlichkeit. Wie sind diese Ergebnisse zu bewerten? Wohin führt der Weg der politischen Gewalt? Und was, bitte, ist denn nur mit unseren Rechten los? PPQ sprach mit Bastiane Schirauch, Symbolismusforscherin an der freien Fernuniversität Lahore und Expertin für Ipunktismus, über Stand und Entwicklungsmöglichkeiten des Extremismus in den Zeiten der Krise.
Frau Schirauch, lassen Sie uns gleich zum Kern kommen: Die neuen statistischen Zahlen sind ernüchternd, die Bilanz des rechten Extremismus zeigt Einbrüche auf breiter Front. Was ist denn nur mit unseren Rechten los?
Schirauch: Das ist eine gute Frage, die sich so einfach gar nicht beantworten lässt. Wir haben es hier nach Meinung der Wissenschaft mit einem Phänomen zu tun, das sich in allen Systemen zeigt, deren innere Erschöpfung nicht mehr durch Input von außen ausgleichen lässt. Ein Rückgang bei der rechtsextremen Straftaten um nahezu fünf Prozent ist ein Erdrutsch, gerade weil er einen Markt trifft, dem Medien, Wissenschaft und Analysten eigentlich ewiges Wachstum nachgesagt hatten. Lassen Sie es mich so sagen: Unverhofft kommt oft und meistens dann, wenn niemand damit rechnet.
Aber wo liegen denn die inneren Gründe für diese Trendwende?
Schirauch: Da haben wir es nach Ansicht aller Kollegen ganz eindeutig mit der Frage der Überalterung zu tun, die nicht nur die Gesamtgesellschaft, sondern unterdessen auch die gesellschaftlichen Ränder ergreift. Wenn wir zurückschauen, können Sie sehen, dass eine Wellenbewegung das Grundmotiv ist, nach dem extremistische Bestrebungen aufschwellen und abklingen. Kommen wir in den Binnenbereich der sogenannten Szene, sehen wir dort junge Männer, es sind ja zumeist Männer, die anfangs mit großen Idealen starten. Sie wollen radikaler und extremer sein als die Generationen vor ihnen, sie engagieren sich, die Szene blüht auf, weil dieses innere Glühen der Aktivisten natürlich eine gewisse Anziehungskraft hat, das muss man ja so sagen, ganz objektiv. Dazu kommt die Ablehnung der Mainstreamgesellschaft, die dem Ganzen eine Patina gibt, die mich, so habe ich das in meiner Grundsatzarbeit "Extremismus der Extreme" beschrieben, an Robin Hood und Rebellentum insgesamt erinnert.
Da haben wir also die Grundlagen der Anziehungskraft. Die aber scheint ja verloren.
Schirauch (Foto): Genau. das ist ja nicht wie beim süßen Brei, der sich aus sich selbst beziehungsweise aus diesem Töpfchen nährt und vermehrt, wie wir das im Märchen gelernt haben. Nein, hier sind Zuflüsse Teil des Konzepts und Wachstum ist nicht Ziel, sondern auch Lebenselixier des Extremismus. Schauen wir die Ursprungsgeneration an, dann sehen wir aus der extremen Nahsicht Personen, die neben ihrer extremistischen Karriere irgendwann beginnen, ein Alltagsleben führen zu müssen. Da kommen Frauen, da kommen Kinder, da kommen andere Hobbies. Und eines Tages kommt der Rechtsaktivist eben nicht mehr raus, wenn es zum Türkenklatschen geht, weil Elternabend ist der die Frau Yogastunde hat und jemand auf die Kinder aufpassen muss.
Es wächst sich aus?
Schirauch: Verharmlosend gesagt ja, es wächst sich aus. Denn nur die führenden Aktivisten einer solchen Bewegung können wirklich als Vollzeit-Extremist leben, ich denke da Steiner Wulff oder den kürzlich verstorbenen Rieger. Der überwiegende Rest ist darauf angewiesen, sich pro forma zu integrieren und den Extremismus sozusagen in seiner Freizeit auszuleben. Das aber ist dann kein Verhalten mehr, das Ausstrahlungskraft hat und als Vorbild für Jüngere taugt.
Damit fällt das Wachstum weg?
Schirauch: Es fällt zuerst in sich zusammen, es lässt nach, wir können das an den Zahlen sehen. Zuerst noch mehr Taten, aber schon weniger Täter, später schaffen die es nicht mehr, die notwendigen Steigerungsraten zu produzieren. Sehen Sie sich an, wann der klassische Skinhead-Haarschnitt aus der Mode geriet, dann wissen Sie, wie lange die Krise schon andauert. Das war eigentlich der Punkt, an dem nur noch eine Art Angstblüte der Szene Selbstbewusstsein suggerierte, für das es schon keinen Grund mehr gab. Medial ist die Schlacht nun auch offiziell verloren. Es wird, könnte man sagen, weniger sexy, zuzuschlagen oder Propagandataten zu begehen, was rückkoppelt auf nachfolgende oder eben nicht mehr nachfolgende jüngere Täter. Die "Bewegung", als die sich die politisch extreme Rechte sieht, fällt zusammen. Ein Teufelskreis.
Allerdings hat ja die Bundesregierung eigentlich alles getan, um die Bedingungen zu schaffen, unter denen Propagandataten auch wirklich breite propagandistische Wirkung entfalten können. Ein Hakenkreuz in eine Bushaltestelle gemalt, das reicht zuweilen für überregionale Schlagzeilen.
Schirauch: Das ist ja der Punkt, an dem die extreme Linke immer gesagt hat: Das ist unfair, das setzt einseitige Anreize für junge Leute. Sehen Sie als Rechtsextremer fällt es leicht, statistisch relevant strafbar zu werden. Schreiben Sie AH oder HH oder 18 oder 88 an eine Wand, schon sind Sie mitten in der Party, weil das jeweils als Code für den Namen des ehemaligen Führers und Reichskanzlers Adolf Hiler gilt, der ja heute einen richtig guten Job als Moderator bei n-tv und im ZDF macht. Aber versuchen Sie dasselbe Mal mit EH oder JS beziehungsweise mit 58 oder 1019 , da ernten Sie nur Kopfschütteln, weil Erich Honecker oder Joseph Stalin als Diktatoren eher belächelt werden. Ich will das jetzt nicht verharmlosen, was die beiden im Leben erreicht haben, denn das ist genaugenommen schon eine ganze Menge. Ich will nur sehr glasklar benennen, wie ihre historische Wirkung in der Bevölkerung ist. Nämlich sehr bescheiden.
Dennoch hat es die extremistische Linke ja geschafft, ihre aktenkundigen Aktivitäten zu steigern. 40 Prozent Plus mitten in der Krise, das ist doch ein Statement wie ein Paukenschlag?
Schirauch: Ja, dort ist man einfallssreich, um die mangelnde Strafbarkeit zu umgehen. Die Wissenschaft führt das nach letzten Untersuchungen, die mein Kollege Jens-Bert Wanszun in Neuengland gemacht hat, auf das höhere Bildungsniveau im linken Spektrum zurück. Hier haben Sie einfach viele, die studiert haben oder noch studieren und deren Zorn auf die Verhältnisse auch theoretisch zumindest theoretisch besser grundiert ist. Da lässt man sich etwas einfallen, um aufzufallen, und nutzt auch geschickt die eher hilflosen Vorlagen, die wie zuletzt in Dresden von der anderen Seite kommen. Das hat alles in allem viel Ritualisiertes, es steckt aber ein Körnchen Wahrheit drin.
Was raten Sie der Politik, die ja den "Kampf gegen Rechts" zu einem der entscheidenden Schlachtfelder um die Gunst der Wählerschaft gemacht hat? Sollte man dort jetzt nachlassen, um nicht die letzten zarten Pflänzchen zu zertreten?
Schirauch: Die Strategie, die bei der NPD verfolgt wurde, scheint mir hier ausbaufähig. Es geht darum, die nicht zuletzt von den aktuellen Zahlen demoralisierte Szene nicht fallen zu lassen, sondern ihr über die schwere Zeit der Depression zu helfen, auch personell. Die Gesellschaft braucht zuweilen eine Art Terror von handgezüchteten Tanzbären, da ist sich die Analyse einig. Ich denke aber, unsere Politiker wissen selbst, dass diese Leute immer gut zu gebrauchen sind, um von anderen Dingen abzulenken oder Gesetze durchzudrücken, für die es normalerweise keine Argumente gäbe. Wir werden das weiter beobachten.
Frau von Schirauch, wir bedanken uns für das Gespräch. Mehr Analysen zum Thema auch bei
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Ob es einen Jens-Bert Wanszun gibt, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Immerhin wird er von google (wenn auch nur ein Treffer) gefunden.
AntwortenLöschenAber Satoshi Kanazawa gibt es wirklich.
Der hat (total wissenschaftlich, versteht sich) herausgefunden, dass Linke nicht nur ein höheres Bildungsniveau haben, sondern ganz allgemein „schlauer sind als Konservative“. Intelligente Menschen tendieren nach Kanazawas Aussage nämlich eher dazu, soziale Werte („Macht kaputt was Euch kaputt macht!“) sowie politische („der Kommunismus ist die lichte Zukunft“) und religiöse (Klimareligion) Überzeugungen zu vertreten, die in der menschlichen Evolution neu (Bedingungsloses Grundeinkommen) sind. Das Bewahren alter Werte („Du sollst nicht töten“) ist hingegen Sache der Konservativen, die weniger intelligent sind.
Demnach wagen sich intelligentere Menschen viel eher an neue Aufgaben (Bullenklatschen), die sich von den bisherigen Tätigkeiten (Du sollst Dein Brot im Scheiße Deines Angesichts essen) unterscheiden. Ein Beleg für diese Hypothese sind nach Meinung des Psychologen nachtaktive Menschen.
Unsere Vorfahren hatten kein künstliches Licht und schliefen deshalb während der Dunkelheit. Im Industriezeitalter gibt es aber immer mehr Menschen, die bevorzugt nachts arbeiten. Diese (Im Kreml ist noch Licht) haben, so ergab eine Studie von Kanazawa aus dem Jahr 2009, einen erhöhten Intelligenzquotienten.
Wir sollten Satoshi Kanazawa im Auge behalten. Aus gewöhnlich gut informierten Kreisen verlautete, dieser zeitgenössische da Vinci würde gerade beweisen, dass Neger intelligenter sind als Menschen.
ich vertraue frau schirauch. wenn die sagt, den gibts, dann gibts den auch. vermutlich arbeitet er unter falschem namen (kanazawa?), um sich nachstellungen zu entziehen?
AntwortenLöschen@VolkerStramm
AntwortenLöschenIch glaube der Statistik, denn es ist einfach eine Frage ausreichender Stigmatisierung, wenn man die als gefährlich eingestufte Zielgruppe mit lauter Dumm- und Wirrköpfen gefüllt sehen will. Die Intelligenten sind (leider) oft auch dazu intelligent genug, sich sozial anzupassen, anstatt Nietzsches Regentropfen zu spielen. Und so gab es Mitte der 30er bestenfalls noch ein paar spinnerte, proletarische Einzelgänger, die Hitler weghaben wollte; oder man konnte als DDR-Agitator bis zum 9. Oktober 1989 noch getrost von "Rowdis und asozialen Elementen" sprechen...
Das, was mit Rechts geht, geht auch mit Links, und wenn Sie mir die Mediengewalt geben und wir eine Wette abschließen, dann wette ich, daß in 10 Jahren der Begriff "Sozi" die gleichen pawlowschen Reflexe wie heute der Begriff "Nazi" auslöst und alle "Guten" verbissen den "Sozialismus" bekämpfen. Einen Feind braucht der schlichte Mensch eben, und als Obrigkeit installiere man als Haßfigur natürlich jenen, den man nicht mag.
Das Wettgeld müßte allerdings sehr hoch sein, denn das Geschäft mit Propagandalügen und psychischer Kontrolle ist ein äußerst schmutziges.
@nwr: Da würde ich nicht dagegen halten. Man lese ruhig nochmal den "Anschwellenden Bocksgesang" oder schaue die augsburger Puppenkiste, wo der Bock den Sündenbock spielen und alle Schuld von allen anderen nehmen durfte.
AntwortenLöschen@nwr
AntwortenLöschenWenn es erlaubt ist, eine kleine Arabeske zu
"Einen Feind braucht der schlichte Mensch eben,"
Es war wie ein Ritterschlag, als im Juli 1990 in den Ämtern die Fahndungsplakate der RAF-Terrororisten ausgehängt wurden. RAF jetzt auch bei uns, jetzt gehören wir dazu – zu den „Guten“.
Nach dem Fall der Mauer ist in West-Berlin die Zahl der Geisteskranken angestiegen. Für die Fachleute nicht überraschend, die kannten das Phänomen „Entgrenzung“ schon lange.
Zu dieser Zeit entgleisten in Sachsen die Gesichtszüge der „Guten“, wenn jemand die Unfehlbarkeit des (wir sind ja so volkstümlich) „Geenisch Gurt“ anzuzweifeln wagte.
Das war die Zeit, als ich aus Ekel vor den couragierten „Nieder mit der SED“-Patrioten die PDS (formerly known as SED, now the LINKE) gewählt habe.
Nie hätte ich Einfaltspinsel geahnt, dass sich der Wind innerhalb von 15 Jahren um 180° drehen könnte.
Muss ich sagen, welche Partei ich heute aus Ekel vor den couragierten „Nazis raus“-Patrioten wähle?
lieber nicht
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