Reiner Zufall, dass ausgerechnet die Stein- und Staubwüste, die sich Yemen nennt, in den Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit rückte, während PPQ-Feldforscher beinahe noch im Luftraum über Sanaa schwebten, einer Hauptstadt, so idyllisch wie ein Weihnachtsfest in der Guantanamo-Hauptwache. Am Haupteingang des "Sheraton", das alkoholische Getränke nur verdeckt in einer Hütte im Garten ausschenkt, sind die Bombenkontrollen strenger als auf allen Flughäfen der Welt, in den Zimmer werden Gäste aufgefordert, Oberbekleidung erst abzulegen, nachdem sie die teppichdicken Vorhänge zugezogen haben. Man sei hier in einem "strenggläubigen Land" heißt es zur Begründung, vor allem aber ist man hier in einem kau-freudigen Land.
Der Yemenit, so er älter als 16 und männlichen Geschlechts ist, findet seinen Lebensinhalt zwar im Glauben, jedoch nicht in dem an Allah, Mohammed und andere schwer zu ziechnende Gottheiten. Nein, der Yemenit als solcher glaubt an die große allseligmachende Kraft der "Kath" genannten Blätter eines Busches, der Familie der Spindelbaumgewächse gehört. Der Yemen, in der weltweiten Reichtums-Rangliste auf Platz 141 (von 180) und wegen seiner führenden Rolle bei der Gestellung von Rekruten für das berühmte "Terrornetzwerk" Al Kaida als "streng islamisches" Land gehandelt, ignoriert das nach islamischem Recht geltende Kath-Verbot: Wer hier möchte, darf Kauen und sich und der bettelarmen Gesellschaft ganz langsam die Haare vom Kopf fressen.
Kath ist als Droge harmlos, als Wirtschaftsfaktor aber tödlich. Die Blätter werden frisch am Zweig verkauft, aus der Tüte gezupft und ausdauernd im Mund gewalkt. Ab elf Uhr vormittags ist jeder Yemenit damit beschäftigt, sich seine Tagesdosis zu besorgen, vom Mittagsmahl an wird dann bei Tee und tiefgründigen Gesprächen vor sich hingekaut, bis die Süchtigen so viel Blattwerk im Mund haben, dass die daraus geformten Kugels ihre Backen blähen wie eingeatmete Fußbälle.
Das enthaltene Amphetamin Cathin wird so allmählich über die Mundschleimhaut aufgenommen und wirkt solide benebelnd. Ab 16 Uhr diskutieren yemenitische Männerrunden etwa in dem Tempo, in dem Lackfarbe trocknet, Autofahrer hingegen lenken ihre angejahrten General-Motors-Jeeps, die aus Gründen des Boykotts des großen Teufels keine Markenlogos tragen, lässig mit dem Gaspedal.
Das Erstaunliche daran ist, dass sich in dem ehemals zweigeteilten Land dennoch genügend Menschen finden, die den aufwendigen und wasserintensiven Anbau und die Verteilung organisieren. Auch findet der Kath-Kauer häufig Zeit und Gelegenheit, sich um seinen Liebsten zu kümmern: Die yemenitische Frau kommt so neben der gesamten Arbeit in Haus und Familie, um die sich ihr Mann wegen dringender Kath-Geschäfte nicht kümmern kann, auf eine Geburtenleistung von 6,5 Kindern, dreimal mehr als eine deutsche Kollegin.
Ein Konzept, das gerade in der Wirtschaftskrise große Erfolge zeitigt. Mittlerweile ist der Anbau der Droge so gewinnbringend, dass für ehemals traditionelle Produkte wie Kaffee oder Gemüse keine Äcker mehr zu finden sind. Die werden seitdem verstärkt importiert.
Allein wegen solch liebevoll gebauter Sätze wie dem mit der Lackfarbe ist ppq lesenswert.
AntwortenLöschenoh, danke, aber die ehre ist unverdient. das mit der farbe ist, glaube ich, ein klassiker, den ich nur aus gründen der verschleierung in "lackfarbe" umbenannt habe.
AntwortenLöschenNa ja, besser gut abgeschrieben als schlecht plagiiert … oder war es doch umgekehrt?
AntwortenLöschenliebevoll fortgeschrieben würde ich es nennen.
AntwortenLöschen