Donnerstag, 19. Februar 2009
Vertrauen ist gut, Gülle ist besser
Immer mehr Gewalt von Neonazis, immer mehr Schwachsinn in der Zeitung: Mitte vergangenen Jahres vermeldete der "Tagesspiegel" überraschend wie immer, dass "die Rechtsextremisten in Deutschland im ersten Halbjahr erheblich mehr Straftaten begangen" hätten "als bisher bekannt". Die Polizei, so die harten Fakten, "registrierte von Januar bis Juni insgesamt 10.655 Delikte", wußte der "Tagesspiegel" von der Linksfraktion im Bundestag, die es vom Bundesinnenministerium erfahren hatte.
Nur fünf Monate später der nächste "traurige Rekord", diesmal von der Frankfurter Rundschau gemeldet: "Deutschland steuert auf einen Höchststand bei rechtsextremistischen Straftaten zu", hieß es völlig überraschend im Dezember. Im Vergleich zum Vorjahr sei "die Zahl der registrierten Fälle auf 11.928" gestiegen - ein "neuer Rekord" wie immer und "fast 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum".
Aber erstaunlicherweise doch nur noch 1.300 Delikte mehr als zum Halbjahr. Der rechte Terror war quasi in sich selbst zusammengebrochen: Im ersten Halbjahr noch mehr als 10.000 Fälle, in den ersten drei Monaten des zweiten nicht mal 1.500 - ein schöner Erfolg der nimmermüden Demokratisierungsbemühungen der Bundesregierung.
Mochte man meinen. Doch der nächste Rekord ließ nicht lange auf sich warten. Kaum hatte der "Spiegel" nach einem Blick ins eigene Archiv festgestellt, dass er den Rekord bereits mit 18.000 rechten Untaten für das Jahr 2006 festgeschrieben hatte, vermeldete die "Tagesschau" wieder, dass 2008 einen neuen Rekord mit zirka 14.000 rechten Untaten gebracht habe.
Was folgt, ist Stille Post auf höherem Niveau: Während uns die Tagesschau-Redaktion wissen lässt, dass der "Kollege, der den Artikel recherchiert hat", nicht im Hause sei, verweist der "Focus" darauf, dass Zahlen und Wertung von DPA ins Haus geschneit seien. Damit handele es sich um "Agenturmaterial, dem primär zu vertrauen ist" (Focus). Bei DPA allerdings fühlt man sich auf der sicheren Seite. Alle Zahlen seien vom Innenministerium bestätigt worden. "Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Einschätzung, dass sich die Zahlen auf Rekordniveau bewegen, nicht von uns, sondern von tagesschau.de stammt."
Da sind wir nun eine ganze Runde rum und immer noch dumm: 14.000 ist mehr als 18.000, amtlich. Und der zuständige Mathematiker ist nicht im Hause. Der Tagesschau-Chef schwört stellvertretend, dass "das Bundesinnenministerium jeden Monat diese Zahlen auf Anfrage neu heraus"gebe. Es handele sich "also nicht um einen alten Bericht, sondern um Zahlen und Fakten, die wir beim Innenministerium neu recherchiert haben."
Neu recherchiert also. Wir verstummen in Ehrfurcht vor dem Leitmedium, das solches vermag. Und lesen Netzwerkrecherche mit weiteren, noch grausameren Zahlen.
Petra Pau von der Linksfraktion sagte, der Anstieg der Zahlen sei "erschreckend" - und rechnete vor: Bundesweit würden im Durchschnitt stündlich 2,5 rechtsextreme Straftaten verübt und pro Tag 2,5 rechtsextreme Gewalttaten. "Das zeigt, dass Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben sind", sagte Pau.
AntwortenLöschenViel erschreckender ist, wenn man diese Statistiken weiterführt: Jeder der 80 Mio. Menschen in der BRD wird bei jährlich 773 rechten Gewaltopfern innerhalb von 103.500 Jahren einmal Opfer einer rechten Gewalttat.
Zum Glück werde ich nicht so alt.
...und wer noch nie von einer rechtsextremen Straftat betroffen war oder keinen kennt, dem das wiederfahren ist, der ist einfach ein Opfer der Statistik.
AntwortenLöschenHauptsache, für "unsere" Lösungen haben wir auch endlich ein Problem.
Hauptsache, für "unsere" Lösungen haben wir auch endlich ein Problem.
AntwortenLöschengrandios formuliert! ich glaube, das ist der entscheidende punkt
Allerlei Statistisches statuiert. Siehe Verlinkung.
AntwortenLöschennwr