Samstag, 4. Juli 2009

Abriß-Exkursionen: Paradies der Pioniere


Es war einmal und ist nicht mehr: Die Peißnitzinsel, gelegen zwischen zwei Saalearmen und den beiden Städten Halle und Halle-Neustadt, diente zu DDR-Zeiten als "Naherholungsgebiet" für die Chemiearbeiterstadt. Eine "Pioniereisenbahn" umrundete die Insel, ein "Pionierhaus" versammelte jeden Nachmittag allerlei "Arbeitsgemeinschaften", ein Planetarium erschloss den revolutionären Massen die Welt des Kosmos und zwischen den weitläufigen Grünanlagen warteten Schachtische, Tischtennisplatten, Galgenkegelgerüste und Minigolf-Anlagen auf Publikum. Die drei Ausleih-Stationen für Park-Lektüre, Golfschläger, Schachfiguren und Kegelausstattung kündeten Ende der 80er als erste vom Ende der gesellschaftlichen Vision des Sozialismus: Die Türen blieben plötzlich grundlos geschlossen, die Minigolf-Anlage ungejätet. Zwanzig Jahre später findet nur noch der Kenner auf Abriß-Exkursion Spuren früherer Besiedelung. Unter dickem satten Grün verstecken sich die Ruinen von Großschachplatte, Mini-Golf und Kegelbahn, von der Ausleihstation geblieben ist ein wandloses Stahlgerippe, das aus dem Urwaldgrün glüht wie die Rudimente einer verlorenen Maya-Stadt. Die Tischtennisplatten sind abgerissen und durch neue ersetzt worde. Die Pioniereisenbahn hat ihre Abkürzung behalten: Sie heißt jetzt Park-Eisenbahn.

2 Kommentare:

  1. Wo die Pioniere sterben, da stirbt auch ihr Paradies. Kann aber auch an den fehlenden Schachspielern liegen.

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  2. es stirbt in sattem grün. das ist ja auch was.

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