Überraschend synchron werden die handwerklichen Fehler beim Herstellen von Nachrichten in deutschen Medien von "Spiegel" bis "Tagesschau", wenn es um den Konflikt im Nahen Osten geht. Die allgemeine Sprachregelung beim allwöchentlichen Artillerieduell sieht vor, dass nach einem Strickmuster geschrieben und gesprochen werden muss, das auf keiner Journalistenschule gelehrt wird. Die Qualitätsmedien vom Heimatsender MDR bis zur einzig wirklich wahren Qualitätsagentur dpa nähern sich dem Thema generell unauffällig von hinten.
Der zeitliche Ablauf des Geschehens, der zum Verständnis eigentlich wichtig wäre, wird verbal umgestülpt: "Israel", so heißt es standardmäßig, "hat erneut soundsoviele Raketen auf den Gazastreifen abgeschossen. Dabei wurden soundsoviele Menschen verletzt". Erst nachdem diese wichtigen Nachrichtensätze gesprochen sind, wird noch ein quasi schon gar nicht mehr so wichtiger Satz hinterhergeschickt: "Zuvor hatten Hamas-Kämpfer Kassam-Raketen auf Israel abgeschossen."
Aller handwerklichen Logik zufolge müsste die Meldung natürlich heißen: "Nachdem Hamas-Kämpfer Raketen auf Israel abgeschossen haben, hat Israel soundsoviele Raketen auf den Gazastreifen abgeschossen. Dabei wurden soundsoviele Menschen verletzt". Die korrekte Abbildung eines Geschehens in zusammenfassender Kürze verlangt nach Einfachheit, will sie verstanden werden. Und Einfachheit geht immer noch am einfachsten der Reihe nach.
Außer natürlich, man bezweckt etwas anderes. Demnächst vielleicht auch in der qualitätsmedialen Fußballergebnisberichterstattung, die dann so lauten wird: "Bayern München hat im Spiel gegen Dortmund ein Tor geschossen. Dabei konnte der Dortmunder Keeper den Ball nicht festhalten. Zuvor hatte Dortmund einen Treffer gegen die Bayern erzielt".
Klitzekleineerfolge
AntwortenLöschenIch habe mich auf der Leserbriefseite der FAZ angemeldet.
Jedesmal, wenn mir dort ein absurder Nazivergleich aufgefallen ist, habe ich mich darauf kapriziert.
Mein Posting wurde nie veröffentlicht, aber der Schwachsinnsnazivergleich wurde jedesmal gelöscht.
Nun werde ich das auch bei den "Hamas von hinten"-Meldungen testen. So mit Bayern und Dortmund.
Mal seh´n, vielleicht kann man was bewegen. Sicher nicht viel, aber Kleinvieh macht auch Mist.
Aha. Ist die einzig wahre Qualitätsagentur dpa jetzt also schon zur einzig wirklich wahren Qualitätsagentur dpa aufgestiegen. Glückwunsch.
AntwortenLöschenMan lese übrigens weniger dpa und mehr Yedioth Ahronot oder den diese Zeitung citierenden Infobrief der Israelischen Botschaft in Deutschland. Da steht dann in richtiger Reihenfolge:
»Palästinensische Terroristen aus dem Gaza-Streifen haben am frühen Montagabend abermals eine Kassam-Rakete auf den Süden Israels abgefeuert. Erst 48 Stunden zuvor hatte die Hamas erklärt, mit anderen lokalen Terrororganisationen eine Einstellung des Raketenbeschusses vereinbart zu haben.
Die Rakete landete auf offenem Gelände zwischen zwei Kibbutzim im Kreis Sha’ar Hanegev und richtete weder Sach- noch Personenschaden an.
Erst am vergangenen Freitagabend war eine Rakete aus dem Gaza-Streifen im westlichen Negev eingeschlagen.
In Reaktion auf den erneuten Beschuss hat die israelische Luftwaffe heute Morgen eine Waffenfabrik der Hamas und zwei Schmuggeltunnel im Gaza-Streifen bombardiert.«
Na bitte. Geht doch. Sogar von Berlin aus.
ich überlege bei jedem neuen dpa-streich, wie sich das lob noch steigern lässt. da ist mir der superlativste superlativ einfach noch nicht gut genug
AntwortenLöschen@ volker: ein korrektor aus dem volk! wie früher der säzzer bei der taz, als die noch lesbar war. wie sagt der große englische poet sullivan: every man needs his shed
AntwortenLöschenJa, an den säzzer kann ich mich erinnern. Anfang der 90er hatte ich nämlich die taz abonnert. Manche brauchen eben länger um erwachsen zu werden.
AntwortenLöschendito
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