So geht das natürlich gar nicht. Sat1, ruhmsüchtig und bereit, das Sommerloch zu füllen, will eine so genannte Doku namens “Gnadenlos gerecht – Sozialfahnder ermitteln“ senden, die unter Verzicht auf Dieter Bohlen und die üblichen Jury-Statisten auf die Suche nach Deutschlands Super-Sozialbetrüger geht. Das Erwerbslosenforum Deutschland, in Bonn beheimatete letzte Nachhut der machtvollen Hartz-4-Proteste von einst, ist empört. An Hand von Beispielen die Arbeit von Sozialermittlern darstellen? Auch noch im Landkreis Offenbach?
Da haben die Erwerbslosenschützer, auf deren Internetseite wahrscheinlich zur Finanzierung der guten Sache gleich zwei Links zur Erotikbörse Lablue gelegt sind, doch sofort "Sorge, dass durch Ihre geplante Doku ein ähnlicher Effekt wie im Herbst 2005 eintritt". Damals hatte das ZDF unverantwortlicherweise eine ähnliche Sendung ausgestrahlt und "eine Missbrauchsdebatte von Zaum gebrochen", in deren Folge "Erwerbslose pauschal mit dem Vorwurf des Missbrauchs konfrontiert" wurden, wie Forumsssprecher Martin Behrsing in einem "Offenen Brief" schreibt.
Um das zu vermeiden, fordern die Erwerbslosenschützer vom Privatsender eine Art Warnhinweis vor jeder Sendung: "Wir erwarten von Ihnen, dass zu jeder Sendung deutlich gemacht wird, dass Einzelfälle gezeigt werden und man damit keineswegs auch nur irgendeinen Rückschluss auf arbeitslose Menschen ziehen kann".
Nach dem Vorbild der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln könnten in einem nächsten Schritt dann generell Distanzierungshinweise TV-Pflicht werden: Der "Tatort" zum Thema Ehrenmorde könnte klarstellen, dass Morde auch in anderen Kulturkreisen üblich sind, die Olympiaberichterstattung könnte sich pauschal bei allen Dickleibigen dafür entschuldigen, dass Menschen, die 100 Meter in zehn Sekunden laufen, natürlich weniger normal sind als ein fetter Wanst, und die unübersehbare Dummheit der Hauptdarsteller in den derzeit beliebten Auswandererdokus könnte von einem Laufband mit dem Satz "Wir weinen ihnen keine Träne nach" (Erich Honecker) begleitet werden.
Dennoch müsse Sat.1 für den Fall, dass die neue Doku trotzdem die beabsichtigte Missbrauchsdebatte auslöst, noch weitergehend aktiv werden, da lassen Deutschlands Erwerbslose gar nicht mit sich handeln. Der Sender müsse eine solche Debatte "auf das schärfste" verurteilen, fordert Martin Behrsing. Zudem solle Sat.1 einfach mal behaupten, dass es nicht in der Absicht des Senders gelegen habe, einen solchen Wirbel zu machen. "Wir erwarten von Ihnen als Programmchef, dass sich Ihr Sender schützend vor arbeitslose Menschen stellt und seine besondere Verpflichtung gegenüber benachteiligten Menschen wahrnimmt", stellt der "Pressesprecher" der Arbeitslosen Deutschland mit der Souveränität eines Menschen klar, der weiß, dass er für Millionen nachmittägliche Talkshowgucker, für Fans von "Sturm der Liebe" und "Richter Holt" spricht.
Das wird Sat.1 nun nicht umstimmen. Aber hätte der Sender vor der Premiere von "Gandenlos gerecht" einen Wunsch frei gehabt - diesen Brief hätte er sich gewünscht.
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