Er nannte es das "Gerechtigkeits-Element", damals, als der pfälzische Mecki-Igel Kurz Beck noch sein Vorsitzender war. Seinerzeit sollte Peer Steinbrück irgendein Papier vorlegen, mit dem die deutsche Sozialdemokratie beweisen konnte, dass sie nicht darauf aus ist, ihren Wählern auch noch den allerletzten Pfennig aus den Taschen zu saugen.
Es war das Jahr 2008, Deutschland war im Aufschwung, Peer Steinbrück hatte die Gelegenheit genutzt, die Steuereinnahmen des Staates auf ein Maß aufzublähen, dass trotz ständig steigender Ausgaben des Staates kein EU-regelwidriges Defizit mehr übrig blieb. Er selbst nannte es wie seine CDU-Kanzlerin "Sanierung der Staatsfinanzen". Die sei so wichtig, dass er keinesfalls etwas abgeben könne von den Milliarden-Mehreinnahmen, die er durch höhere Steuerzahlungen von Unternehmen und niedrigere Arbeitslosigkeit hatte.
Immerhin: Als Kurt Beck ihm keine andere Wahl ließ, versprach Steinbrück im Mai 2008, die Sozialabgaben von derzeit knapp 40 Prozent des Bruttolohns binnen auf 36 Prozent zu senken. 40 Milliarden Euro sollte das kosten, finanziert werden sollte es quasi automatisch. Der hochrangige Wirtschaftsexperte Steinbrück, der später im Jahr eine Krise, die ihn und seine Landesbanken wie eine Lawine unter sich begrub, "rein amerikanisch" nennen wird, rechnete schließlich mit "zusätzlichen Steuereinnahmen von fünf bis sechs Milliarden Euro jährlich", die ein bis in alle Ewigkeit anhaltender Aufschwung in die Kassen spülen werde.
Eine groteske Vorstellung, aber aufs Groteske versteht sich Peer Steinbrück bestens. Je öfter er sich irrt, um so lauter behauptet er, Recht gehabt zu haben. Zwölf Monate nach seinem Versprechen, die Sozialabgaben um zehn Prozentpunkte zu senken, bezeichnet der SPD-Arbeiterführer jetzt zum Beispiel die Steuersenkungspläne der FDP als „grotesk“. Der Mann, der zweistellige Einnahmeausfälle der Sozialkassen in Kauf nehmen wollte, um seinem wankenden Parteivorsitzenden einen Gefallen zu tun, glaubt nun, dass die FDP, die zweistellige Steuerausfälle durch Steuersenkungen in Kauf nehmen will, damit zeige, "dass ihr für die Regierungsverantwortung die erforderliche Reife fehle".
Eine Reife, die Peer Steinbrück längst nachgewiesen hat. Der Mann begründet seine Ansichten je nach Sonnenscheindauer mit ganz verschiedenen Argumenten, die sich auch gern widersprechen dürfen, so lange sie das nacheinander tun. Die "amerikanische Krise" trifft Deutschland härter als die USA. Aber daran sind die Schweiz und Botswana schuld, die deutsche Steuersünder decken. Nicht die privaten Banken wanken am meisten vor lauter Verlusten durch exotische Anlageprodukte, sondern die staatseigenen, durch Politiker beaufsichtigten? Ja, und nur mehr Politiker-Aufsicht bei den Privatbanken kann das ändern.
Das politische Geschäft ist schnelllebig, Steinbrück weiß, dass keiner sich erinnern wird, was er gestern noch als letzte Wahrheit verkündet hat. Fehlte seiner Ansicht nach vor der großen Krise "jeder Spielraum für Steuersenkungen", weil Mehreinnahmen des Staates etwa durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer "zuerst zur Schuldensenkung verwendet werden" mussten - was sie nie wurden -, so sei nun durch die "aktuellen Mindereinnahmen wegen der Finanzkrise jeder Spielraum für zusätzliche Ausgabewünsche und vollmundige Steuersenkungen dahin“. Wäre der Aufschwung morgen zurück, gälte natürlich Antwort 1 wieder unverändert.
Und wenn die Wirtschaft eines Tages doch wieder anspringe, muss der Staat zuerst mal „zurück auf den Konsolidierungskurs kommen“ (Steinbrück), von dem er unter dem Finanzminister Peer Steinbrück stets weiter weg war als der VfL Bochum von der deutschen Fußballmeisterschaft. Danach, irgendwann im Jahr Nimmermehr, kann dann auch über Entlastungen geredet werden. Wo genau und warum für die auch dann kein Geld da sein wird, verrät Peer Steinbrück, wenn es soweit ist.
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