Jede Woche ein Endspiel, so geht das seit Wochen bei Halleschen FC. Außer, es ist englische Woche, dann gibt es sogar drei. Letzten Samstag der am Ende erzitterte Sieg gegen den Aufstiegs-Mitkonkurrenten Babelsberg 03, heute schon die nächste Partie, diesmal gegen Hansa Rostock, zu DDR-Oberligazeiten eine Mannschaft, mit der der HFC Chemie eigentlich immer auf Augenhöhe agierte.
Das hier allerdings ist nur noch die Reserve-Vertretung aus der Ostseestadt, die Erste von Rostock spielt zwei Ligen höher. Dahin will auch der HFC wieder - und dazu muss das noch bis zum 6. Juni 15.45 Uhr laufende Fernduell mit Noch-Tabellenführer Holstein Kiel, der zu Hause Herthas Reserve empfängt, gewonnen werden.
Halle, gegen Babelsberg mit Wucht und Kraft gestartet, tut sich gegen die Nachwuchstruppe aus Rostock dennoch schwer. Der Ball geht quer und wieder quer, ein, zwei halbgare Chance nur erspielt sich die Mannschaft von Trainer Sven Köhler, dem sie im Aufstiegsfall ein oder sogar mehrere Denkmale in Halle errichten würden.
Viel aber kann nicht schiefgehen, glaubt die Tribüne nach 25 Minuten. Auch die gern als "Hansa-Bubis" bezeichneten Blauen sind nach vorn gefährlich wie ein toter Tiger. Bis sich Halle vor der Haupttribüne im Kleinklein verliert, fünf rot-weiße Spieler nacheinander den Ball erobern und postwendend wieder verlieren. Dann hat ein bis dahin unauffällig agierender Hanseat namens Sebastian Albert an der Strafraumgrenze plötzlich den Ball, er zieht ab und der Richtung Tor ruckelnde Schuss springt dem verdutzten Keeper, bis dahin in 29 Spielen nur 15 Mal bezwungen, über die ausgestreckten Hände ins Netz.
Es wird still im Stadion, Kopfschütteln ringsherum, Trainer Köhler sitzt bewegungslos auf seinem Bänkchen und denkt wohl schon über die Ruck-Rede nach, die er im Gedenken an den damit seinerzeit grandios gescheiterten Bundespräsidenten Roman Herzog zum sogenannten Pausentee wird halten müssen.
Muss er aber gar nicht. Kaum hat sich die Freude bei Hansa gelegt, geht auch schon etwas für den Gastgeber. Görke wirft weit ein, den folgenden langen Ball unterläuft Hansa-Torwart Schenk gekonnt und am langen Pfosten hält Kanitz die Innenseite im richtigen Winkel in die fallende Flanke. 1:1. Hansa scheint irritiert, Halle will mehr. Das in dieser Saison statistisch genau aller zwei Spiele unvermeidbare Gegentor ist nun ja schon gefallen, Kanitz, der heute Geburtstag hat, Görke, Kamalla und die anderen wissen: Gelingt ihnen jetzt ein zweiter Treffer, ist das Spiel allen Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung nach wiedermal gewonnen.
Zwei Minuten nur brauchen sie diesmal, ehe es soweit ist. Erst knallt Markus Müller einen Kopfball mit Urgewalt an die Latte, dann macht Pavel David das zweite Tor perfekt. Als er einschießt, wackelt die Latte noch.
Von da an aber wackelt nur noch Halle. Kaum aus der Halbzeitpause zurück, dröhnt es "Spitzenreiter, Spitzenreiter" aus der Fankurve, denn Hertha ist im Parallelspiel in Kiel in Führung gegangen. So nah dran und doch noch 40 Minuten weit weg. Halle zittert, Halle bangt, Halle schlägt weite Bälle nach vorn und duckt sich hinten weg. Ein Kampf, ein Krampf. Hansa kommt jetzt, so gut es kann. Das ist nicht sehr gut, aber zwei-, dreimal muss Darko Horvat alles geben, sechs-, siebenmal zumindest die Hälfte.
Irgendwann steht es in Kiel angeblich 2:0 für Hertha. Ein Raunen im Rund. Oder hat Kiel nur einen Elfmeter verschossen? Keiner weiß es so genau. Es sind noch 20 Minuten zu gehen und jeder zweite Blick geht zur Uhr. Köhler wechselt, nimmt den verletzten David runter und bringt mit Kittler einen dritten Sechser fürs Mittelfeld. Hebestreit kommt für Görke und geht in den Sturm. Adli Lachheb verletzt sich und Marko Hartmann, bisher nur im Pokal eingesetzt, kommt. Stürmer Markus Müller steht jetzt auch hinten drin, Hansa drückt, Halle kontert, scheitert aber immer wieder schon weit weg vom Tor.
Eine Halbzeit wie eine Ewigkeit. Kittler vergibt nach Traumpass von Hebestreit noch eine letzte Großchance. Dann ist doch Schluß. 2:1 Sieg und bis auf sechs Tore am Tabellenführer Kiel dran, der nur 1:1 gespielt hat. Ja, nächstes Endspiel am Sonntag in Hamburg.
Ich glaube, nicht wenige in der Region - ja, auch hier in Dresden - fiebern mit euch und jedem Endspiel mit!
AntwortenLöschenIch jedenfalls würde mich freuen, wenn ihr nächste Saison für ein volles neues Stadion sorgt.
Ihr schafft das! Sowas nennt man Karma... ;)
"20 Minuten zu gehen." Das kann man vielleicht bei Spielen von Jena sagen, wo die Spieler eher über den Platz gehen. Ansonsten macht dieser Ausdruck überhaupt keinen Sinn.
AntwortenLöschenvöllig richtig, es hätte "20 minuten zu durchleiden" heißen müssen
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