Es ist zu seiner Zeit das wichtigste Land Europas, selbst nur klein, verglichen mit großen Ländern, doch umgeben von unüberschaubaren Regionen, die von ihm abhängen und von ihm beherrscht werden. Es ist ein Land ohne große Ziele als dem, zu bleiben wie es ist. Aller Ehrgeiz ist abgefallen von den Menschen, sie genießen, was sie haben: Große Häuser und Putzpersonal von fernen Gestaden, eine moderne Wasserversorgung über oft kilometerlange Leitungssysteme, ein dichtes Abwassernetz und breite, lange Straßen, auf denen mehrere Wagen nebeneinander fahren können. Man trägt Kleider aus Asien, trinkt Wein vom Balkan, isst Trauben aus den spanischen Besitzungen. Über geschickt gebaute Nachrichtenverbindungen eilen Neuigkeiten in kürzester Zeit von einem Ende des Reiches zum anderen. Es gibt verschwenderisch teure Badehäuser, in denen man durch ausgeklügelte technische Einrichtungen auch im kältesten Winter schwimmen kann, viele Häuser haben Fußbodenheizung und zu besonderen Anlässen lässt sich mancher nackte Tänzerinnen nach Hause kommen.
Es ist ein Imperium, das Zeit hat, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Darf die Armee im eigenen Lande eingesetzt werden? Sollen die Reichen den Armen soviel geben, dass alle reich sind? Ein Land ohne Dynamik, ein Land ohne Hunger. Die Armee, einst in aller Welt gefürchtet, ist nicht mehr in der Lage, ein kleine, aber rebellische Bergvölker zur Ruhe zu bringen. Schon der Versuch ist strafbar und führt zu langen, quälenden Prozessen in der obersten Kammer der Volksvertretung. In der, einst gedacht als Versammlung der Besten des Volkes, sitzen feiste, lebensfremde Berufspolitiker, die wechselweise Regierung und Opposition spielen. Einige von ihnen können das späte Rom nicht von der Regierungszeit des letzten Juliers Nero unterscheiden, tun das aber brüllend laut und mit großem Selbstbewusstsein. Sie wissen: Es interessiert nicht, was wir hier reden, so lange wir genug an die zu verteilen haben, deren Interessen wir zu vertreten vorgeben müssen, um von ihnen geliebt zu werden.
Die Volksmassen draußen im Reich sind anstrengungslos mit Brot und Spielen abgelenkt. An jede Wochenende vertreiben ihnen in den gewaltigen Arenen der Provinzstädte Legionäre aus aller Welt im Kampf gegeneinander die Zeit, riesige Wagenrennen ziehen Zehntausende an. Es geht darum, wer siegt und wer geschlagen auf dem Felde zurückbleiben muss. Die siegen, steigen auf zu Volkshelden, ihre Affären, ihre Partys, ihre Gebrechen bewegen Jung und Alt. Ein Abglanz des Ruhms fällt auch auf die, die Spiele organisieren und begleiten: Volkstribune sind die Ausbilder der Legionäre, atemberaubend spannend für alle sogar, wenn sich ein älterer Schiedsrichterbetreuer einem jüngeren Schiedsrichter "unsittlich nähert".
Das dürfen in diesem Lande nur die Philosophen und die Künstler. Der Malerfürst berauscht sich an Drogen, der hartnäckige Schandeerinnerer lässt sich ukrainische Nymphen auf seine Latifundien kommen, die Prediger der Staatsreligion halten sich an frische Knaben statt an das Zölibat.
Die wahren Gläubigen sammeln sich derweil im Untergrund. Sie verweigern das Mittun beim Gutgehenlassen, sie beten Götter an, die sie aus fernen Ländern mitgebracht haben. Sie fühlen sich oft nach Jahrzehnten noch fremd in der neuen Heimat und mancher Alteingesessene in der neuen Heimat fühlt sich durch sie bedroht. Doch sie werden gebraucht in einem Land, das sich nicht nur seinen Wohlstand nicht mehr selbst erarbeiten mag, sondern auch unwillig ist, den eigenen Nachwuchs selbst zu produzieren. Langsam gehen so die Lichter aus, ganz langsam. Erst 50 Jahre nach Kaiser Nero begann die Blütezeit des alten Rom, bis zum Zerfall des Reiches sollte es von da aus noch einmal mehr als 300 Jahre dauern.
300 Jahre, na Gott sei Dank.
AntwortenLöschenChristian sedet in Narragonia et gaudet, nam haec satira delicata est.
AntwortenLöschenCeterum censo, delirant isti germani: Quae fuerant vitia mores sunt.
AntwortenLöschen300 Jahre ?
30.
jaja, wenn überhaupt. im text geht es ja auch nicht um das alte rom ;-)
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