Das dünne Haar auf halb acht, die feuchten Lippen lüstern geöffnet, den roten Pullover als Ausweis der rechten Weltanschauung eng um den dicklichen Leib geschnürt: Ludwig Stiegler, zu besseren Zeiten öfter mal im Fernsehen zu sehen, hat unter dem Eindruck des 12,9-Prozent-Sieges seiner SPD in Bayern klar gemacht, dass es nicht an den grenzdebilen Haifischplakaten und den Verstaatlichungsfantasien seiner Partei lag, dass der Wähler der deutschen Sozialdemokratie nicht auf den Weg zuück in die DDR folgen wollte.
Vielmehr kennte sich das Wahlvolk eben einfach nicht gut genug aus in der Welt. Die Wähler seien „Irrende in der Arbeiterschaft“, sagte Stiegler, dem angesicht des schweren wassers, in dem die SPD auf Riffs und Klippen zutreibt, malerische Beschreibungen aus dem Wörterbuch des Unmenschen einfallen: Die Regierungsbeteiligung in Berlin fordert von seiner Partei einen „besonders hohen Blutzoll“, zitierte Stiegler den früheren Reichspropagandaminsiter Joseph Goebbels, der heute gelegentlich noch durchs Nachmittagsprogramm bei n-tv führt.
Wichtig sei jetzt, dass die Wirtschaftskrise anhalte, so Stiegler, der zudem hofft, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten irgendwann bis in die Familien durchschlagen. Erst eine schwerer werdende Wirtschaftskrise werde der SPD die von Arbeitslosigkeit Bedrohten doch noch zutreiben. „Wenn die erst mal die Krise am eigenen Leib verspüren, schaut alles ganz anders aus.“
Falls es dazu nicht komme, müsse endlich die in der DDR über Jahrzehnte hinweg bewährte Wahlpflicht wieder her, fordert sein SPD-Kollege Jörn Thießen. "Wir Politiker müssen im Parlament abstimmen – das kann man auch von den Wählern bei einer Wahl verlangen." Wer nicht zur Wahl gehe, soll Thießen zufolge künftig 50 Euro Strafe zahlen, wer die falsche Partei wähle, müsse mit einer Strafe in Höhe von 500 Euro rechnen. Führende Regionalpolitiker aus der SPD brachten die Idee ins Spiel, vorangekreuzte Wahlzettel in den Wahllokalen auszulegen. damit könnten auch die, die unsicher seien, wen sie wählen sollten, an der Wahl teilnehmen. Dieses Verfahren, in der früheren DDR fröhlich "Falten" genannt, spare Zeit, Kraft und Energie, sei damit klimafreundlich und diene dem Wohl des ganzen Volkes.
"Demokratie ohne Demokraten funktioniert nicht", mahnte Thießen, der als Sektenbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion arbeitet und fürchtet, sich bei weiterer schrumpfender Wählerbasis später auch um die eigene Partei kümmern zu müssen.
Der war gut.
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