Mittwoch, 30. September 2009
Zwillinge, bei der Geburt getrennt
Um es einfach zu machen: Der eine ist ein deutscher Bestseller-Autor und der andere der Sänger der Flaming Lips. Frage: Reicht das nicht jeweils für ein Leben? Warum muss Frank Schätzing als Wayne Coyne, und warum muss Wayne Coyne als Frank Schätzing touren?
Thierse für Thüringen
Der ehemalige Bürgerrechtler habe nicht zuletzt mit seinem Auftritt bei der Bundespräsidentenwahl bewiesen, dass er in der Lage sei, als unverstellter Volkstribun breite Bevölkerungsgruppen für sich und sein Tun zu interessieren, hieß es aus den Lagern der beiden großen thüringer Volksparteien. Das sei gut für das Land, gerade in Zeiten der Krise. Seine Ernährung müsse Thierse jedoch auch in Erfurt "nicht zwingend" umstellen, das habe man ihm im Vorfeld zugesichert.
Dienstag, 29. September 2009
Der Himmel über Halle XII: Ufos über Kröllwitz
Highway to sell
Enthalten sollen drei CDs mit Live- und Studio-Raritäten sein, dazu zwei DVDs, eine Langspielplatte, ein 164-seitiges Mini-Buch, Faksimiles von "echten Erinnerungsstücken", ein AC/DC-Gitarrenplektrum und ein "replica Bon Scott tattoo". Die Deluxe-Edition werde verpackt in einem funktionsfähigen AC/DC-Gitarrenverstärker verkauft, ob das Rubbeltatoo von Bon Scott auf Echthaut geliefert werden kann, steht noch nicht fest.
Verwesen mit Sigmar
Müntefering hingegen habe vor, sich wieder häufiger um seine junge Lebensgefährtin zu kümmern. Die sei in den letzten Wochen doch etwas zu kurz gekommen, hieß es aus mit der Materie vertrauten Kreisen. Später im Jahr stehe dann eine ausgedehnte Motorradtour mit Peter Struck an. Wohin es gehen solle, sei noch nicht klar. "Aber wir wollen auf jeden Fall nach vorn", sagte Müntefering.
Als Parteiverweser stehe mit Sigmar Gabriel, einem ehemaligen Lehrer und Ministerpräsidenten, ein äußerst erfolgreicher Verteiler von sozialdemokratischen Energiesparlampen bereit. Da Gabriel durch den Regierungswechsel seinen Job als Umweltminister verliere und seine Positionen als Pate des Eisbären "Knut" und Pop-Beauftragter der SPD eher schlecht bezahlt würden, müsse der zuletzt auf das doppelte Volumen angeschwollene Energiesparminister ohnehin irgendwo untergracht werden, sonst falle er binnen kurzem vom Fleisch. So spreche nichts gegen einen Wechsel an die Parteispitze, das entlaste auch die deutsche CO2-Bilanz.
Nachfolger von Hubertus Heil als Generalsekretärin der Partei werde Andrea Nahles, die nach Abschluss ihres 20 Jahre währenden Studiums ihr umfangreiches Wissen über „Walter Scotts Einfluss auf die Entwicklung des historischen Romans in Deutschland“ (Doktorarbeit) in die Arbeiten zur endgültigen Sanierung der Sozialdemokratie einbringen werde. Helfen könne dabei nach Ansicht vieler hessischer Genossen auch wieder die im Volk beliebte Andrea Ypsilanti, die nach neuen Erkenntnissen "immer einen guten Job" gemacht habe.
Ob Ypsilanti in vier Jahren aber wirklich als SPD-Kandidat zur Bundestagswahl nominiert werde, stehe aber noch nicht fest. Im Rennen seien auch noch Klaus Wowereit und "diese hübsche mecklenburgische Sozialmininisterin", die Anfang des Jahres kurzzeitig als Hoffnungsträgerin der SPD herumgereicht wurde. Man werde mit Hilfe des Internet-Riesen Google herausfinden, wie die Dame hieß und ob sie einen Platz im erneuerten SPD-Vorstand haben wolle, hieß es in Berlin.
Rekorde ohne Ränder
Millionen haben das geglaubt. Sie sind falten gegangen, obwohl sie nicht von ihren Kreuzen überzeugt waren. Sie haben Stimmen abgegeben, die sie eigentlich lieber selbst behalten hätten. Aber der "Kampf gegen Rechts" (Angela Merkel) forderte die Einheitsfront der Demokraten, Jeder Wahlteilnehmer war ein Schlag gegen die demokratische Erfolge der Undemokraten.
Bis zu jenem Urnengang anno 2009, der mit neuen Rekordwertes bei der Wahlenthaltung aufzuwarten wusste. Und gleichzeitig nicht die besten, sondern die schlechtesten Wahlergebnisse für NPD, DVU undsoweiter brachte.
Bemerkenswert ist, dass keiner von denen, die vorher vor einer niedrigen Wahlbeteiligung und den damit automatisch einhergehenden höheren Stimmanteilen für die Rechte gewarnt hatte, jetzt die Öffentlichkeit sucht, um sein Erstaunen darüber mitzuteilen, dass das eine so gekommen, das andere aber ausgeblieben ist.
The hope of hopeless causes
Ausgewählt vom gewohnt geschmackssicheren SPD-Pop-Beauftragten Sigmar Gabriel geben "The Future Of The Left" dem Sehnen der traditionell linken Milieus eine Stimme: "Come join, come join our hopeless cause" schallt der Ruf über dürres, re-liberalisiertes Land, und "in the end everybody wins". So wird es sein, so soll es werden. Gabriel, inzwischen von der blasigen Körperlichkeit her ein Ebenbild seines Patenkindes, des Eisbären Knut, wird es richten.
Montag, 28. September 2009
Lehman-Opfer Bundesbank
Seltsam nur, dass genau diese deutsche Bundesbank ganz vorn mitmischte beim großen Zock mit windigen Verbriefungen. Das steht nur auf Seite 14 der gedruckten FAZ und im eher obskuren Hamburger Abendblatt. Dabei hat es die auf Gläubigerrechtsverwertung spezialisierte US-Firma Epiq Systems, die die Milliarden für die Bundesbank eintreiben soll, es selbst öffentlich gemacht: Die deutsche Bundesbank hat der später mit viel Klamauk und Fernsehdiskussionsgebrüll als "marode" enttarnten deutschen Tochter von Lehman Bros. nicht nur 10,4 Milliarden Dollar geliehen. Sondern als Sicherheit für diesen Kredit auch noch Verbriefungen der Art akzeptiert, die seit knapp einem Jahr als finanztechnische Massenvernichtungswaffe gelten, die nur von den dümmsten und gierigsten Vorortsparkassenbeamten an alte Bäuerlein und unvorsichtige Hausfrauen verscherbelt wurden.
Die "Sicherheiten", die die honorigen Bundesbanker für welche hielten, sind nun nicht annähernd genug wert, als dass ihr Verkauf den Ausfall der Rückzahlung durch Lehman ausgleichen könnte. Die Staatsbank, die Aufsicht führen soll, reiht sich damit ein in die Liste der "unverantwortlichen Zockerbanken" (Steinbrück), die Milliarden mit der Anlage in virtuelle Sicherheiten versenkten. Immerhin wird da also jemand ganz hart Pausenaufsicht machen, der früher mal zur Schule gegangen ist.
Leise ist das neue laut
Das gelte allerdings nur für den Moment des Einschaltens. Später könnten Nutzer ihre Player auch weiterhin lauter drehen, allerdings wie bislang auch auf eigene Gefahr. Jedoch werde die EU-Kommission eine Richtlinie erlassen, die Warnhinweise auf dem Bildschirm der Geräte vorschreibt, "die durch ausführliche Informationen in der Bedienungsanleitung ergänzt würden" (Kuneva).
Die verbraucherschutzkommissarin hate es eilig. Die neuen europäischen Vorschriften sollen in den kommenden zwei Jahren vom Normungsgremium Cenelec erarbeitet werden. Die EU-Kommission erwartete durch die dann greifenden Maßnahmen durchschlagende Effekte beim Gesundheitsschutz für die rund 10 Millionen Menschen, die derzeit in der Europäischen Union von Gehörverlust durch tragbare Musikspieler bedroht sind.
Schutzhaft reloaded
Der "richterlich bereits bestätigte Gewahrsam", ehemals als "Schutzhaft" ein Erfolgsmodell deutscher Rechtspraxis, gelte "bis zum Ende des Oktoberfestes". Es handele sich im übrigen "um eine reine Maßnahme zur Vorbeuge, da beiden Festgesetzten keine Straftat vorgeworfen werde". Nicht mitgeteilt wurde, ob sich das Gericht wie traditionell üblich auf die "Reichstagsbrandordnung" als Haftgrund berufen hat.
Stolze Bilanz der Demoskopenbagger
Zwischen 35 und 36 Prozent werde die Union bekommen, da waren sich alle vier selbsternannten "Institute" einig. Herausgekommen sind 33, 9 Prozent - eine Abweichung von 1,1 Prozent der Stimmenanteile, umgerechnet ein Streubereich zwischen vier und sechs Prozent. Aber so nahe liegen Vorhersagen und Ergebnis nicht überall beeinander: Der SPD sagten die Institute zwischen 24 und 26 Prozent voraus, gereicht hat es dann für 23 Prozent. Macht eine Abweichung von bis zu drei Prozent der Stimmen oder umgerechnet satte acht (Forschungsgruppe Wahlen) bis 11,5 Prozent (Forsa) Luft zwischen Vorhersage und Ergebnis.
Mit anderen Worten: Es stimmt einfach alles überhaupt nicht, nicht einmal annähernd, nicht vorn und nicht hinten. Auch nicht bei der FDP, der die "Forscher" nach aufwendigen Befragungen Stimmenanteile zwischen 13 und 14 Prozent prophezeiten. Geworden sind es dann doch 14,6 Prozent - eine Abweichung um imponierende vier bis 12 Prozent (Forschungsgruppe + Forsa).
Wenigstens bei den Vorhersagen für die Grünen hat das Schrotgewehr der Demoskopie zumindest die Scheibe getroffen. Zwischen 10 und 11 Prozent sollte die Partei landen, bei 10,7 kam sie an. Ein schöner Achtungserfolg, der allerdings eher dem Gesetz vom blinden Huhn folgt als wissenschaftlichen Berechnungen, wie ein Blick nach links beweist. Auch hier lagen alle Demoskopen grandios daneben: Statt zwischen 10 (Forsa) und elf Prozent (alle anderen) der Stimmen zu erreichen holte die Linke 11,9, umgerechnet zwischen acht und 16 Prozent mehr als prophezeit.
Zusammengerechnet lagen alle Institute mit ihren Vorhersagen um sagenhafte 7,9 Prozent neben den tatsächlichen Ergebnissen - eine von PPQ freihändig beim Wettanbieter betfair geklaute Vorhersage begnügte sich hingegen mit einer kumulierten Abweichung von 5,9 Prozent.
Fortgeblasen vom Rückenwind
Es war die letzte Wahlkampflüge, die der Mann, der nach eigener Ansicht "Wahlkampf kann", einer staunenden Republik präsentierte: Die SPD, ein desperater Haufen, der sich nicht entscheiden konnte zwischen der erträumten Abschaffung des Kapitalismus und seiner Renovierung mittels eingeflochtener Bändchen, ist nun nur noch die größte der kleinen Parteien. Steinmeier und Müntefering, das für den Absturz ins Bodenlose verantworltiche Duo Infernale, plant, an der Spitze zu bleiben. So sollen die unausweichlichen Diadochenschlachten verhindert, so soll die Partei befriedet werden, bis sich eine neue Machtperspektive nach links öffnet. Die spannendste Frage der nächsten vier Jahre wird sein, wie lange die Letzten der Generation Schröder auf Stühlen sitzen können, denen Andrea Nahles, Klaus Wowereit und Sigmar Gabriel bereits bis Jahresende die Beine abgesägt haben werden.
Sonntag, 27. September 2009
Schicksalswahl jetzt ungültig?
Twittern statt zittern
Samstag, 26. September 2009
Pack raubt die Punkte
So sieht er aus, der Tiefpunkt eines Tages, der besser begonnen hatte, als viele vorher zu glauben wagten. 25 Minuten erst läuft das Derby vor 10.200 Zuschauern, da tritt Magdeburgs Bauer gegen Stark kräftig nach. Der Linienrichter hat es gesehen, Schiedsrichter Florian Steuer gibt sofort Rot. Magdeburg nur noch zu zehnt, Halle aber bemüht, das nicht auffallen zu lassen. Nach vorn geht nicht viel, hinten brennt aber auch nichts mehr an, weil die von ihren Fans rätselhafterweise für die "Größten der Welt" gehaltenen Männer in den goldbroilerfarbenen Trikots sich nun aufs Verteidigen beschränken.
Schaumgebremst geht es in die Halbzeit, die nutzen die zuletzt zu feuilletonistischen Ruhm gekommenen "Ultras" in der Kurve zum Abbrennen der üblichen Rauchbomen. Sie nennen es "Choreo" und halten es für wichtiger als das Spiel, so wie sie sich selbst auch für wichtiger als ihren Verein halten, wie sich gleich noch zeigen soll.
Zuerst aber ist Philip Schubert dran: Nach ein paar vergeblichen Versuchen vor dem verrammelten FCM-Tor schnappt sich der Außenverteidiger einen Abpraller und schießt ihn aus 25 Metern ins Tor von Tischer. Tooooor!
Und dem Gesetz der Serie nach auch Sieg, denn seit Halle und Magdeburg wieder auf Augenhöhe spielen, hat meist der gewonnen, der in Führung gegangen ist. Auch hier sieht es zehn Minuten lang so aus. Der HFC erarbeitet sich über Pawel David und den für Stark eingewechselten Aydemir mehrere Chancen, Magdeburg scheint konsterniert und hilflos.
Zum Glück aber bekommen die Gäste aus der Landeshauptstadt nun jedoch tatkräftige Hilfe aus der HFC-Fankurve. Mitten in die beste Phase der Hallenser wirft einer aus der rot-weißen Menge einen Knallkörper direkt auf den vor der Fankurve stehenden Linienrichter. Der winkt dem Schiri, der winkt Spielern und Trainern. Fünf Minuten Unterbrechung, bestimmt er, und beim nächsten Knaller ist ganz Schluß.
Halles Co-Trainer Dieter Strotzniak, vor genau 30 Jahren Abwehrchef der HFC-Mannschaft, die den unbezwingbaren Europapokalsieger FCM mit einem bis dahin unvorstellbaren 5:1 nach Hause jagte und die DDR-Fußballpostille FuWo zur Schlagzeile "Sturmtrio setzte Glanzlichter" inspirierte, schimpft wie ein Rohrspatz. Strotze, wie sie ihn hier nennen, ahnt Böses - und das mit gutem Grund.
Denn nach der Unterbrechung geht nichts mehr beim HFC. Die Rot-Weißen beißen sich bei eigenem Ballbesitz im Mittelfeld fest, der FCM dagegen, von 3.000 mitgereisten Blau-Weißen frenetisch angefeuert, spielt Alles oder Nichts. Die erste Serie von drei Ecken übersteht Halle noch, bei der zweiten wackelt die Abwehr bedenklich, bis es schließlich kommt, wie es hier immer kommt, seit Strotzniaks Mannschaftskamerad Holger Krostitz in der 5:1-Saison vor 30 Jahren in der letzten Minute des Spiels gegen Dynamo Dresden einen Elfmeter verschoß. Statt wie bis dahin um die Tabellenführung mitzuspielen, rutschte die Mannschaft noch auf Platz sieben ab, um in den nachfolgenden zwei Spielzeiten direkt Kurs auf die zweite Liga zu nehmen.
Heute klingelt es nach der dritten Ecke. Watzka, vor der Saison zeitweise als Neuzugang in Halle gehandelt, steigt am höchsten und köpft den Ball an Horvat vorbei ins Netz. "Ich könnte eine Handgranate da drüben reinschmeißen", flucht ein Mann auf der Tribüne mit Blick auf die rot-weiße Fankurve, die schweigend steht, verblüfft darüber, wie wenig Knall wie viel Schmerz auslösen kann. Halles Trainer Köhler wechselt noch einmal offensiv, bringt Hauck und Müller für Kanitz und Neubert, doch hier geht nichts mehr. Hängende Köpfe in Halle, nur ein paar Spieler in Rot-Weiß staksen nch dem Abpfiff bedröppelt zu den eigenen Fans, während Pawel David wütend eine Wasserflasche Richtung Ersatzbank tritt, dass es bis in die Zuschauerränge hinauf regnet.
Die dritte Halbzeit draußen, die eigentlich nun schon die vierte ist, rundet den traurigsten Fußballtag in Halle seit den Ausschreitungen gegen Plauen am Ende der vergangenen Saison dann stilgerecht ab. Das ist kein aus Zorn und Wut geborener Ausbruch, keine spontane Aufwallung von Gewalt wegen einer schlechten Schiedsrichterleistung oder einer enttäuschenden Vorstellung der eigenen Mannschaft, kein Rebellentum aus Empörung über gesellschaftliche Zustände oder die Ungerechtigkeit der Welt. Die schwarzvermummte Truppe aus grenzdebilen Freizeit-Terroristen geht gezielt und geplant vor, sie hat Munitionsdepots und Schutzkleidung angelegt und sie rechnet zurecht mit einer Polizeitaktik, die im Ernstfall von der Realität überfordert ist. Binnen weniger Minuten sind die zwanzig Beamten in vorderster Front zwischen zwei Fronten aus steinewerfenden Schwachmaten eingeklemmt, ein Ausfall nach links provoziert die Gewalttäter auf der einen Seite zum Angriff, ein Ausfall nach rechts die auf der anderen. Völlig ungestört von dem Hubschrauber, der teuer und unnütz über der Front kreist, holt sich der Mob den Kick, für den er gekommen ist. Dass der HFC ohne diese Fans Tabellenführer wäre - die meisten der Aktiven in Schwarz werden es nicht einmal wissen.
Freitag, 25. September 2009
Fremde Federn: Silberne Steigbügel
Sie wusste es um fünfzehn Uhr. Auch an jenem Sonntag im September 2005 war die Bundestagswahl zu dieser Stunde für die Hauptakteure entschieden. Die Meinungsforschungsinstitute hatten ihre Nachwahlbefragungen abgeschlossen und die Hochrechnungen, die mit den Prognosen kaum etwas gemein hatten, an die Parteizentralen übermittelt. Für die Kanzlerkandidatin begann der Überlebenskampf.
Sie hatte einen offenen, mutigen, unverstellt sozialmarktwirtschaftlichen Wahlkampf geführt. Sie hatte - erstmals in der deutschen Geschichte - beträchtliche Steuererhöhungen angekündigt. Die Umfragen hatten ihr lange einen Wahltriumph verheißen. Es schien möglich, im Bündnis mit der FDP die seit 1998 festgezurrte strukturelle linke dunkelrot-rot-grüne Mehrheit im Lande aufzubrechen. Und nun das.
Vor dem politischen Nichts
Der archimedische Punkt von Angela Merkels erster Kanzlerschaft war der 18. September 2005. Genauer: die traumatischen Erfahrungen der Nachmittags- und frühen Abendstunden. Ihre zunehmende Neigung zur Einpanzerung, ihr wachsendes Misstrauen, die Abschottung im persönlichen „circle of trust“, aber auch ihre bald einsetzende Sozialdemokratisierung, die plötzliche Bereitschaft, staatliche Mittel weit über das eigentlich vernünftig vertretbare Maß zu mobilisieren, ins Fett des Sozialstaates nicht weiter einzuschneiden, den Schuldenstand trotz der höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte der Republik noch vor dem Beginn der Finanzkrise immer weiter auszuweiten - all das erklärt sich aus jenem traumatischen Wahltag und aus der daraus abgeleiteten Konsequenz eines mächtigen „Nie wieder“.
Hatte Machiavell nicht recht gehabt? Das Gros der deutschen Wähler goutierte keine Veränderungen, keine bitteren Wahrheiten, war teilweise empfänglich für demagogische Hetze. Das linke Etikett „kalt-neoliberal-marktradikal“, fast so vergiftet wie der Begriff „Nazi“, hatte sich als wirkungsmächtig erwiesen. Unsere potentielle protestantische Fürstin aus der Uckermark stand am 18. September 2005 plötzlich vor dem politischen Nichts. Stimmen in ihrer Umgebung, weibliche Stimmen vor allem, rieten zum Rücktritt. Die männlichen Granden der Union würden ihr ein solches Debakel niemals verzeihen, würden von ihr abrücken, sie zermürben, verjagen - und hatten offenbar an jenem Spätnachmittag schon hinter ihrem Rücken Kontakt zur anderen Seite aufgenommen. Also sollte sie ihnen ein letztes Mal zeigen, was fehlte im Lande, sollte die Verantwortung für das Debakel übernehmen, zurücktreten, aufrecht die Karriere beenden auf dem brennenden Scheiterhaufen des desaströsen Wahlergebnisses.
Suboptimal gelaufen
Was hat Angela Merkel gerettet? Nicht ihr kühler Kopf, denn zu zerzaust, verdruckst und fast stumm begegnet sie uns in der denkwürdigen „Elefantenrunde“ jener Wahlnacht, die bis heute zu den am häufigsten angeklickten politischen Sendungen auf „Youtube“ zählt. Gerettet hat sie ausgerechnet jener Mann, der sie in den Tagen zuvor beinah politisch vernichtet hätte: „Testosteron-Gerd“. „Ich bleibe Bundeskanzler“, erklärte er strahlend-siegestrunken der verblüfften Runde und der erstaunten Nation. „Niemand außer mir ist in der Lage, eine stabile Regierung zu bilden“, fuhr er fort und schloss: „Ich meine, wir müssen die Kirche doch mal im Dorf lassen . . . Also, ich sage Ihnen, Frau Merkel wird hier keine Koalition unter ihrer Führung mit meiner Sozialdemokratischen Partei hinkriegen. Machen Sie sich da mal gar nichts vor!“
Ihm selbst war leider etwas vorgemacht worden. Kaum jemand der Zuschauer wusste: Gerhard Schröder hatte die Information erhalten, seine Partei, die SPD, habe durch Überhangmandate mehr Sitze im Bundestag als die bei den Wählerstimmen knapp vorne liegende Union, habe die Wahl in letzter Sekunde gewonnen. Diese Information sollte sich als falsch erweisen. Sie löste aber den Hormonschub eines gefühlten Wahlsieges aus und führte zu jenem legendären Auftritt, den er selbst am nächsten Morgen auf den Rat seiner presseerfahrenen Frau hin „suboptimal“ nennen sollte.
Mitmachen aus Partei- und Staatsräson
Optimal war dieser Angriff für die Rivalin. Einen silbernen Steigbügel hatte Schröder coram publico für sie geschmiedet. Denn sofort schlossen sich die Reihen um sie. Unmittelbar nach der Sendung redeten ihr Edmund Stoiber und Guido Westerwelle, aber auch die engsten Vertrauten alle Rücktrittsgedanken aus. Jetzt hieß es kämpfen, Schröder widerlegen, die einzige real verbliebene Machtoption einer Großen Koalition ruhig, besonnen und verbindlich gegenüber dem einstigen Gegner ansteuern. Dass die SPD Wahlbetrug beging, nach der bundesweit plakatierten Ablehnung von 2 Prozent Umsatzsteuererhöhung am Ende sogar noch einen Prozentpunkt draufsetzte, dafür in den Medien kaum Kritik erntete? Geschenkt. Verschweigen. Mitmachen aus Partei- und Staatsräson.
In den folgenden Tagen bewies Angela Merkel ihre hohe taktische Geschicklichkeit. Sie ließ sich bereits knapp achtundvierzig Stunden nach dem Desaster zur Fraktionsvorsitzenden wählen, sicherte ihren Anspruch auf das Kanzleramt, blockte jede interne Führungsdebatte ab, versprach eine spätere gründliche innerparteiliche Aufarbeitung des Wahldebakels, die nie stattfand, und erreichte nach Wochen zähen Ringens tatsächlich noch als Kind der ostdeutschen Diktatur und erste Frau ihr Ziel, das am 18. September plötzlich so weit entfernt schien: die Kanzlerschaft. Und alles nur, weil Gerhard Schröder für einen Moment an das glaubte, was seine Nachfolger heute vorsorglich verteufeln: einen Sieg durch Überhangmandate.
Vorsicht ist besser als Festnahme
In Unternehmenskantinen, im Sportverein, am Stammtisch oder im Fitnesstudio sollten bereits erworbene Kenntnisse über Al-Kaida-Drohungen keinesfalls gesprächsweise weiterverbreitet werden, auch nicht im kleinen Kreis. Derzeit stehe nicht fest, wie strafbar sich sogenannte Weiterverbreiter machten. Die Gefahr sei aber "nicht unbeträchtlich": Auch das angesehene ehemalige Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"
hat inzwischen weiterverbreitete Terrorpropaganda zurückgezogen, um nicht eingesperrt zu werden.
Verbot der Woche: Jackson darf nicht hetzen
Jackson hatte dem befreundeten Rabbiner Shmuley Boteach verraten, dass er Hitlers Fähigkeit bewundere, Massen zu begeistern und zu mobilisieren. Hitler sei ein Genie gewesen, ein Mann mit Showman-Qualitäten, dem jemand hätte helfen müssen, glaubte der von Kritikern selbst als musikalische Massenverichtungswaffe beargwöhnte Entertainer. "Das Böse in Hitlers Herz hätte man ausmerzen können", versicherte Jackson, der sich über Jahrzehnte erfolgreich selbst medikamentiert hatte. Ihm hätte für eine Hitler-Behandlung shcon eine Stunde gereicht: "Ich weiß, dass ich das könnte“, zeigt er sich nach dem "Sun"-Bericht im Gesprächsmitschnitt überzeugt. Ob Michael Jackson Hitler etwas vorgetanzt oder vorgesungen hätte, um ihn "im Inneren zu berühren", verriet er nicht.
Die Welt aus den Fugen
Gleichfalls ebenso
Die Ära nach der großen Krise, sie wird den Nachgeborenen irgendwann einmal als die Wiedergeburt des Menschen aus dem Geist der knierutschender Höflichkeit erscheinen. Kein Bierfilz kann mehr auf den fallen, ohne dass der potentielle Biertrinker dem Bierbringer ein "Danke" entbietet. Danke Nummer zwei folgt beim Vorschenken des ersten Glases, Danke Nummer drei beim Absetzen von halbvollem Glas und halbvoller Flasche.
"Bitte", schnurrt die Kellnerin, die zum Feierabend allen ein "Schönen Abend noch" hinterherruft. "Ebenso!", heuchelt es jedesmal zurück, selbst im tiefsten Osten, wo der kollektiv getopfte Nachwuchs seinerzeit noch den Wechselgesang "Guten Appetit - danke, gleichfalls" gelehrt bekam.
Aus Kindern werden Eltern, aus gleichfalls wird ebenso, ein Wort, in dem nicht die halbe Gleichschaltung aus den Zeiten von Geobbels und Hitler mitschwingt. Doch ebenso ist ebenso wie sein geschichtlicher Vorgänger ein Wort eher aus der Sprech- als aus der Schriftsprache. Geschrieben wirkt es geduckt, gesprochen gespreizt.
Vielleicht deshalb täuscht der Eindruck einer Verdrängung des guten alten "gleichfalls" durch das "ebenso" ebenso wie die wissenschaftlich nicht belegte These, beide Vokabeln habe es schon immer gegeben, allerdings eine in Ost (gleichfalls), die andere eher in West (ebenso).
Ein ermutigendes Zeichen des Zusammenwachsens wäre die unwillkürliche Übernahme des anderen Sprachgebrauchs, doch nach den Daten der Google Timeline, die penibel Buch führt darüber, was wie geschrieben wird, erleben beide Worte bereits seit Jahren einen geradezu gloriosen Aufstieg. Das kann an der zunehmenden Zahl von H&M-Filialen und der damit automatisch wachsenden Menge von auf "Schönes Wochenende" wie aufgezogen "ebenso" echoenden Verkäuferinnen liegen. Oder aber es weist uns auf ein tieferliegendes Problem hin: Mehr Bedarf für Worte, die fröhliches Einverständnis heucheln, wo kalte Dienstleistungsverhältnisse obwalten.
Erhöhte Terrorgefahr in Berlins U-Bahnen
An Flughäfen und großen Bahnhöfen patrouillieren angesichts erhöhter Terrorgefahr bis Anfang Oktober Bundespolizisten mit Maschinenpistolen. Nach Angaben der Bundespolizei in Potsdam haben die Drohungen von El Kaida und anderen islamistischen Organisationen gegen Deutschland eine neue Qualität erreicht. (dpa) Nur dort, wo der Terror wirklich stattfindet, dort patrouillieren keine Bundespolizisten.
Es passiert fast täglich in der Berliner U-Bahnlinie 9. Am Leopoldplatz, dort, wo die Döner- und Terroristen-Schläferdichte am größten ist, steigen sie ein. Junge Männer mit tief in Ihre Gesichter gezogenen Mützen. Ihre Hände in weiten Hosentaschen, verständigen sie sich in einer Geheimsprache (Isch mach disch ferdisch Alta). Manche reden auch lediglich mit ihren finsteren Blicken. Und dann fangen sie an mit den Drohgebärden. Sie schauen jedem Fahrgast in die Augen, während sie ganz langsam ihre Waffen aus den Taschen ihrer Pluder- oder Jogginghosen holen. Auf denen tippen sie Codes ein, nicken sich gegenseitig zu und dann passiert es: Mit voller Handylautstärke müssen Fahrgäste gleichzeitig Bushido und türkische Volksmusik ertragen. Terror ohnegleichen.
Endlich: Kapitalismus schafft die Krisen ab
Nicht gerechnet hat Karl Marx dabei jedcoh mit dem schnellen und entschlossenen Handeln der Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte, zu denen auch die frühere deutsche Klimakanzlerin Angela Merkel gehört. Bei ihrer Zusammenkunft in Pittsburgh beschlossen die G-20, sich selbst künftig eine führende Rolle bei der Koordination der weltweiten Wirtschaftspolitik zuzuweisen, um Krisen wie die zuletzt grassierende Weltfinanz- und Wirtschaftskrise zu verhindern. Dafür war bisher die kleinere Gruppe der G-8 zuständig, die sich auch weiterhin treffen wird, um gemeinsame Probleme zu erörtern. Die "historische Funktion eines Aufsichtsrats der Weltwirtschaft" (Neue Zürcher Zeitung) werde aber künftig von der repräsentativeren G-20 wahrgenommen werden.
Zuallererst will die größere Gruppe nun die Ursache des Beinahe-Zusammenbruchs der Weltwirtschaft bekämpfen. Größter Krebsschaden der globalisierten Wirtschaft sei nicht das nach Marx systemimmanente Aufeinanderfolgen von Überproduktionskrisen udn Aufschuwng, sondern die exorbitanten «Boni», mit denen Bankmanager in der Vergangenheit entlohnt woren seien. US-Finanzminister Timothy Geithner sagte, die 20 führenden Wirtschaftsmächte hätten sich deshalb "im Grundsatz" schnell auf eine Begrenzung der Boni für Bankmanager geeinigt. Jedes Land soll bis Ende des Jahres eigene Regeln für die Entlohnung der Banker aufstellen, die anschliessend von einem internationalem Gremium überwacht werden sollen. Es werde in jedem Land eine Mischung aus «Vorschriften, Gesetzen und beratenden Massnahmen" geben, die es für die Zukunft ausschließen werde, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem jemals wieder in eine seiner üblichen zyklischen Krisen gerate.
Donnerstag, 24. September 2009
Das Klima der Deutschen Bank
Ein Counter an der New Yorker Penn Station zeigt neuerdings die Belastung des Klimas von Treibhausgasen in der Welt an. Betrieben wird die riesige Anzeige von der Deutschen Bank. Von der Bank, die derzeit haufenweise Kohle in den Steinkohleberg- und Abbau investiert. Das schreiben die Yes Men. Die haben mal wieder eine Zeitung gefälscht und in New York verteilt. Dieses Mal ist es die New York Post. Aus der nicht grade als Klimawandel-Blatt bekannten Boulevard-Postille haben sie die Klima-Apokalypsen-Zeitung mit dem Aufmacher „We’re screwed!“ gemacht.
Wiedergeboren als Reichspolizeichef
Auch bei Peer Steinbrück ist der Verzicht auf ein sichtbares Privatleben Voraussetzung für ein Doppelleben, wie es nur wenige über Jahre durchhalten. Auch bei Steinbrück hinterlässt die permanente Anspannung von internationalen Konferenzen, Dreharbeiten, Wahlkampfauftritten und Fernsehrunden Spuren: So spricht der amtierende Bundesfinanzminister im Zusammenhang mit der notwendigen Regulierung der Finanzmärkte stets davon, man müsse "den Banken" enge Grenzen setzen. Steinbrück vergißt dabei, dass er selbst inzwischen Besitzer aller deutschen Großbanken ist - abgesehen von der Deutschen Bank, so dass es völlig ausreichen würde, wenn er behauptete, er wolle "der Bank" per Gesetz härtere Auflagen machen.
Im Schatten der Schicksalswahl
Neue dritte Kraft im Lande ist die FDP, die 13,5 Prozent der Wähler für sich begeistern kann, dicht dahinter rangieren Grüne und Linke mit jeweils 11,4 Prozent gleichauf. Da die Ergebnisse unter Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz nunmehr allerdings bereits vor Öffnung der Wahllokale getwittert sind (PPQ.be), streben alle Parteien gemeinsam eine Wiederholung des Schicksalswahlganges in sechs Wochen an. Man werde nach dem Vorbild der irischen Abstimmungen über den EU-Vertrag so lange erneut wählen lassen, kündigte der SPD-Twitterbeauftragte Dieter Wiefelspütz an, "bis das Wahlgesetz respektiert wird und niemand es sich mehr wagt, Ergebnisse vorab ins Internet zu stellen." Das hatte auch Die Anmerkung getan und damit wissentlich gegen das Privileg der Parteien verstoßen, den Ausgang der Wahl vor allen Normalbürgern zu erfahren.
Bereits am zweiten Oktoberwochenende soll es nach vorläufigen Planungen zu einem erneuten "Duell" (ZDF, ARD, RTL, Sat1) kommen, bei dem Angelka Merkel und ihr Herausforderer Walter Steinmeier ihre bekannten Positionen austauschen werden. Die vier ausrichtenden Sender rechnen mit mehr als 20 Millionen Zuschauern, die Vertreter der kleinen Parteien haben eine Klage gegen ihre erneute Nichtberücksichtigung als Gäste angekündigt.
Häuserkampf ums Kanzleramt
Dazu ist Angela Merkel, der vom charismatischen Walter Steinmeier bedrohten Bremerin, jedes Mittel recht. Im Endspurt des Wahlkampfes versucht die Klimakanzlerin nun sogar, den populären halleschen Kachel Gott für ihren Machterhalt einzuspannen. Mit industriell in Spanien gefertigten Fliesen imitiert das Wahlkampfteam der CDU-Vorsitzenden die im einzigen offiziellen Kachelverzeichnis gesammelten Unikate des Kachelmannes von Halle. Kachelfreunde sind irritiert, Kacheleologen empört über die "Angela - die Hilfsbereite" - ob das zusätzliche Stimmen bringt, bleibt offen.
Wer hat es gesagt?
Mittwoch, 23. September 2009
Erfolgreiche Entgleisung
Tut es nicht, gerufen wird allerlei anderer Kram, "Juden-Jena" hingegen ist nur Gegenstand eines Dialogs zwischen Ultras und kritischem Sportreporter. Auch in der ditten Vorstellung, die trotz dringender Änderungswünsche aus dem Rathaus vor vollem Haus wieder die Originalversion präsentiert - zum Unwillen des Mitteldeutschen Rundfunks, der eigens für das Gespräch über den "Schähruf" (Der Spiegel) die bisher nicht existierende Vokabel "antisemitistisch" prägte.
Billig will ich
Deflation, so lehrt das Schießbudengeschwätz der Mitternachtsexperten, ist das Gegenteil: Der Laster ist heute billig, morgen aber noch billiger und übermorgen darf man ihn nach dem Ablauf des Mietzeitraumes vielleicht sogar behalten. Weshalb schlagartig jedermann aufhört, nein, nicht Laster zu haben, aber doch Laster zu mieten. Geht ja morgen günstiger.
Wie günstig, das macht unserer geliebter Volksmünzenfachhandel MDM, eben noch gerühmt ob seiner geschmackvollen Geburtstagsmünze für Hitlers Kampfpanzer Tiger, vor: 20 Jahre Mauerfall gibt es jetzt hier schon für unter 20 Euro, das sind umgerechnet nicht mal 40 Mark, zu guten Kursen vom Bahnhof Zoo also seinerzeit keine 400 Ostmark, mithin kaum das halbe Monatsgehalt eines stinkfaulen Betonfacharbeiters mit vier Fehlschichten. Hätte der das damals bezahlt? Aber hallo! Gab ja sonst sowieso nichts zu kaufen!
Sing, mei Sachse, sing
Gleichzeitig tauchte im Videoportal Youtube ein bislang unbekannter Film auf, in dem der bekannteste Al-Kaida-Schauspieler Bekkay Harrach als "Abu Talha, der Deutsche" den Versuch unternimmt, den Pop- und Bobklassiker "With God On Our Side" zu schmettern. Das Video sei vermutlich Teil einer Serie von Botschaften, die in Folge des achten Jahrestages der Anschläge vom 11. September veröffentlicht wurden. "Mein Name hat nichts zu bedeuten, mein Alter tut nicht zur Sache", knödelt Harrach, ehe er haucht: "In so mancher dunklen Stunde / habe ich darüber nachgedacht, dass Jesus Christus durch einen Kuss verraten wurde. / Nun, ihr müsst selbst nachdenken und euch selber entscheiden: / Hatte auch Judas Iskarioth / Gott auf seiner Seite?"
Im übrigen sei Allah groß und sein Konfirmantenanzug sogar noch größer, hieß es Backstage im Al-Kaida-Filmstudio, in dem derzeit an neuen scharfen Drehbüchern gebastelt wird.
Dienstag, 22. September 2009
Isch stech disch - nisch
Ein angestrebtes Stäbchen-Verbot musste im letzten Moment vertagt werden. Spitzfindige Kritiker hatten gemutmaßt, dass dann ein größerer Teil der chinesischen Bevölkerung verhungern würde.
Ein Schirm für Stifter
Kurz nach der überraschend schnell gelungenen Rettung der Freimaurerloge zu den drei Weltkugeln durch den Kauf des halleschen Logenhauses am Uniplatz mit Hilfe einer runden Million aus dem Konjunkturpaket II tun sich weitere Betätigungsfelder für steuerfinanzierte Konjunkturretter auf. Zu haben wären von der Loge, die vor 16 Jahren antrat, den "stiftungseigenen Grundbesitz" zu erhalten und wiederherzustellen, indem sie "Kinder, Jugendliche, Familien, Senioren, Kranke oder Pflegebedürftige, die bedürftig im Sinne von § 53 der Abgabenordnung sind, durch Sach- oder Geldspenden unterstützt", noch einige Schnäppchen. Laut Internetseite der Weltkugel-Stiftung warten folgende Immobilien auf einen freigiebigen Spender. Durchaus im Sinne der Stiftungssatzung, denn die kann sich zu Erfüllung des Stiftungszwecks "auch mildtätiger und gemeinnütziger Einrichtungen als Hilfspersonen bedienen".
Calbe/Saale, Poststr. 37
Magdeburg, Neuer Weg 6/7
Staßfurt Leopoldshall, Steinstraße 8
Brandenburg, Straße der jungen Pioniere 21-23
Neuruppin, Rudolf-Breitscheit-Straße 16
Frankfurt/Oder, Logenstr. 5
Torgau, Puschkinstraße 4
Bernburg, Große Einsiedelgasse 6
Bernburg, Lange Straße 7-8
Dessau, Willi-Lohmann-Str. 26
Anklam, Burgstr. 37
Friedland/Mecklenburg, Kaiserstr. 15
Ueckermünde, Logenstraße
Finsterwalde, Kirchhainer Str. 20
Luckau, Brauhausgasse 1
Lübben, Logenstraße 13
Freienwalde, Gesundbrunnenstr. 45
Pasewalk, Haußmannstr. 22
Prenzlau, Klosterstraße 28
Eberswalde, Puschkinstraße 16
Potsdam, Straße der Jugend 52
Naumburg/Saale, Große Neu-Str. 15
Weimar, Amalienstr. 5
Weißenfels, Langendorfer Str. 14
Merseburg, Domplatz 3
Zerbst, Schlossfreiheit 19
Wolmirstedt, Glindenberger Str. 9
Heiligenstadt, Giekgasse 5
Langensalza, Tonnaer Str. 10
Mühlhausen, Puschkinstr. 3
Güstrow, Domplatz 10
Halberstadt, Paulplan 3
Perleberg, Wittenberger Str. 91/92
Blankenburg am Harz, Theaterstr. 5
Salzwedel, Neuperver Str. 45
Stendal, Poststr. 2
Eisenach, Goethestraße 25
Gera, Markt 61
Jena, Löbdergraben 24 a
Wernigerode, Bahnhofstraße 16
Apolda, Sophienstr. 32
Gotha, Karolinenplatz 3
Arnstadt, Gerastr. 4
Erfurt, Turniergasse 17
Suhl, Seelenbinderstr.
Meiningen, Bismarckstr. 6
Bautzen, Taucherstr. 30
Wernigerode, Lindentor
Delitzsch, Markt 23
Berlin, Splittgerbergasse 3-4
Berlin, Wallstraße 35
Einmal tief durchatmen
Genau eine Woche später konnte zum Glück Entwarnung gegeben werden: "In Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr bei der Luftverschmutzung keine Grenzwerte überschritten worden." 2008. Grenzwerte. In Sachsen-Anhalt. Nicht überschritten. Die Welt ist gerettet ... Wenn und falls Halle in Sachsen-Anhalt liegt.
Arm im Geiste
Einstemals erzählten wir das Märchen vom Schäfersjungen, der sich als Gregor Gysi entpuppte, dem es hinwiederum vollkommen gleichgültig sein kann, dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, weil er sie nach der Bundestagswahl ja nachkaufen kann. "Reichtum für alle" lautete sein Slogan, den er zwar nur und ständig zu "Ironie" und "Augenzwinkerei" umlügen will, was aber auch am Balken im Augen bzw. dem Brett vor dem Kopf liegen kann. Wie auch immer: Der kleine Mann mit dem großen Ego stellte jetzt seine Pläne zur Umsetzung des entweder überaus größenwahnsinnigen oder überaus dämlichen Planes vor, die Armut per Gesetz und Regierungsantritt einfach abzuschaffen. Nichts mehr oder weniger als ein "steuerpolitisches Perpetuum Mobile" schwebe ihm vor, verriet der gewiefte Taschenspieler unserem kleinen Schwarze-Kassen-Board. "Linke Tasche, rechte Tasche, das kennen Sie doch", augenzwinkerte Gysi ironisch und ließ im Anschluss neue Plakate drucken:
Ein bisschen Frieden
Klarmachen zum Kentern
Warum? "Ich klage die Politik an, in den letzten Jahren massiv gegen die Prinzipien des Grundgesetzes verstoßen zu haben", heißt es: "Und leider haben dies auch die Abgeordneten der SPD getan. Ich kann diese Partei also nicht weiter unterstützen, was die Bundespolitik angeht."
Der Mann aus Metzingen, Mitte Juni noch stolzer "Pirat in der SPD", ist sich "durchaus bewusst, dass dieser Brief nicht ohne Folgen für mich bleiben könnte". Er überlasse es der SPD und ihren zuständigen Stellen, "ob sie irgendwelche Maßnahmen ergreift. Ich werde nicht aus der Partei austreten, da ich mich immer noch als Sozialdemokraten betrachte". Der Rest liege nun nicht mehr in meiner Hand: "Aber ich würde mich freuen, wenn meine Partei noch in der Lage ist, abweichende Meinungen zu dulden".
Rettet die Weltkugel
Gemeinschaftlich handeln spendieren sie der erst jüngst ernannten Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle ein neues Hauptgebäude - das nicht etwa in einem der unzähligen seit Jahren leerstehenden landeseigenen Gebäuden errichtet wird. Sondern im ehemaligen Logenhaus auf dem Jägerberg, unter Hitler Sitz der Gauleitung, zu DDR-Zeiten als Tschernyschewskij-Haus eine Universitätsimmobilie und nach dem Mauerfall zurückübertragen an die Freimauerervereinigung «Große Mutterloge zu den drei Weltkugeln» in Berlin.
Für den Ausbau des seit der Rückübertragung ungenutzten Gebäudes spendiert der Bundesbauminister 15,7 Millionen Euro, Sachsen-Anhalt legt für den Erwerb der unter normalen Umständen völlig unverkäuflichen Immobilie noch einmal eine Million Euro drauf. Die Gelder stammen alle aus dem Konjunkturpaket II, in dem nicht mit einer Silbe davon die Rede war, dass es gestattet, privaten Besitzern marode Häuser abzukaufen.
Der Himmel über Halle XII
Montag, 21. September 2009
PPQ fatal im Irrtum
Die Krise sei eine Chance für den Umweltschutz, zitiert IEA-Chefökonom Fatih Birol unser kleines Energieagenturstudienblog PPQ, das bereits im November vergangenen Jahres darauf hingewiesen hatte, dass schrumpfende Wirtschaften eher selten zu einem Mehrverbrauch an Ressourcen neigen. "Spätestens im nächsten Jahr, wenn der CO2-Ausstoß wegen der nachlassenden Nachfrage der Verbraucher nach chinesischem Kinderspielzeug, Flachbildfernsehern und Großlimousinen von Opel und BMW zurückgegangen ist", zeigten sich die PPQ-Klimaexperten seinerzeit zuversichtlich, "darf dann getitelt werden "Wirtschaftskrise gut für Weltklima".
Ein fataler Irrtum, denn richtig heißt es nun "Finanzkrise hilft offenbar dem Klimaschutz".
Offene Briefe, die wir gern veröffentlichen
Sehr geehrter Herr Mezger,
Wir wissen nicht, wem es am diesjährigen "Al-Quds-Tag" schlechter ging - dem iranischen Regime oder ihnen, stellvertretend für die deutschen Medien?
Jeder weiß spätestens seit dem Aufstand nach dem 12. Juni 2009, dass es keinerlei freie Berichterstattung aus dem Iran gibt. Es war also zu erwarten, dass Sie nur das über die Proteste am 18. September berichten würden, was das Regime ihnen erlaubt hat. Das erklärt aber noch nicht alles. Denn wir fragen uns, ob man Sie wirklich dazu gezwungen hat, das glatte *Gegenteil* der Wahrheit zu verlautbaren. In der Tagesschau vom 18.9. (http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts14752.html, etwa bei Minute 9:20) behaupten Sie: "Auch die iranische Opposition ist für Palästina und gegen Israel". Diese Aussage widerspricht ganz offensichtlich der zentralen Parole der oppositionellen Iraner - "Nein zu Gaza, Nein zu Libanon, mein Leben ist für Iran", die in zahlreichen Internet-Videos dokumentiert ist (s. z.B. http://www.youtube.com/watch?v=3eFi_sCKfLk&feature=player_embedded). Auf die Hassparolen "Tod Amerika, Tod Israel" aus den Lautsprechern des Regimes antworteten die Menschen immer wieder mit "Tod Russland" und "Tod China" (s. z.B. http://www.youtube.com/watch?v=_meg5DkifnE), womit sie ihre Gegnerschaft gegen alle ausdrücken, die Ahmadinejad und Khamenei unterstützen. Wenn Transparente mit den Konterfeis des libanesischen Islamistenführers Nasrallah gezeigt wurden, riefen die Menschen "Nieder mit dem Diktator" (s. z.B. http://www.youtube.com/watch?v=cfYnX5YaboM). Transparente für den "Kampf Palästinas" wurden von der Menge abgerissen (s. z.B. http://www.youtube.com/watch?v=lzt4zOYatvY).
Sie werden sagen, man könne sich - zumal unter den Bedingungen der islamischen Diktatur - nur schwer einen vollständigen Überblick über alle Ereignisse jenes Tages im Iran verschaffen. Bekannt war jedoch bereits vorher, dass das Regime vor diesem Tag zitterte und dass die Revolutionsgarden drohten, mit aller Härte gegen Menschen vorzugehen, die den antiisraelischen Slogans des Regimes widersprechen. Die Regimepresse hat den oben zitierten Satz "Nicht Gaza..." bereits aufgegriffen und behauptet, er wäre von "Zionisten" verbreitet worden.
Nachdem die Mehrheit der Iraner in den Massendemonstrationen seit dem 12. Juni die politische Legitimität der Islamischen Republik vor den Augen der Welt zerstört hat, war der 18. September ein Stoß ins ideologische Herz des Regimes - ein offener Angriff gegen seinen Antisemitismus und seinen globalen Expansionismus im Namen der "muslimischen Gemeinde". Auch wenn Sie, Herr Mezger, nur die Leute von Moussavi und Karroubi als Opposition anerkennen, müssen Sie zugeben, dass auch deren Versuche, andere, propalästinensische Parolen zu verbreiten, kläglich gescheitert sind und sie es nicht wagten, sich offen gegen die Parolen der Mehrheit der Demonstranten zu stellen. Natürlich gibt es auch unter Iranern viele unterschiedliche Meinungen über die Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und Israelis. Die Palästinasolidarität nach Art des iranischen Regimes, in deren Namen Tausende von Menschen ermordet und für deren Terrorpolitik Milliarden von Dollar ausgegeben wurden, ist jedoch zum Inbegriff all dessen geworden, was an diesem Regime hassens- und verachtenswert ist. Wer auch immer mit dieser Politik identifiziert wird, hat in einem zukünftigen demokratischen Iran keine Chance.
Wir haben, wie gesagt, den Eindruck, dass dies nicht nur ein schwarzer Tag für das Regime war. Wir verstehen, dass der 18. September vielen (nicht nur) in Deutschland Kopfschmerzen und Depressionen verursacht hat. Man hat einen strategischen Partner im Geiste verloren. Denn was würde passieren, falls das Zentrum des islamistischen und antisemitischen Terrors von den Iranern gestürzt würde? Falls in der Folge sich eventuell sogar in Palästina Kräfte der Mäßigung und des Ausgleichs mit Israel durchsetzen würden?:
Man könnte dann nicht mehr den Antisemitismus verharmlosen, indem man die antiisraelischen Tiraden Ahmadinejads zu "Übersetzungsfehlern" deklariert. Es wäre zumindest schwieriger, Stimmung gegen Israel zu machen, indem man Israelhassern Orden verleiht - so wie der israelischen "Friedensaktivistin" Felicia Langer, der die Bundesrepublik das Bundesverdienstkreuz verlieh, nachdem sie israelische Gefangenenlager als "Konzentrationslager" bezeichnet hatte. Kurz: man könnte seine eigenen Ressentiments nicht mehr (oder nicht mehr so einfach) hinter der Misere des Nahen Ostens verstecken. Man müßte diese Ressentiments im eigenen Namen aussprechen - und es bleibt zu hoffen, dass viele Deutsche vor dieser Konsequenz dann doch zurückschrecken.
Auch deswegen wünschen wir der iranischen Opposition einen schnellen und vollständigen Sieg über die Islamische Republik Iran. Die Iraner würden damit nicht nur die Basis für eine humane Zukunft ihrer eigenen Gesellschaft schaffen, sondern einen zivilisatorischen Beitrag von globaler Bedeutung leisten - zum Ärger aller, die die Taliban für eine "Kultur" und Ahmadinejad für einen würdigen Repräsentanten der Iraner halten.
Mit freundlichen Grüßen,
Fathiyeh Naghibzadeh und Andreas Benl,
Mitglieder des Bündnisses "Stop the Bomb", www.stopthebomb.net
This aint no roxy music
This is believe me music, this is forget me music
This is who can love me you know, this aint no roxy music
This is new form music, this is old form music
This is i paid attention not some makes his prediction music
Nachrichten aus einem sterbenden Land
"Trotz Wirtschaftskrise hat die Pflegeversicherung in den ersten sieben Monaten des Jahres knapp 500 Millionen Euro Überschuss erzielt."
"Einen Monat vor der Bundestagswahl hat sich die Verbraucherstimmung in Deutschland weiter verbessert. Die Konsumenten geben ihren Konjunkturpessimismus mehr und mehr auf. Wegen der sehr geringen Inflation bleibt mehr Geld im Portemonnaie übrig. Stabile oder sogar rückläufige Preise sowie ein verhältnismäßig stabiler Arbeitsmarkt sorgten dafür, dass auch die Kauflaune zulegte."
"In der deutschen Exportwirtschaft steigt nach der langen Rezession die Zuversicht. Der Exportklima-Index des Münchner ifo-Instituts ist zum fünften Mal in Folge gestiegen."
"Die deutsche Wirtschaft fasst wieder Zuversicht. Das zeigt der aktuelle Geschäftsklimaindex des Münchner Ifo-Instituts. Demnach ist die Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen im Juli deutlich gestiegen."
usw. usw.
Experten erfinden Sparbuch
Zustimmung kommt von der CDU, die kurz vor dem Wahltag beschlossen hat, Verbraucher vor riskanten Geldanlagen zu schützen. Bestimmte hochriskante Anlagen sollen Privatkunden nicht mehr kaufen können, fordert der bisher eher wenig öffentlich aufgefallene finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Otto Bernhardt. Das gelte etwa für Anteile an Hedgefonds. Aber auch Zertifikate könnten darunter fallen, sagte der CDU-Politiker. "Wenn 40.000 Menschen mit Lehman-Zertifikaten Geld verlieren, muss man daraus Konsequenzen ziehen", fügte der Finanzexperte hinzu. Es müsse sichergestellt werden, dass niemand mehr jemals Geld verliere.
So sei es vorstellbar, den Verkauf von preissensitiven Geldanlagen wie Immobilien, Fahrzeuge, Goldschmuck, Briefmarken, moderner Kunst und Aktienfonds generell einzuschränken. Stattdessen könne die Bundesregierung ein von der Kreditanstalt für Wiederaufbau aufgelegtes Standardgeldanlageprodukt anbieten, das "Chancen für alle" bündele. Dieses "Volkssparbuch" solle dann über die Wochenend-Beilage der "Bild"-Zeitung angeboten werden.
Sonntag, 20. September 2009
Grüne Denk-Panzer
Es gehe um eine Richtungsentscheidung, glaubt der Mann, den sie "Özi" nennen. CDU und FDP hätten ihre „Waffenarsenale“ schon gefüllt, warnt Özdemir, der einst als Krawattenmodell für den Fotosammler Hunzinger seine ersten Schritte auf dem politischen Parkett entlangglanderte und sich jetzt als Nachfolger des Panzerstrategen Heinz Guderian sieht, der immer schon forderte, zu klotzen statt zu kleckern.
Özdemir hat eine ganze Woche Wehrmacht-Frontberichte aus der "Wochenschau" angeschaut, um sich die Begrifflichkeiten einer Kesselschlacht korrekt draufzudrücken: „In den schwarzen Ministerien wird das Pulver für den schwarz-gelben Durchmarsch in dieser Republik längst gehortet“, sagt der grüne Denk-Panzerkommandant, der seine Divisionen (im Bild) mit grünen Armbändchen und Buttons aufmunitioniert hat, "damit sich etwas ändert“.
Ultras auf der Bühne: Schlüsselloch zum Ponyhof
Was zählt, ist nicht auf dem Platz, sondern daneben. In der Vorstellungswelt der neun Ultra-Anhänger des Halleschen FC, die auf der Bühne des örtlichen Thalia-Theaters als sie selbst agieren, ist Fußball Religion und der eigene Klub Gott. Neben Fußball gibt es nichts, außer den Fußballfreunden gilt nichts. Der Spieltag ist alles, worum sich das Leben dreht - und wer das nicht so sieht, ist entweder nicht normal oder sogar, wie die ringsum jeden echten Ultra versammelte Front aus Polizei, Politik, Medien, Funktionären und Tribünenfans, ein Feind.
Eine Rolle, in der sich Rocco, Grille, Pansen und die anderen HFC-Ultras gefallen. Unverstanden von der Welt, verachtet, verlacht, verspottet und verkannt, so ist das Ultraleben, das "kein Ponyhof" ist, wie Matze, ein dünner, langer 20-Jähriger mit Stadionverbot, stolz bekennt.
Anfangs versuchen sie im Stück noch so zu tun, als spielten sie Theater. Es wird hochdeutsch gesprochen, gewürzt mit den "Aas" und "Alter", die für gewöhnlich in der Kurve des hier nur "KWS" geheißenen Stadions gesprochen werden. Es geht um eine Auswärtsfahrt nach Frankfurt am Main, zu einem völlig sinnfreien Vorbereitungsspiel, das im Desaster enden wird. Matze wirft einen Böller, die Polizei stürmt den Block, es wird wüst geprügelt und am Ende fühlen sich die Ultras wie immer ungerecht behandelt: "Ich habe doch nur einen Knaller geschmissen", sagt Matze. Und Grille hat auch "nur einen Freund aus der Polizeiumklammerung befreien" wollen.
Es ist die Ameisen-Perspektive, aus der die in gruppendynamischen Fesseln liegenden Theater-Ultras auf die Fußballplätze der Republik schauen. Nur sie sind die wahren Lordsiegelbewahrer des wahren Fußballerbes. Alle anderen "machen unseren Sport kaputt", sind nur Spieler, denen "der Ultra-Quatsch auf die Nerven geht" oder "Erfolgspublikum - da, so lange gewonnen wird, fort, sobald es Niederlagen setzt".
Lustig werden diese dringlich vorgebrachten Weisheiten, wenn sie von Halbwüchsigen wie Börti, der seit zwei Jahren Spiele des HFC besucht, in Richtung von Leuten geschleudert werden, die seit 30 oder 40 Jahren kaum ein Spiel verpasst haben. "Acht Jahre sind wir über die Dörfer gefahren", glaubt sich Matze an die schlimmen Zeiten zu erinnern, als der traditionsreiche Hallesche FC in der fünften Liga gegen Kleckernester wie Aschersleben und Hettstedt anzutreten hatte. Diese Zeiten sind seit neun Jahren vorbei - Matze war drei, als sie begannen, und zwölf, als sie zu Ende waren.
Aber er glaubt, er liebt und er fühlt sich, als wäre er wirklich dabei gewesen. Bei allen hier geht es um solch gefühlte Authentizität, um eine geradezu talibanisch anmutende 150-Prozentigkeit, die keine Kompromisse kennt und jeden verachtet, der das anders sieht. "Die Bühne gehört uns" ist die Gelegenheit, durch ein theaterbühnenkleines Schlüsselloch hineinzuschauen in die Gedankenlandschaften einer Jugendszene, die für gewöhnlich niemanden von außen an sich heranlässt, weil sie der Ansicht ist, am Ende doch immer nur verraten zu werden. Mit einem örtlichen Fernsehsender sprechen sie nicht, weil der "immer nur nach Skandalen sucht". Mit einem örtlichen Radiosender wollen sie nicht reden, weil der Sponsor beim verhassten Verein der Landeshauptstadt ist.
Keine Schminke, kein Drehbuch, alles, was gesagt wird, ist im Rinnstein zusammengekehrt und wird nun in knapp 90 Minuten ungefiltert in den Saal geblasen, wie es in den Köpfen der Akteure brodelt: Polizisten sind Bullen und durchweg Arschlöcher. Fans des Magdeburger Konkurrenzvereins sind Bauern und allesamt dumm. Politik interessiert nicht, Schnaps schon eher. Wirklich wichtig aber ist immer nur das nächste Spiel, die Bewachung der eigenen Zaunfahne und im Gefecht mit verfeindeten Fangruppen niemals zu kneifen.
Ein Weltbild, das noch enger und fundamentalistischer ist als es der Anschein vermuten lässt. Alles hier riecht nach Testosteron, nach Männlichkeitsritualen und einem Narzissmus, der nur sich selbst kennt und über den eigenen Blick auf die Welt nicht einmal diskutieren möchte.
Ja, die jungen Männer auf der Bühne gehen arbeiten, sie gehen zu Schule, sie haben Freundinnen und Eltern. Aber sich selbst sehen sie zuallererst als Teil einer Gruppe, die sogenannte Choreos vorbereitet, lange, mühsame Fahrten zu Auswärtsspielen unternimmt und "alles für den Klub gibt", wie Rocco versichert. Er erzählt dann, wie er als kleiner Stift" hinaufgeschaut habe zu den Vorsängern auf dem Stadionzaun, die Götter für ihn gewesen seien. Heute ist der muskulöse Mann in Ballonhosen selbst ein "Zaunkönig" mit Megaphon, der seine Aufgabe so beschreibt: "Die Massen zum Mitmachen animieren". Was er dann auch gleich tut: Das ganze Theater ruft auf seinen Befehl "Chemie Halle", alles klatscht und schwenkt die Arme, völlig grundlos, den den nächsten Sieg feiert der HFC erst am nächsten Tag.
Doch Rocco, schweißnass, erlebt einen Moment, der ihn mehr mit der Nicht-Ultra-Gesellschaft da draußen versöhnen dürfte als jedes gutgemeinte Integrationsprogramm für kompliziert strukturierte Fußballfans, die es nicht schlimm finden, "Juden Jena" zu rufen, weil das immer schon gerufen wurde und "auf jeder Speisekarte Zigeunerschnitzel steht, ohne dass sich einer aufregt" (Matze).
Darf man das denken? Darf man das sagen? Nur weil "das mit den Juden das einzige ist, auf die das Jenaer wirklich allergisch reagieren", wie es im Stück heißt? Gibt es Provokationen, die zu gut funktionieren, als dass sie verwendet werden dürfen? Oder verwendet man sie - abseits von Stadionkurven und Fangesängen - nicht gerade deshalb unentwegt, egal, ob man Harald Schmidt heißt oder Rammstein, ob man ein Arbeitsamt als KZ-Tor zeigt oder einen Hit schreibt, in dem immerzu "Autobahn" gesungen wird?
Hier geht es um Fußball, aber eigentlich überhaupt nicht. Der Sport ist für Ultras Nebensache. Nur ein Anlaß, sich zu treffen, wie Hootenanny, Beat, Punk und Gruft, Atomkraft und Nato-Doppelbeschluß einst Anlaß für andere Jugend-Generationen waren, sich in Gruppen zusammenzufinden und dasselbe anzuzuziehen und dasselbe zu wollen, zu glauben und zu hoffen.
Im Publikum an diesem Abend im Theater, das weniger Theater ist als jede "Tagesschau", sitzen Dutzende erwachsener Männer, die Ultras waren, als es den Namen noch nicht gab. Auswärts gefahren sind sie damals mit der Deutschen Reichsbahn, auf Krankenschein haben sie frei gemacht, wenn der Spielplan es erforderte, und in den Tunneln unterm Berliner Alexanderplatz haben sie sich mit dem BFC-Mob Schlachten geliefert, die heute als Widerstand gegen das DDR-Regime gelten. Wie Joschka Fischer, der nach Adrenalin und Weltrevolution gierende Straßenkämpfer West, sind seine Ost-Pedants ruhiger geworden. Schmunzelnd schauen sie dem Nachwuchs zu, der auf der Bühne romantisch referiert, wie Fußball sein müsste, damit er richtig sein könnte: Ohne Red Bull und ohne Bullen, mit Platz, um über die Stränge zu schlagen, und Möglichkeiten, missverstanden zu werden, ohne dafür bezahlen zu müssen.
Theater ist das nicht, wenn Theater wirklich moralische Anstalt sein will, die über das Gute belehrt und dem Bösen zur Besseren Kenntlichkeit ein paar Hörner anklebt. Geht es aber darum, Wirklichkeit abzubilden und ein Fenster zu Räumen zu öffnen, die normalerweise verschlossen sind, ist das Stück Laientheater, das Regisseuer Dirk Laucke seine Laienspielschar als "Die Bühne gehört uns" aufführen lässt, rundum gelungen. Wie in einem Dokumentarfilm ohne Off-Kommentar darf der Zuschauern selbst urteilen, erwachsen wie er ist.
Acht Vorhänge bekommen die gegen Ende schon völlig unbefangen agierenden Mimen, die zornigen jungen Männer, eben noch beschäftigt mit einer grollenden Generalabrechnung mit der ganzen schlechten Welt, strahlen wie Honigkuchenpferde. Einer wird sich wegen der vielen Vorhänge nun Glatze schneiden lassen müssen. Hinter der Bühne singen sie dann HFC-Lieder.