Donnerstag, 2. April 2009

Mord ist Sport

Es geht ihnen ein bisschen wie den Armeniern, Kambodschanern, Russen und Chinesen, deren millionenfache Ermordung immer irgendwie weniger schlimm scheint als andere Ermordungen. 330.000 Robben hat Kanada in diesem Jahr zum Erschlagen freigegeben - und laut ist der Aufschrei der Betroffenheit in der Welt. 330.000 süße kleine Fett-Fratzen, erschlagen nur wegen ihres Plüschfells! Die ersten Fotos des Grauens landen in jeder Zeitung, die etwas auf Leser-Blatt-Bindung gibt, ganz oben auf der Seite.

Ganz unten im Kleingedruckten nur vermerkt das eine oder andere aus eigenem Interesse oder landsmannschaftlicher Nähe mit dem Thema verbundene dpa-Sprachrohr, was einem anderen, nicht weniger possierlichen Beinahe-Artgenossen des Menschen geschieht. Nicht weit weg in Kanada, nicht irgendwann, irgendwo in ferner geschichtlicher Vorzeit. Nein, heute, hier und jetzt sterben die Wildschweine, biologisch, genetisch und organisch zu 90 Prozent Menschen, und sie sterben zu Zehntausenden.

Allein in Hessen erschossen lauernde Waidmänner im vergangenen Jahr sagenhafte 78.000 völlig arg- und wehrlose Keiler, Bachen und wahrscheinlich auch den einen oder anderen Frischling. Ein Tatmerkmal für Mord ist klar erfüllt. Und es ist ein Massenmord: Aus der Fläche hochgerechnet auf die gesamte Bundesrepublik, von der unseren kleinen ehrenamtlichen Tierschutzblog keine direkten Zahlen vorliegen, ergibt die Zahl der in Hessen gemeuchelten Tiere für ganz Deutschland eine Summe von rund 1,3 Millionen meist im Morgengrauen hingeschlachteter Wildschweine - allein im letzten Jahr.

Viermal soviel Opfer, wie die kanadische Robbenjagd jährlich fordert, und doch Tote zweiter Klasse. Nirgendwo ertönt ein Aufschrei, nirgendwo formiert sich eine Bürgerbewegung, nirgendwo weint ein Politiker blutige Tränen der Ohnmacht, hält ein tapferer Kameramann von WWF oder einer freien Produktionsfirma unverdrossen aufrüttelnd auf die endlose Strecke der zur Strecke gebrachten Borstentiere. Nicht einmal Claudia Roth hat sich bisher stotternd vor Entrüstung zu Wort gemeldet. Nein, Schwein, Du hast kein Schwein.

2 Kommentare:

  1. Auch wenn ich die Jagd für die dümmste und unmenschlichste aller Freizeitbeschäftigungen überhaupt betrachte, muss ich doch anmerken, dass die Reduzierung des Wildschweinbestandes einen gewissen zivilisatorischen Fortschritt bringt.
    Während eine Robbe eher ungefährlich ist (es sei denn man stolpert darüber), kann einem ein dicker Keiler oder eine große Bache den Waldspaziergang ziemlich vermiesen.
    Dass in Hessen pro Jahr über 70.000 Wildschweine erschossen werden, kommt mir dann aber etwas übertrieben vor. Es erklärt aber vielleicht, warum ich in Mittelhessen noch nie ein Wildschwein gesehen habe und was die Jagdgenossenschaften, von denen selbst das kleinste Dorf noch eine hat, so das Jahr über machen.

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