Dienstag, 12. August 2008

Spiele ohne uns

Ein Niedergang auf Raten und keine Ursache weit und breit. Beim Schwimmen sollen es die Sportler sein, die nicht auf ihre Trainer hören, beim Radfahren lag es am Wetter, dass deutsche Starter nicht gewinnen können, und beim Boxen sind alle anderen einfach zu stark, als dass eine Spätaussiedlerfaust in deutschen Diensten ihr Ziel finden könnte.

Mit den wahren Gründen für das debakulöse Abschneiden der fast 1000-köpfigen deutschen Abordnung zum Welttreffend er Sportjugend allerdings hat das alles wenig zu tun. Denn die sind in der Geschichte zu finden - und in der Tatsache, dass Doping nicht mehr nur verboten ist, sondern dopenden deutschen Sportlern spätestens seit Baumann existenzvernichtende Strafen drohen. Deshalb, da spricht ein Blick auf die Medaillenbilanz deutscher Sportler seit 1972 eine deutliche Sprache, wird es nicht so richtig was mit Edelmetall in Peking.

Damals, als jeder DDR-Staatsamateur und jeder von der Bundeswehr gesponserte westdeutsche Olympiastarter noch nach Herzenslust mit Pillen und Spritzen optimieren konnte, was im Training nicht klappte, war das noch ganz anders. Deutschland war eine Weltmacht, errichtet mit Hilfe der Labore in Leverkusen, Ingelheim und Jena. 1972 holten Sportler aus beiden Landesteilen 106 Medaillen, 1976, als der medizinische Fortschritt Fahrt aufnahm, sogar 129. 1980 brachte es die DDR allein auf 126, 1980 schaffte die Bundesrepublik allein immerhin 59.

Der Höhepunkt war 1988 erreicht. Doping war möglich, Kontrollen ein Spaß, wer die besten Medikamente hatte, hatte die meisten Medaillen: 142 holte Deutschland, 40 davon gingen aufs Konto von Sportlern aus dem traditionellen Bundesgebiet.

Seitdem regiert der Niedergang. Der statistische Zusammenhang ist unübersehbar, wenn er auch nirgends erwähnt wird, um die Erfolge der Vergangenheit nicht als das bezeichnen zu müssen, was sie waren: Herbeigedopt. Die Zahlen aber sprechen eine deutliche Sprache. Je schärfer der Kampf gegen Doping in Deutschland geführt wurde, umso drastischer brachen die Leistungen der Spitzenathleten ein. 1992 langte es noch zu 82 olympischen Medaillen, 1996 waren noch 65 drin, 2000 sank die Zahl auf 56 und 2004 holte das vereinige Deutschland schließlich gerademal noch soviel Edelmetall wie die - staatlich geförderten Dopings angeblich unverdächtige - alte Bundesrepublik 16 Jahre vorher noch hatte allein einheimsen können.

Was hat sich seitdem geändert? Läge es am Zusammenbruch des DDR-Sportsystems, müsste doch die alte BRD wenigstens so viele Medaillen wie 1988 gewinnen. Nein, der Grund ist wohl ein ganz einfacher: Ohne die Hilfe der hochentwickelten deutschen Medizintechnik und Medikamentenentwicklung, die Deutschland in den Jahren der wilden Herumdoperei einen Wettbewerbvorteil verschafft hatte, ist nichts mehr zu holen in Disziplinen, die von Trainingsintensität, Schnellkraft und Ausdauer leben. Während anderswo - das verraten die immer wieder auffliegenden Sünder - fröhlich weitergespritzt wird, führt Deutschland den Kampf gegen Doping ernsthaft, sehr einsam und damit als einen Kampf gegen sich selbst.

Medaillen sind so nur noch drin, wo es um Finessen geht, um deutsche Tugenden wie Gleichschritt, Tierliebe und modernes Material. An Tag fünf liegen die Athleten aus der Sportnation ohne Sportler dank ihrer erfolgreichen Synchronspringer und Kanupaddler vor Tadshikistan, Simbabwe und Kolumbien auf Platz 19. Aber die Reitwettbewerbe kommen ja noch. Da rechnet sich die Nation was aus.

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