Der Mörder ist immer der Gärtner und den fängt nur, wer im Garten sucht. Zum einjährigen Jubiläum des beinahe tödlichen rechtsradikalen Anschlags auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl feiert auch der
"Stern" mit, das aber auf eine unappetitliche Weise, die sich
vor einem Jahr noch böse rechtsradikal hätte schimpfen lassen müssen. Damals entdeckte der BayernLB-Verwaltungsrat und nebenberufliche bayerische CSU-Innenminister Hermann im feigen Stich des Lebkuchenmesses eine "neue Qualität rechten Terrors", mit dem "Stern" quietschte eine
ganze Medienrepublik vor Vergnügen über die unverhofft in die stille, nachrichtenarme Vorweihnachtszeit brechende Geschichte vom tätowierten NPD-Kader, der dem aufrechten Anti-Rechtskämpfer "Grüße vom nationalen Widerstand" bestellt und ihn anschließend kalt lächelnd niedersticht.
Allein, bemerkt jetzt auch die Hamburger Illustrierte, die Bundeskanzlerin Angela Merkel unmittelbar nach der Tat eine Plattform für die Einschätzung gegeben hatte, dass es sich bei dem Attentat um einen "Anschlag auf uns alle" handele.
Davon zumindest ist nun nicht mehr die Rede, eher vom Gegenteil. Der Fall sei "immer mysteriöser" geworden, fantasiert das Magazin, dem über Monate nicht auffiel, dass der
Fall von Anfang an mysteriös war. Hinweise hätten ins Nichts geführt, "Theorien, mal mehr mal weniger abstrus, schossen ins Kraut". Und, das muss ergänzt werden, sie füllten Seite um Seite von "Spiegel" und "SZ" über "Welt" und "FAZ" bis zu eben jenem "Stern", der nunmehr abhebt, das Gelände von oben zu erkunden.
Kronzeuge ist der Passauer Oberstaatsanwalt Helmut Walch, der sich wehre "gegen den Vorwurf von Herrn Mannichl, die Ermittlungsbehörden hätten falsche Angaben gemacht und er sei deshalb in der Öffentlichkeit ins Zwielicht geraten", schreibt das Fachblatt für Kleinkriminalität. Dann packt Walch aus, was die Spatzen seit Monaten von den Dächern pfeifen: Mannichl habe sich immer
wieder in Widersprüche verwickelt, mal war die Tatwaffe ein Küchenmesser, mal ein Lebkuchenmesser, mal lag es wegen eines alten Brauchs draußen, mal war es nur vergessen worden. Abwechselnd hatte Mannichl den Täter nur Sekundenbruchteile lang gesehen oder aber er rang minutenlang mit ihm, mal konnte er nicht einmal erkennen, ob der Mann eine Glatze oder kurzes Haar hatte, dann wieder wollte er ihm beim Rangeln sogar DNA-Spuren abgekratzt haben.
Walch erzählt nun noch eine neue Variante der Mannichl-Märchen: In den ersten Anhörungen und Vernehmungen habe Mannichl gesagt, "dass in Vorbereitung des Adventfestes Tische vor seinem Haus standen, auf denen Lebkuchen lagen." Da sei ein kleiner Junge vorbeigekommen, den er nicht gekannt habe. Der habe um einen Lebkuchen gebeten. Daraufhin habe Mannichl gesagt: "Der ist doch viel zu groß für dich, warte, ich hole ein Messer und schneide dir den Lebkuchen ab". Als er zurückgekommen sei, habe der Junge schon den ganzen Lebkuchen aufgegessen gehabt. Herr Mannichl habe dann das Messer bei den Lebkuchen auf dem Tisch liegen gelassen.
Später verschwand der Junge aus den Geschichten des Zeugen und Mannichl glaubte sich sicher zu erinnern, "dass ihm während des Festes ein schlampig abgebrochener Lebkuchen aufgefallen sei, worüber er sich geärgert habe. Dann habe er ein Messer aus dem Haus geholt, damit in Zukunft die Lebkuchen glatt abgeschnitten werden können. Das Messer habe er dann auf den Tisch gelegt. Beim Aufräumen sei alles ins Haus getragen worden, nur das Messer nicht. Das habe er auf das Fensterbrett gelegt."
Dennoch versuchte die Polizei, den Jungen zu finden. Anfangs. "Das war dann aber hinfällig, als Herr Mannichl Anfang Januar das mit dem Jungen nicht mehr wiederholte."
Den Vorwurf, die Ermittler hätten es versäumt, DNA-Spuren des Täters unter den Fingernägeln des Opfers zu sichern, weist der Staatsanwalt zurück. Mannichl habe den Angriff so geschildert, dass ein Hautkontakt mit dem Täter nicht stattgefunden habe. Erst später habe Mannichl "die Auseinandersetzung im Detail allerdings als wesentlich intensiver, die Art, aber auch die Angriffs- und Abwehrbewegung anders geschildert".
Da wuchs etwas heran, das nach Monaten endlich in der Kritik gipfelte, man hätte verabsäumt, ihm Täterhaut unter den Fingernägeln hervorzuziehen. Das ärgert den Oberstaatsanwalt: "Ich muss die Polizeibeamten dafür in Schutz nehmen, dass sie keine Proben von den Fingernägeln genommen haben. Herr Mannichl ist der einzige, der den Ablauf beobachtet hat, er ist hoher Polizeibeamter, er weiß um die Brisanz und den Beweiswert von Fingernägeln. Er war der Vorgesetzte der Polizeibeamten, die fast täglich bei ihm im Krankenhaus waren, und er hat zu keinem Zeitpunkt die Beamten gefragt: Warum nehmt ihr keine Proben von den Fingernägeln? Wenn er selbst das nicht für erforderlich gehalten hat, dann kann man den Polizeibeamten jetzt auch keine Vorwürfe machen."
Warum der über Wochen zumindest medial beinahe tödliche Stich nun "nicht sehr tief" und auch so wenig "heftig" ausgeführt war, dass "der Blutverlust äußerst gering" blieb, die Ermittler aber dennoch vier Wochen nach der Tat daran gingen, die Wunde erstmals zu begutachten, muss vorerst weiter offen bleiben. Die neue Qualität rechtsextremer Gewalt ist nach "intensiven Ermittlungen" (Walch) inzwischen der Vermutung gewichen, "dass es sich um einen Einzeltäter handelt, der, unzufrieden mit seinem Leben und seiner sozialen Situation, rechtsradikalen Argumenten erlegen ist".