Wer nur lange genug lebt, ist irgendwann automatisch das Oberschwein. Das zumindest würde die späte Popularität erklären, die der "mutmaßliche Kriegsverbrecher" John Demjanjuk im greisen Alter von 88 erlebt. War der gebürtige Ukrainer anno 1995 noch ein "ehemaliger KZ-Aufseher" (dpa), so wurde er anno 2008 schon zum "letzten Nazischlächter" (Express) - in Deutschland überhaupt die erste Erwähnung in der Presse, seit ihn ein israelisches Gericht vor 21 Jahren zum Tode verurteilt, ihm aber fünf Jahre später bescheinigt hatte, er sei vielleicht doch nicht "Iwan der Schreckliche", der in Treblinka gewütet hatte.
War ers eben in Sobibor, meint die Staatsanwaltschaft in München, seit Generalbundesanwältin Harms ihr das Verfahren zwangszugewiesen hat. Der Mann, der ganz in der Logik der Zeit erst in der Sowjetarmee diente, dann Kriegsgefangener war, danach zu den Deutschen überlief und nach Kriegsende für die US-Army arbeitete, sollte ja jahrelang an die Ukraine ausgeliefert werden, die aber wollte ihn nicht haben. Deutschland auch nicht: Die Beweislage ist verwirrend, Demjanjuk müsste an mehreren Stellen zugleich gewesen sein, um alle Taten zu begehen, die er begangen haben soll.
Für seine Verbrechen in Treblinka gab es beim Prozess in Israel vor zwei Jahrzehnten 18 Zeugen, nur ein KGB-Papier, das einen anderen Mann als "Iwan den Schrecklichen identifizierte, ersparte Demjanjuk die Todessstrafe. In Deutschland wird er knapp vier Jahrzehnte nach dem Prozess gegen den Sobibor-Lagerkommandanten Stangl auf jeden Fall um die Todesstrafe herumkommen. Lange genug gewartet hat der Rechtsstaat. Nun wird der "letzte Nazischlächter" einfach vor seinem Urteil sterben.
Es heißt Sobibor.
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