Wahltag in Halle und was für ein Sieg für die junge Demokratie in den neuen Bundesländern! Immerhin rund 9000 entscheiden sich für die rot-weiße Partei mit den drei Buchstaben und für einen Erlebnisnachmittag mit vier oder fünf Wenns und Abers. Wenn der HFC zum Saisonfinale zu Hause gegen den VFC Plauen siegt, ist er aufgestiegen. Wenn Holstein Kiel gleichzeitig gegen Lübeck über ein Remis nicht hinauskommt. Wenn das so kommt, wären die Vogtländer abgestiegen. Wenn Türkiemspor seinerseits gegen Hamburg Altona gewinnt.
Einfache Sache, und deshalb so schwer zu machen. Schon der Einlaß von 8800 Menschen ins bröcklige Wabbel-Stadion stellt die Organisatoren vor fast unüberwindliche Hürden. Mehr als die Hälfte der Fans haben Karten im Vorverkauf erworben - und stehen nun an den wenigen engen Einlaßpunkten, als wollten sie mit Handgranaten im Gepäck zum Flieger nach Tel Aviv. In den Schlangen Rätselraten: Wie kann es zu DDR-Zeiten gelungen sein, hier viermal so viele Menschen pünktlich ins Stadion zu lassen?
Aber drinnen wird nicht gewartet, sondern schaumgebremst losgelegt. Die erste Halbzeit ist ein Gehacke und Gewürge beinahe ohne Torchancen. Längst haben die Spieler von Halles Coach Sven Köhler, als Aufsteiger aus der Oberliga in die Saison gegangen mit dem Ziel, nicht abzusteigen, sich selbst den Aufstieg als Ziel gesetzt. Zweimal lag der Ball auf dem Elfmeterpunkt, zweimal hatten es Kapitän Nico Kanitz und Co. geschafft, den schwächelnden Konkurrenten Kiel zu distanzieren. Und beide Mal wurde aus einer sicheren Führung noch ein Remis, aus einem Punktevorsprung ein bloßes immer noch im Rennen sein.
Im Rennen sind sie immer noch, aufgemuntert auch durch die Vertragsverlängerung, die Abwehrchef Adli Lachheb vor dem Spiel unterzeichnet hat. Aber Plauen beherrscht das Mittelfeld, Halle versucht, sich Freistöße und Ecken zu erarbeiten, die dann aber nichts einbringen. In Kiel, raunt das weite Rund, steht es zur Halbzeit noch 0:0. In Halle ebenso - die Aufstiegsentscheidung, seit Wochen von Spiel zu Spiel vertagt, ist auch 45 Minuten vor Saisonende offen.
35 Minuten vor Ultimo aber bekommt der Plauener Falk Schindler den Ball, Halles Abwehrmann Philip Schubert kann nicht mehr stören - Schindler zieht ab und trifft: Spiel, Satz und Sieg, denn so, wie der HFC bis dahin mit langen Bällen auf den einzigen Stürmer Markus Müller versucht hat, ein Tor zu machen, könnte er noch Tage erfolglos weiterspielen.
Sven Köhler, wegen einiger taktischer Glückgriffe und traumhaft gelungener Einwechslungen schon als eine Art Magier gehandelt, bringt nun, was er hat. Der früher als Marius Müller-Westernhagen auch im Popgeschäft erfolgreiche Thomas Neubert kommt für Kanitz, der für die nächste Saison bereits aussortierte Maik Kunze für Pawel David, der nach langer Verletzungspause eben erst genesene Christian Beck ersetzt Torsten Görke.
Das Spiel findet nun nur noch in einer Hälfte statt. Aber Müller köpft Plauens Ersatztorwart Roggentin in die Hände, Neubert spitzelt am Tor vorbei, alle Ecken landen auf den Köpfen von Plauener Abwehrspielern, während das Stadion noch versucht, die müde und abgespannt wirkende Truppe mit "Chemie - Halle"-Rufen nach vorn zu brüllen.
Kein Brüllen, sondern ein Flüstern dann: Kiel ist gegen Lübeck in Führung gegangen. Der Traum vom Aufstieg ist damit aus, das normale Leben zurück in Halle an der Saale. Traditionell ist es hier so, dass es am Ende um Millimeter nicht reicht und dass die wahren Fans bekommen, weshalb sie da sind. Nicht die Meisterschale, sondern würdiges Scheitern, nicht Triumph, sondern Drama und Tragödie.
Auch diesmal muss der Himmel also warten. Mit dem Schlußpfiff stürmt die jubelnde Plauener Ersatzbank um den ehemaligen HFC-Trainer Hermann Andreev den Platz, die halleschen Spieler sinken enttäuscht zusammen...
Um sekundenschnell wieder aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen. Denn Glück ist hier unten in der Fußballprovinz ein ebenso flüchtiger Moment wie Dummheit ein beharrlicher Begleiter. Obwohl der HFC den Vernichtungsfeldzug eines Teils der Fans gegen ihren eigenen Verein den vergangenen Jahren mit Platzsperren und Geldstrafen in sechsstelliger Höhe bezahlt hat, sind die Hirntoten und Schwarzvermummten in dem Moment pünktlich zur Stelle, in dem ein überforderter Sicherheitschef die Tore zum Platz öffnen lässt.
Letztes Jahr, als der Verein im Spiel gegen Pößneckden Aufstieg perfekt gemacht hatte, eilten die Fans zur Tribüne, um ihre Mannschaft zu feiern. Heute tun sie das auch - abgesehen allerdings von zwei Hundertschaften halbwüchsiger, glatzköpfiger und fettleibiger Hobby-Hooligans. Die stürmen direkt auf die Plauener Fankurve zu, zerlegen unterwegs Werbebanden und Reklameaufsteller, ziehen bengalische Feuer aus den dicken Unterhosen und inszenieren in den folgenden 20 Minuten ein neues Horror-Kapitel des halleschen Fußballs: Bretter fliegen auf die Polizei, die mit ganzen 15 Mann vor Ort ist, aggressive Pseudo-Anhänger jagen Polizisten und werden gejagt, in Rudeln brechen breigesichtige Kapuzenmänner in geschmackvollen "The North Face"-Jacken durch die geöffneten Tore in den geräumten Plauen-Block ein, um Polizisten aus Nahdistanz mit Latten und Steinen zu bewerfen.
Die übrigen 4600 im Stadion sehen den Ausbruch irrationaler Gewalt zuerst staunend, dann aber empört. "Assis raus!" hallt es von der Tribüne. "Hört doch auf, ihr macht doch alles kaputt", fordert ein einzelnen richtiger Fans inmitten der tobenden Menge aus Mitgliedern der selbsternannten "Saalefront", die Verstärkung von augenscheinlich zugedröhnten Anhängern des 1. FC Lok aus Leipzig bekommen haben. Zu zweit gehen die Erlebnisorientierten gegen den Mann los, die Gesten sind eindeutig, die Worte unmißverständlich: Sie, arbeitslos und Spaß dabei, fühlen sich hier als die Herren. Sie wissen genau, dass ihnen weder andere Fans noch die Polizei noch ein Staatsanwalt etwas anderes anhaben kann als ein bisschen Pfefferspray zu sprühen. Landfriedensbruch? Versuchte Körperverletzung? Was ist das? Wer geschnappt, geht hier mit einem Ordnungsgeld von 20 Euro wegen Pissens in die Büsche nach Hause.
"Die Polizei soll verschwinden, dann ist Ruhe", fordert ein aufgeschwemmter Kapuzenmann mit Quarzsand-Handschuhen, ehe er vorstürmt, um einen gerade festgenommenen Kollegen aus der Folterhaft der Bereitschaftspolizei zu befreien, die ihn festgenommen hat, nachdem er ein komplettes Werbeschild auf den Kopf eines Polizisten schlug. Der Mann glaubt fest daran, dass er unschuldig ist. Der andere, dass hier das Recht des Stärkeren gilt. Und alle zusammen, dass Fußball nur deshalb gespielt wird, damit sie ihren Zorn über die eigene gescheiterte Existenz ventilieren können.
Diese Typen sind nicht nur einfach dumm, sie sind auch noch stolz darauf, unfähig zur Erkenntnis zu sein, wie dumm sie sind. Mit der völlig überforderten Polizei, deren Einsatzleiter sich nicht entscheiden kann, ob er der Gewalt weichen oder das Gewaltmonopol des Staates auch gegen eine Überzahl an Durchgedrehten durchsetzen soll, ist genau der richtige Spielkamerad zur Hand. Die kleine Polizeitruppe wird also immer mal abgezogen, woraufhin die Hirnlosen ihr hinterherstürmen. Das führt zum Befehl, einen Gegensturm anzusetzen, bei dem Gefangene gemacht werden. Die versucht die vermummte Meute im nächsten Moment wieder durch Steinewerfen und Vorstürmen zu befreien.
An ein wirkliches Feiern der besten HFC-Saison seit 20 Jahren ist nicht mehr zu denken, auch wenn drei-, vierhundert normale Fans vor der Tribüne verloren singen "Wir wolln die Mannschaft sehen". Die kommt, deeskalierend wohl auch, es gibt die obligatorische Sektdusche, die Trikotwürfe, eine kleine Ansprache des Trainers des ahnbaren Inhalts "wir sind trotzdem stolz und wir kommen wieder".
Darüber aber liegt Brandgeruch, der nicht verwehen wird, solange ein kleiner Fußballverein verantwortlich gemacht wird für eine aus den Fugen geratene Jugendszene. Solange ein Innenminister, der sein Handwerk bei der NVA gelernt hat, nicht in der Lage ist, die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren. Und solange die Justiz glaubt, integrierend sanft urteilen zu müssen, statt hart und härter zu verurteilen, was gar nicht hart genug verurteilt werden kann.
Ihr habt doch nicht ernsthaft daran geglaubt aufzusteigen...oder etwa doch? Mal sehen wer diesmal der schuldige ist FSA, DFB, der Schiedsrichter, der Termin, CIA oder etwa doch Ausserirdische. Am glorreichen HFC hat es aber bestimmt nicht gelegen. Wie auch immer...auf alle Fälle könnt ihr jetzt auf euren leeren Wimpel 2.Platz Regionalliga schreiben, Sieht bestimmt klasse aus.
AntwortenLöschenWelches Handwerk soll der kleine Hävelmann denn bei der NVA gelernt haben, in der Laufbahn "Wandzeitungen gestalten"? Einen Ministerposte bekommt Mann nicht, weil er geeignet ist, einen Ministerposten bekommt Mann wegen der Ausgewogenheit. Zwischen den Parteien. :)
AntwortenLöschenvöllig richtig. aber das zu erörtern war nicht der platz und die zeit.der gehört rausgeschmisssen, so einfach. ob wegen der nva oder was anderem, ist mir wurscht
AntwortenLöschenGlückwunsch zur Vizemeisterschaft Ihr Vizemeister der Herzen...
AntwortenLöschenDanke Fußballgott, dass du so eine Stolpermannschaft, die nur auf das Spiel zerstören aus war, nicht hast aufsteigen lassen !!!
Danke, Danke, Danke ...
Meister der Herzen. Ha, Ha, Ha
AntwortenLöschenCool wie die eigenen Spieler vor ihren eigenen Fans weglaufen. Verschwörungstheorien gegen alle und jeden. Peinlicher gehts echt nicht mehr.
Schade, dass ich nicht dabei war... als Bulle hätte ich gerne in reiner Notwehr einem der kleinen Kiddies, Möchte-Gern-Hools, Neonazis oder sonstigem Gesocks in die Fresse getreten. Aber schön, dass sich die Mannschaft hat hinterher von den Assis hat feiern lassen... Yeah, Ostfussball - ganz großes Kino!
AntwortenLöschenNein, ich vergesse nicht den Großteil der Fans, die feiern, keine rechten Parolen rufen und sich von diesen Abschaum distanzieren. Verbannt die Kiddies aus den Kurven! Dalli!
Schöne Worte, wie immer ein lesenswerter Beitrag von dir. Darüber hinaus freue ich mich für den Halleschen FC, eine solch fantastische Saison gespielt zu haben.
AntwortenLöschenSelbstredend, dass Ihr die unangefochtene Nr. 1 in Sachsen-Anhalt sind. Ich wünsche Euch alles Gute und im nächsten Jahr geht's dann endgültig nach oben. Für einen Durchmarsch hat es bei Euch leider nicht ganz gereicht, aber wer dachte diese denn wirklich vor Beginn der nun inzwischen abgelaufenen Saison.
Viele Grüße aus Berlin.
oh ja, im westen ist es doch am besten:
AntwortenLöschenDie gewaltsamen Ausschreitungen nach dem Regionalliga-Aufstiegsspiel zwischen dem VfB Oldenburg und dem Goslarer SC haben ein Nachspiel. Neben den laufenden polizeilichen Ermittlungen wird der Niedersächsische Fußball-Verband (NFV) ein Verfahren vor dem Verbandssportgericht einleiten. NFV-Vizepräsident August-Wilhelm Winsmann (Heinsen) hatte die Krawalle am Sonnabend im Oldenburger Marschwegstadion als Augenzeuge miterlebt. "Die Vorfälle werden aufgearbeitet. Wir werden daraus Konsequenzen ziehen", kündigte Winsmann am Montag an. Der NFV-Vizepräsident, der auch der Sicherheitsbeauftragte des Verbandes ist, musste die Siegerehrung für den Niedersachsenmeister und Regionalliga-Aufsteiger aus Goslar in einem Kabinentrakt vornehmen. Unmittelbar nach dem Abpfiff waren rund 50 Oldenburger Randalierer auf das Spielfeld gelaufen. Sie lieferten sich Rangeleien mit gegnerischen Fans und griffen auch Spieler des Goslarer SC an. Der Polizei gelang es, die Situation unter Kontrolle zu bringen und weitere Übergriffe auf die rund 150 Goslarer Anhänger zu verhindern. Fünf Polizisten wurden dabei leicht verletzt. Die Beamten nahmen 14 Fans in Gewahrsam.
danke dem netten schreiber. ich glaube nicht dran, aber hoffen darf man ja ;-)
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