Donnerstag, 14. August 2008

Schickt mehr Sozialarbeiter

Sie saufen, prügeln, zerstören Stadien, Bahnhöfe, Züge und Autos und versetzen einmal wöchentlich ganze Innenstädte in den Ausnahmezustand: "Terrorkommandos aus den Ostgebieten" (von Trotha) beherrschen das Bild des Fußballs auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, Cottbusser Fans sind berüchtigt, Rostocker Anhänger zeigten erst kürzlich sogar in Dänemark splitternd und schlagend Flagge, vor den Fans von Lok Leipzig zittert jeder Gastgeberverein und Magdeburger Anhänger schlugen mangls Alternative auch schon mal ihre eigenen Spieler zuammen.

Jetzt aber ist Schluß damit, gnadenlos geht die Sozialarbeiterszene, die seit 15 Jahren liebevoll betreuend im Umfeld der Schlägertrupps tätig ist, gegen das Phänomen Fußballgewalt vor. Der "Regionalverbund Ost Fanprojekte" mit Mitgliedern aus Aue, Babelsberg, Berlin, Cottbus, Chemnitz, Dresden, Halle, Jena, Leipzig, Rostock und Zwickau hat nach erneuten Krawallen in Halle kurzfristig ein "Arbeitstreffen" in der schönen Atmosphäre der Vitzenburg a.d. Unstrut anberaumt.

Dort wurde beraten und hernach verurteilt - nicht Gewalt, Prügeleien, rechtsradikale Parolen oder Zerstörungsorgien im Auswärtsreiseverkehr. Sondern, so verkündete Gregor Voehse, Leiter des Fanprojekts Babelsberg, die einhellige Meinung der Hooligan-Kuschler, "die Handhabungspraxis der Verhängung von Stadionverboten", wie sie der wegen der Ausschreitungen beim Pokalspiel gegen Hannover in seiner Existenz bedrohte Hallesche FC neuerdings praktiziert. Der Verein mißachte "das prinzipielle Recht der mit Stadionverbot bedrohten Personen auf Anhörung".

Ein Unding, finden die studierten und mit gutbezahlten Vollzeitstellen zur Kuschel-Betreuung der Problemjugendlichen angestellten Sozialarbeiter. Zuerst einmal, da gibt es im Kreis der Tagenden keine Zweifel, heißt es hier, der Realität lange Sätze ohne Inhalt entgegenschleudern: "Als sozialpädagogische Jugendhilfeeinrichtungen, die Fansozialarbeit unter einem ganzheitlichen, lebensweltlich orientierten Ansatz über das Medium Fußball leisten, sind die jugendlichen Fußballfans im Verständnis der Fanprojekte in erster Linie Bürger ihrer Stadt." Ja, und "als solche haben die unterschiedlichen Funktionsträger der Stadt den jungen Menschen gegenüber auch ihre Verantwortlichkeit zu wahren" - nicht etwa umgekehrt. Gewalt und Alkohol, Zerstörungswut und Fremdenfeindlichkeit verlangen - seit 17 Jahren - nicht nach Strafe, sondern nach noch mehr Betreuung, nach noch mehr und noch besser bezahlten Sozialarbeiterstellen, nach Gewaltstudien und noch akzeptierenderer Sozialarbeit.

"Ausgesprochen befremdlich" finden die Experten für akzeptierende Unterstützung von Böllerwerfern, Spielerbespuckern und "Hannover - Hurensöhne"-Rufern, dass der Hallesche FC sich in höchster Existenzangst einen eigenen Strafrichter zugelegt hat, der nur dazu da ist, Stadionverbote zu verhängen.

Viel schöner wäre es doch, wenn auch die gewaltgeplagten Fußballvereine im Osten Standortpapiere verfassen würden, die von tiefem Mitgefühl für das grausame Schicksal jugendlicher Fußballschläger getränkt sind: "Gerade derzeit vollzieht sich mit der jüngeren Fanszene der 15- bis 20-Jährigen ein Generationswechsel, der auf der Ebene des Ultra-Verständnisses eine Neuorientierung mit sich bringt", faselt die Runde auf der Vitzenburg, dem Satzbau nach spät hinter dem siebten Bier. Im "Prozess dieser Identitätssuche" spiele "das Element der Gewalt eine veränderte Gewichtung", heißt es weiter, diktiert nun wohl schon nach dem siebten Schnaps. Gewalt werde "zunehmend ritualisiert und qualitativ als Teil ihrer Erlebniskultur und Ausdruck ihres Selbstverständnisses betrachtet".

Na wenn das so ist, ist es ja gut. Auch als argloser Familienvater, dem eine Sitzschale vor den Kopf geflogen ist, muss man doch ein bisschen froh sein, dass man Teil der Erlebniskultur unserer Jugend sein darf, die ihr Selbstverständnis eben nicht wie die langweiligen 68er durch blöde Parolen, sondern ganz im Sinne des großen Vorsitzenden Mao mit der Tat allein ausdrückt: Einfach mal ein Bushäuschen zerhauen, ein paar Flaschen schmeißen und ein paar Zugabteile zerlegen! Schon stimmts auch mit der Stimmung.

Schuld an Übergriffen ist eigentlich nur der Feind, der immer mal auftaucht, statt durch Abwesenheit zu deeskalieren: "In den Augen der jugendlichen Fans wird Polizei als ein Bestandteil des Gewaltzusammenhangs wahrgenommen; also weniger als staatlich legitimierte exekutive Instanz zur Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung, vielmehr als ein potentieller Gegner bei auftretenden Konfliktfällen, betrachtet."

Womit das Problem schon mal erklärt, wenn auch nicht direkt beseitigt wäre. "In einem Gefühl gesteigerter Selbstgerechtigkeit glauben die Jugendlichen ihre Probleme mit ihren eigenen Mitteln selber lösen zu können", analysieren die Hooligan-Händchenhalter. Dies korrespondiere "mit einem eher vagen Demokratie- und Staatsverständnis." Das es nun wohl erstmal ein paar Jahrzehnte zu entwickeln gilt: Mit mehr Sozialarbeitern, mehr Gewaltakzeptanz, mehr fröhlichen Positionspapieren und frischen Fördermitteln für mehr Böller und Raketen.

9 Kommentare:

  1. Es gibt anscheinend ein Menschenrecht auf Hooliganismus, das durchgesetzt werden muss.

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  2. Der Verfasser des Artikels hat leider überhaupt gar nichts begriffen. Akzeptierende Jugendarbeit hat recht wenig mit Kuscheln zu tun, ist im Gegenteil die wahrscheinlich einzige Möglichkeit, diese Jugendlichen überhaupt noch zu erreichen. Und damit kann sie durchaus verhindern, dass dem braven Familienvater eine Sitzschale über den Kopf gezogen wird....

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  3. Eine der unangenehmsten deutschen Eigenschaften, das triefende Mitleid mit sich selbst und den eigenen Landsleuten, aber macht aus solchen Irrläufern der Evolution arme Verführte, ihrem Wesen nach gut, nur eben ein bißchen labil etc., "Menschen" jedenfalls, "um die wir kämpfen müssen". (wiglaf droste)

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  4. mir fällt spontan eine weitere möglichkeit ein, fliegende sitzschalen zu verhindern. aber wo der sozialarbeiter am ausschank arbeitet, um akzeptiert zu werden, undd der staat das geld für die böller stellt, kann man natürlich nicht jemanden bestrafen, nur weil er vielleicht jemand anderen zusammengeschlagen hat. das ist doch nur folklore, ein teil der ultrakultur, und wir sollten uns dran erfreuen

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  5. "Die Einsetzung eines Strafrichters als Stadionverbots-Beauftragter wirkt wie eine Provokation", sagte Gregor Voehse, stellvertretender Sprecher des Regionalverbundes der Fansozialarbeter - jetzt weiß ich endlich, warum ich mich von der einsetzung von gerichten durch den staat seit jahren schon so provoziert fühle, straftaten zu begehen.

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  6. Solange die Macht des Vorurteils sich hier so spreizend und aufreizend dumm entfalten kann, fällt der Unterschied zu den Hooligan-Ultras eher gering aus.

    Offenbar haben ppq und seine Freundin Panzerbrummsel nicht die geringste Ahnung davon, wie Sozialarbeit abläuft. Aber:

    Hauptsache immer feste druff!

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  7. ppq? wenn dich dieses ost-hool-gesabbel so stört, wieso kommentierst du es dann hier? mach dich weg und seh zu das du andere themen mit deiner meinung belästigst!

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  8. immerhin, john: es funktioniert ja eben nicht. wird man das noch sagen dürfen?

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