Dienstag, 23. Februar 2010
Auch dem Gesindel spielen Flöten
Es sind nicht die Hitlers, Goebbels, Himmlers und Görings gewesen und es war nicht der Massenmord an den Juden, die Verfolgung der Kommunisten oder die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, die Zweiten Weltkrieg zur Hölle für jeden Soldaten machten. Als Joachium Fuchsberger mal den Krieg verlor, waren vielmehr engstirnige Vorgesetzte und übereifrige Nazioffiziere Schuld: Sein Gefreiter Asch, der Fahrer Kowalki und der pflichtschuldige Kanonier Vierbein kommen in der Verfilmung von Hans Hellmut Kirst Wehrmachtsballade 08/15aus dem Jahr 1954 unter die Räder der Kriegsmaschine, feiern aber im Kino große Erfolge. Gleich drei Teile lang spielt Fuchsberger, der Helmut Schmidt des deutschen Films, den galanten und einfallsreichen Gefreiten Asch, der zwischen Diensttreue und gesundem Menschenverstand hin- und hergerissen wird. Der Krieg, hier in Schwarzweiß gezeigt, ist eine ungemütliche Sache, die hauptsächlich in Unterständen aus Holz und auf verschlammten Straßen spielt. Die Soldaten haben keine Vornamen, nur Ränge, der junge Mario Adorf spielt den Gefreiten Wagner, Wilfried Seyferth, 1943 in Aufmunterungsfilmen wie "Das Bad auf der Tenne" und "Die Wirtin zum Weißen Röß'l" beschäftigt, gibt den Major Luschke und die Szene, in der drei Mädels von der Truppenbetreuung den verwahrlosten, nur auf das eigene Überleben bedachten Männern in der fastvordersten Front mit Lied und Tanz und Sex einen Abend vertreiben, ist auf Youtube bis heute ein Hit.
Franz-Josef Strauß, wie Buchautor Kirst seinerzeit selbst Wehrmachtsoffizier, forderte jedenfalls den Boykott des Filmes wegen nachholender Wehrkraftzersetzung. Keine Aufarbeitung der deutschen Geschichte, die im Schulunterricht gezeigt werden kann: Zu "anekdotisch, derb, oft vulgär und im Grunde unpolitisch", klagte das Lexikon des internationalen Films, löse der Dreiteiler seinen Anspruch auf ein kritisches antimilitärisches Engagement kaum ein. Da waren nach dem Ende der Dreharbeiten 43 Jahre vergangen und Hans Hellmut Kirst, nach dem Krieg Autor eines Theaterstücks names "Auch dem Gesindel spielen Flöten", hat den 2. Weltkrieg noch in zwanzig, dreißig weiteren Büchern behandelt.
Irgendwie wirklich seltsam vulgär und jazzig für die Zeit des WK2. Ich dachte erst, es wäre ein Film aus heutiger Zeit, aber dann genügte ein Blick in die Gesichter der Komparsen: Die sind nicht von heute!
AntwortenLöschenIst eigentlich schonmal jemandem aufgefallen, daß es diesen kernigen Typus (wie bei Min 1:08) kaum noch gibt?
"Verfolgung der Kommunisten"
AntwortenLöschenDie Ermordung - nach vorhergehender ausgiebiger Folterung - von deutschen Kommunisten hat nicht nicht einmal Werner Eberlein gestört. ;-(
Überdies empfehle ich *Haie und kleine Fische*.
Nebenbei wundere ich mich über den Bedarf an verfilmter Militaria: Ich dachte, der mdr hätte nun wirklich jeden sowjetischen Prop... äh... Kriegsfilm als Dauerschleife versendet.