Das deutsche Volk verdankt Franz Müntefering heute schon viel. Der sauerländische Sozialdemokrat mit dem knittrigen Keith-Richards-Gesicht war es, der den Begriff "Heuschrecken" erfand und dann im großfrei war, als die Staatsbank KfW die Staatsbank IKB in höchster Not an eben diese schrecklichen Heuschrecken verkaufen musste, weil sonst kein Käufer zu finden war. Müntefering kommentierte das nicht, denn er schrieb gerade an einem Buch, in dem er der wankenden, schwankenden Sozialdemokratie den Weg in eine Zukunft ohne Heuschrecken, Staatsschulden, Klimakatastrophen und CDU-Kanzler weisen wird.
Die bricht nun doch schon ab morgen an, denn der "Franz", seinerzeit wie alle SPD-Chefs seit Willy Brandt gescheitert als Vorsitzender der deutschen Sozialdemokratie, darf im zarten Alter von fast 69 noch mal als Hoffnungsträger ran: Nach dem Rückzug von Kurt "Mecki" Beck, der ebenso wie sein Vorgänger Matthias Platzeck "fehlende Kraft" als Kündigungsgrund vorschob, steht "Münte" vor einem gloriosen Comeback. Vorgeschlagen worden sei er, so reportiert n-tv, von Frank-Walter Steinmeier, dem SPD-Vorständler, der seit seinem Aufrutschen ins Außenamt zusehends korrekter versucht, seinen Ex-Chef Gerd Schröder in Gang, Gestik und Sprache zu imitieren. Vorausgegangen war der Inthronisierung des alten Parteichefs als neuem Parteichef und der Kür von Steinmeier als Kandidat für die Bundestagswahl eine breite innerparteiliche Debatte in bester SPD-Tradition. Viele Beobachter fühlten sich an den langwierigen Prozess erinnert, in dem die Amerikaner ihre Präsidentschaftskandidaten auswählen. Niemand hatte auch nur im Entferntesten den Eindruck, hier habe ein Grüppchen mächtiger Männer hinter verschlossenen Türen Entscheidungen auf eine Art getroffen, wie sie früher das DDR-Politbüro bevorzugte.
Nein, die SPD ist demokratisch, das geht ja schon aus ihrem Namen hervor. Eigentlich hatte Beck den kommenden Kanzlerkandidaten deshalb im Alleingang und ganz demokratisch bestimmen wollen. Nun kommt es anders - wie wir früher bereits enthüllten, gibt es im Deutschen ja leider kein Verb für "die Wahrheit sagen" - und ginge es nach Bundesarbeitsminister Franz Müntefering, bräuchte es auch kein Substantiv für "Wahrheit".
Denn natürlich handelt es sich bei dem "Wechsel an der SPD-Spitze" (Spiegel) um einen Rechtsputsch mitten in der Linken. Steinmeier, Steinbrück und Müntefering, ein Triumvirat aus rätselhafterweise beim Volk beliebten Egomanen, haben lange zugeschaut, wie Beck, der erratische Politbär aus der Provinz, die alte Dame SPD auf der Tanzfläche im Walzertakt herumschwenkte, während Foxtrott und Tango liefen. Freundliche Belehrungen nahm der Ministerpräsidenten-Mecki nicht an, folglich folgte nun der gewaltsame Sturz, in alter SPD-Tradition selbstverständlich unbewaffnet und mit Lobeshymnen auf den scheidenden Gescheiterten garniert.
Politrentner Münte muss es nun richten, denn viel mehr an Nackenschlägen verträgt die "Arbeiterpartei" (Willy Brandt) nicht. Das sagen sie nicht, aber jeder weiß es. In einer Rede vor dem Bundestag hat Franz Müntefering das vor Monaten, noch ehe er ein vollbezahltes Sabbatjahr auf Steuerzahlerkosten einlegte, mal schön beschrieben: "Da wird nicht immer so ganz die Wahrheit gesagt, eher grenzt das schon an Lüge."
klasse kommentar!
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