Freitag, 3. April 2009

Ochs und Esel im Galopp

Als Konsequenz aus der Finanzkrise, die ihnen bei der letzten Bundestagswahl so gar nicht versprochen worden war, wenden sich die Deutschen nach Erkenntnissen des früheren "Freizeitforschers" Horst W. Opaschowski von der Konsum- und Erlebnisgesellschaft ab. Wie der nunmehrige Leiter der selbstgegründeten Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen herausfand, halten nur noch 21 Prozent von 2000 Befragten Konsum für zukunftsfähig. Alle anderen wollen in Zukunft nicht mehr einkaufen oder "etwas erleben", sondern eine «Wohlfühlgesellschaft», in der jeder alles hat und niemand nichts mehr braucht. 39 Prozent plädieren dafür, lieber «gut zu leben statt viel haben». So sei der Besitz von drei DVD-Playern, sieben Fernsehern und 12 MP3-Playern für viele verzichtbar. Zwei DVD-Player, vier Fernseher und drei MP3-Player genügten auch, wenn denn wenigstens einer der DVD-Player Nero lesen könne und zwei der Fernseher HD-TV-fähig seien.

Eigentlich wolle die große Mehrheit der Deutschen gar nicht viel mehr als eine «Sozialgesellschaft, in der der Staat die Bürger vor Not, Armut und Arbeitslosigkeit schützt und sozial absichert» oder kurz gesagt ein sogenanntes "Schlaraffenland". Begrüßen würden es die meisten, wenn sie jeden Morgen ausschlafen könnten und die Wochenenden fünf Tage hätten. Auch kostenlosen Urlaubsreisen mit einer von der Regierung neuzugründenden Sozialreisegesellschaft "Freude durch Kraft" ständen viele nicht ablehnend gegenüber.

«Die Deutschen wollen nach wie vor ein sicheres Einkommen haben und sorgenfrei und ohne Angst leben können», fasste Opaschewski seine tiefgreifenden und überraschenden Forschungsergebnisse zusammen. Beobachter waren bisher davon ausgegangen, dass die meisten Deutschen nur noch auf die nächste Bundestagswahl warteten, um unmittelbar danach ihre verbliebenen Arbeitsstellen zu kündigen und einen Antrag auf Gewährung von Sterbehilfe an Bundesverteidigungsminister Franz-Joseph Jung zu stellen.

Die Wahrheit sieht nun ganz anders aus. Froh, konsummüde und der Zukunft teilnahmslos zugewandt warten die Deutschen auf den nächsten Aufschwung. Das sichere Einkommen solle dann doch möglichst hoch sein, wünschen sich die Befragten. Viele gäben nach Zusicherung völliger Anonymität auch zu, dass sie ein Managergehalt in unbegrenzter Höhe zwar freiwillig und auf unbegrenzte Dauer annehmen würden, sich andererseits aber strikt gegen Managergehälter in unbegrenzter Höhe aussprächen, so lange ihnen selbst kein solches zugesprochen werde.

«Sie erwarten, dass der Staat seine Sicherheitsversprechen einlöst, und hoffen auf mehr soziale Gerechtigkeit», beschreibt Opaschewski. Lediglich drei Prozent der Befragten glauben derzeit, die Zivilgesellschaft garantiere Freiheit, Gleichheit und Sicherheit. 39 Prozent sehen in Deutschland dagegen eine Klassengesellschaft, in der das Wohlstandsgefälle wachse und die Kluft zwischen Arm und Reich größer werde. Nur der Sozialismus, den in seinem Lauf weder Ochs noch Esel aufhalten, könne eine Wende zum Besseren bringen: In der DDR habe es keinen Klimawandel gegeben und keine Arbeitslosen, die einen 5er BMW fuhren, versicherten mehrere Befragte. Stalins Sowjetunion habe überdies gezeigt, dass ein Land auch ohne Aktienspekulanten, dauernde Werbekampagnen für italienische Kleinwagen und Staatsbankfilialen in Steuerparadiesen wunderbar zugrunde gehen könne.

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