Es war nicht nur das "Terrornetzwerk" (Die Zeit) Al Kaida, das den nigerianischen Möchtegern-Attentäter Umar Farouk Abdulmutallab losgeschickt hatte, ein Flugzeug in die Luft zu sprengen. Sondern der selbsternannte Führer des islamistischen Terrors selbst: Osama bin Laden, seit sieben Jahren im "Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan" verschollen, hat sich in einer "Tonband-Botschaft" (dpa) als Hintermann des Anschlagversuchs auf ein US-Passagierflugzeug bezeichnet. Zugleich habe der greise Sohn eines Baustoffhändlers wie immer "neue Gewalt" angekündigt.
Bin Laden setzte sich damit unangefochten an die Spitze der Verbaldämonen der Weltgeschichte, die vor allem von ihren Ankündigungen leben. Während Hitler, Mao und Stalin, aber auch Fidel Castro, Onkel Ho oder Franco noch zu echtem Mord und Totschlag greifen mussten, hat sich Bin Laden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 als virtueller Bösewicht neu erfunden. Statt echte Anschläge auszuführen, bekennt er sich geld- und aufwandsparend zu gescheitertenen. Anschließend gibt es dann stets eine "Audiobotschaft" (dpa), in der weitere gescheiterte Anschläge gegen wechselnde Adressaten angekündigt werden.
Inzwischen mehrt sich auch in der islamistischen Gefolgschaft des Terrorfürsten der Unmut. Die Umma ist sauer, stinksauer. Es sei blamabel, sich zu schiefgegangenen Missionen zu bekennen, heißt es auf islamistischen Internetseiten. Auch Hans Leyendecker, ehemals erfolgreicher Erfinder eines BKA-Beamten in Seelennot, der sich "offenbarte", nachdem er eine Terroristenhinrichtung im mecklenburgischen Bad Kleinen beobachten musste, schließt sich in der Süddeutschen Zeitung der Kritik an Al Kaida an. Der Einsatz in Detroit sei ein "Fiasko" gewesen, zitiert er eine PPQ-Analyse vom 6. Januar. Die einst so stolze Terrororganisation sei "schwach" und habe, das wisse er nach gesprächen mit den 1,5 Milliarden Muslimen weltweit, "an Rückhalt auch in der muslimischen Welt" verloren.
Danach sehen auch die freimütigen Diskussionen Sympathisanten aus. Osamas ständige Aufschneiderei beschmutze das Andenken der "Attentäter vom 11. September" und der ihnen anfangs noch erfolgreich nachfolgenden Terroristen, kommentiert ein User auf einem Terrorboard. "Die Kuffar glauben doch", denkt er, "dass wir es einfach nicht zustande bringen, sie zu treffen."
Ein anderer Diskutant empört sich über "Sheik Osamas dauernde Ankündigungen, denen keinen Taten folgen". Auch jetzt heiße es nur wieder, Al Kaida werde "die Angriffe gegen die USA fortsetzen". Dabei sei der in die Defensive gedrängten Terrororganisation seit Jahren nicht einmal mehr das kleinste Attentat gelungen. "Ich schäme mich", sagt der Terrorhelfer, "denn Al Kaida wird doch so zu einer Witzveranstaltung." In seiner Betgruppe werde Sheik Osama schon spöttisch "Osama Bin Lachen", "Osama Bin Baden" und "Osama Bin Warten" genannt. Das stoße ihm immer sehr bitter auf. "Man hat keinen Respekt mehr vor uns", fasst der Mann zusammen, "und das liegt daran, dass Sheik Osama immer nur redet und nichts tut."
Das aber mit großem Engagement. Bin Laden und sein Stellvertreter Aiman al-Sawahiri hatten sich seit dem 11. September 2001 mehr als 50 Mal öffentlich zu Wort gemeldet, trotz immer wieder erneuerter Terrordrohungen gelangen Al Kaida aber nur zwei Anschläge in westlichen Ländern. Offenbar leidet die "Basis" inzwischen auch unter großer Personalnot: Der für den Flugzeuganschlag von Detroit ausgesuchte Täter Abdulmutallab stand bereits auf einer Liste terrorverdächtiger Personen, hatte sich vor der Zündung seiner Bombe an Bord eines in Amsterdam gestarteten Flugzeugs mit 290 Menschen aber trotz monatelanger angeblicher "Spezialterrorausbildung" im Jemen so dumm angestellt, dass der Sprengsatz nicht explodierte, sondern ihm schmerzhaft den Körper verbrannte. Den Verbrennungsvorgang hatte er überdies so dilettantisch und auffällig eingeleitet, dass die neben ihm sitzenden Passagiere aufmerksam wurden und ihn überwältigen konnten. Farouk Abdulmutallab hat nach Berichten des Senders CBS News inzwischen gestanden, es seien noch 20 weitere Muslime im Jemen für Anschläge nach demselben Muster trainiert worden: Alle seien ausgebildet worden, genauso dilettantisch und auffällig zu agieren wie er.
"Wenn ich sowas sehe", heißt es bei den Al Kaida-Fans, "könnte ich im Boden versinken, so peinlich ist das." Ginge es nach ihm, würde er sofort eine Al Kaida-Vollversammlung einberufen, um Bin Laden abzuwählen. "Meinetwegen soll er Ehrenvorsitzender werden, aber im operativen Geschäft brauchen wir einen Neuanfang." Die alte Garde der früheren Afghanistan-Kämpfer sei müde und krank, habe keine Ideen mehr und sei unfähig, Reformen voranzutreiben. "Was wir brauchen, ist ein Neuanfang mit jungen, offensiven und tatendurstigen Leuten, die wissen, wo das Tor steht und wo der Bartl den Most holt", stimmt ein anderer Islamist zu.
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