Der kurdische Dönermann, der die Hooligan-Versorgung mit Bratwurst und Billigbier vor ein paar Jahren freiwillig übernommen hat, ist mit den Preisen heruntergegangen. Die Wurst heute nur 1,20, trotzdem will niemand eine. Der Flaschensammler, der sonst das Leergut der halleschen Ultrafront abtransportiert, raucht eine feuchte Kippe. Es sind keine Ultras da heute, also auch keine leeren Flaschen. Halle, Oktober 2009. Es ist wieder soweit: Der seit Jahren von einer zahlenmäßig kleinen, aber überaus auffälligen Gruppe von gewalttätigen Kriminellen mit vernichtender Liebe verfolgte Hallesche FC hat wegen Zuschauerausschreitungen wiedermal ein "Geisterspiel" verordnet bekommen.
Fürchterliche Tradition mittlerweile an der Saale. Gegen Jena durften seinerzeit gar keine Menschen ins Stadion, gegen Meuselwitz dann später nur 1.000. Der DFB aber steigert sich: Nachdem der Linienrichter vor kurzem im Derby gegen Magdeburg aus der halleschen Fankurve mit einem Böller beworfen worden war, sind diesmal immerhin 2.000 Fans zugelassen.
Die, die immer singen, sie würden für ihren Klub "sterben" und niemals nicht da sein, sind heute fort. Die Kurve ist leer, nur ein Häuflein der selbsternannten Fußball-Talibane haben den Weg auf die Tribüne gefunden, wo ihrer Ansicht nach die Leute sitzen, die gar keine richtigen Fußballfans sind.
Aber das Stadion ist zum ersten Mal seit der knappen 1979er Niederlage gegen Dresden, die 32.000 sahen, restlos ausverkauft. Und der Mannschaft in Rot-Weiß, die sich bei der letzten Strafe schon in einem Offenen Brief an die Halbhirne unter den Fans dagegen verwahrt hatte, dass ihre Spiele als Theaterbühne für Selbstdarsteller im Ultra-Kostüm mißbraucht wird, scheint die neue Freiheit zu gefallen. Ohne Rauch gehts auch! Und ohne böllernde Bildungsferne offenbar allerbestens, wie ein Blick in die Statistik verrät. Damals im Geisterspiel gegen Jena siegte die Elf von Trainer Sven Köhler 2:0, gegen Meuselwitz hieß es am Ende 4:1 und heute dauert es auch nur 19 Minuten, und schon führt der Klub nach einem schönen Kanitz-Schlenzer mit 1:0.
Dabei ist Türkiyemspor der Angstgegner der Hallenser: In der Saison 1997/98, in der viele der talibanischen Kurvenkämpfer gerade eingeschult wurden, gelang es dem HFC zwar, sich in zwei Relegationsspielen um den Klassenerhalt in der Oberliga durchzusetzen. Weil aber aus der 2. Bundesliga zuviele ostdeutsche Mannschaften abstiegen, fand sich der Verein am Ende doch wieder in der Verbandsliga wieder.
Sangen die Fans hier damals nach einer Schweigeminute für die Opfer eines Erdbebens in der Türkei noch in fröhlich-unverstellter Fremdenfeindlichkeit "Nachbeben, Nachbeben", ohne dass der DFB strafend eingriff, ist die Stimmung heute spätestens nach 34. Minuten gelöst wie selten. Ein bisschen Frieden im ehrwürdigen Kurt-Wabbel-Staion, das kommendes Jahr abgerissen wird.
Mitten in ein sehr ausgeglichenes Spiel setzt Kapitän Nico Kanitz einen schönen Freistoß zum 2:0 in die Maschen. Könnte der erste Sieg der Hallenser gegen die Berliner seit 1993 werden - nach zuletzt acht Remis. Auch nach der Halbzeit spielen die nach dem Ausfall von Regisseur René Stark eigentlich ersatzgeschwächten Hallenser jedenfalls konzentriert weiter. Für den angeschlagenen Pavel David spielt Angelo Hauk auf rechts, für Stark rückt Stümer Markus Müller ins Mittelfeld. Dafür geht Routinier Ronny Hebestreit auf die Position der zweiten 6.
Die erstmals aufgebotene Aufstellung funktioniert. Halle spielt nicht großartig, nutzt aber seine Chancen. In der 65. Minute steht Abwehrchef Lachheb nach einer Ecke frei am langen Pfosten, um zum 3:0 einzuschieben. Nur eine Minute später legte Kanitz nach Vorarbeit des eingewechselten Marco Hartmann, der nach langer Leidenszeit wegen rätselhafter Verletzungen erstaunlich souverän spielt, mit einem schönen Heber das 4:0 nach.
Die Gäste wanken nun mit gebrochenem Genick über den tiefen, feuchten Platz. Und Halle gelingt alles. Nach einer Ecke des neu gekommenen Pavel "Goliath" David schießt Mittelfeldmann Steve Finke aus zwei Metern das 5:0, in der 90. Minute trifft Verteidiger Jan Benes aus 30 Metern auch noch zum 6:0. Es ist der höchste Punktspielsieg seit dem 8:0 gegen Thale vor 10 Jahren (danke, AllesHFC).
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