Sonntag, 31. August 2008

Es war nicht alles schlecht

Nachdem sich herausgestellt hat, dass 99,9 Prozent der deutschen Schüler nicht wissen, wer Sabine Bergmann-Pohl war, als es die DDR noch gab, und zugleich bekanntwurde, dass 99,9 Prozent der Erwachsenen keine Ahnung haben, was Sabine Bergmann-Pohl heute tut, hat sich die Betroffene selbst zu Wort gemeldet. Angesichts großer Wissenslücken über die DDR, deren letztes Staatsoberhaupt Bergmann-Pohl seinerzeit darzustellen versucht hatte, sollte ihrer Meinung nach «grundsätzlich mehr Geschichte über das geteilte und das vereinte Deutschland auf den Stundenplan» gesetzt werden. Neben einer Stunde zum Thema Bergmann-Pohl wäre dann auch endlich Zeit, darüber zu reden, dass nicht alles schlecht war im Reich des Bösen: In Namibia etwa tragen Frauen heute noch gern putzige selbstgenähte Mützen aus dem robusten NVA-Tarnstoff, in den gehüllt die Osttrupope mit klappernden Alubeschlägen an Teil1 und Teil2 jeden Krieg gewonnen hätte. Vorausgesetzt, er wäre am Wochenende ausgetragen worden. In China hingegen, einer der wenigen verbliebenen stolzen Volksrepubliken, läuft der DDR-Laster W50 bis heute, als sei die DDR nie untergegangen. Reparaturbedarf? Dieses Modell ist nachhaltig. Beispiele für den Lehrplan, Frau Bergmann-Pohl!

Gegenbeweis

die schwitzende und stoppelbärtige geißel der menschheit, von der gewohntermaßen alkoholisierten nachrichtenagentur dpa als "amerikanischer us-dokumentarfilmer" und "streitbarer liberaler" vorgestellt, michael moore also, hat "mit Hinweis auf den zeitlichen Zusammenhang des Tropensturms Gustav mit dem Nominierungsparteitag der Republikaner erklärt, der Hurrikan sei «ein Beweis, dass es einen Gott im Himmel gibt»". dass michael moore noch nicht vom blitz getroffen wurde, ist definitiv der gegenbeweis.

Ein Fest für Feinschmecker

Es ist das Jahrestreffen der Kleiner-Feigling-Trinker, ein Kulturereignis erstes Ranges für Feinschmecker, die auf über nachgestellte Variationen von "Jugendliebe" und "Country Roads" abfahren. Endlose Mengen von Einheimischen und Fremden trampeln beim traditionsreichen "Laternenfest" in Halle über Weg und Wiese, immer auf der Suche nach dem Grund, der das Dabeisein rechtfertigt. Ist es der Soulbarde Edo Zanki, der im nur knapp nicht bauchfreien Dress Lieder heult, die treffenderweise "Wir wissen nicht, was wir tuhuhuhen" heißen? Oder ist es die große Rutsche, an der eine Schlange steht, als sei Rutschen der neue, geile Nachfolger des iPhone? Ist es der peruanische Indianer vom Stamme der Blockflöten, der sich des größeren Zuschauerinteresses wegen neuerdings in eine Häuptlingsunifor der Sioux hüllt? Oder die James-Brown-Celebration-Show, die abrockt wie ein Toter eben gerade noch so abrocken kann?

Wer es nicht erlebt hat, würde es nicht glauben. Dank Bier und Wein und kleinen Schnäpsen ist die Stimmung schon vor dem großen Klimaschutz-Feuerwerk angemessen gelockert. Es sind vor allem Leute zwischen 14 und 35, die zwischen Pulloverständen und Bratwurstbuden umherbranden, als gäbe es auf irgendeiner Bühner etwas zu verpassen. Dort aber gibt sich in der 80. Auflage des größten Volksfestes in Mitteldeutschland nur der Bodensatz der deutschen Popkultur ein Stelldichein: Namenlose Bands, die mit dem Publikum, das gemütlich auf weitläufigen Biertisch-Ensembles hockt, traumverloren Schlager-Dutzendware exekutieren. Die Haare der Musiker sind grau, die Zöpfe schütter, die Sängerin hat sich zur Feier des Tages in ein erotisch äußerst offensives Dominakostüm gezwängt. Da schunkelt die Gemeinde hemmungslos im Takt, während nebenan bei den Bundeswehr-Reservisten im Gedenken an die Opfer des jüngsten "Zwischenfalls" (dpa) in Kabul ein neues Fäßchen mit Gerstensaft angesteckt wird.

Hier versteht man es zu feiern. Dabei gilt die Devise: Je niedriger das Niveau, desto weniger tief kann man fallen. Letztes Jahr verzaubert Ireen Sheer, ja die Ireen Sheer, noch die Massen, dazu sang ein Maffay-Double ohne Warze und eine tschechische Blaskapelle trötete in einem Zelt. Diesmal bestreitet ein selbsternannter Diskjockey, angestellt von einem örtlichen Radiosender, mit dem poetischen Satz "Check this out" seinen gesamten Auftritt, auf dem Discofloor nebenan knarzt Herbert Grönemeyer derweil aus der Konserve "Männer" und der Boden bebt vor Begeisterung. Viel braucht es nicht zum Glücklichsein, denn im Mittelalterdorf gibt es Flammkuchen und wir nehmen mal noch zehn Feigling für unsere große Fläschchenpyramide. Die Reservisten spielen "Sweet Home Alabama" und auf der Saale fährt gerade ein Schiff vorbei, von dem eine Opernmelodie ans Ufer flattert. Ein Fest eben für Feinschmecker.

Vorboten der Apokalypse

Seit Jahren schon warnen grundsolide Politiker wie Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht, Organisationen wie Food Watch und Greenpeace rütteln die Menschen auf und internationale Dachgesellschaften für Menschenrechte wie die Uno, das Klima-Council oder der WWF beschwören den nahen Weltuntergang durch Überbevölkerung, steigende Temperaturen, schmutziges Wasser, schmnelzende Gletscher, teures Öl und Kinderarbeit.

Doch wie nahe der Tag des Jüngsten Gerichtes gerückt ist und wie dringend notwendig es ist, sich vorzubereiten auf die kommende Apokalypse, wissen außerhelb der Gemeinde der Adventisten des Siebenten Tages nur wenige: Ein Apotheker in Halle etwa, der die vorübereilende Laufkundschaft nicht im Unklaren lässt über das, was da groß und böse auf uns zukommt. "Jetzt bevorraten!", empfiehlt er dringend, "Hörgerätebatterien!". Der Gedanke allein, was das für eine Zukunft sein mag, in der jeder seinen eigenen Vorrat an Hörgerätebatterien hat, macht mehr Angst als jede Atomdiskussion, jeder Kaukasuskonflikt und jeder Zwischenfall an Bundeswehr-Straßensperren am Hindukusch.

Samstag, 30. August 2008

Heimspiel für Magic Marcel

marcel. der "big brother 8" gewinner... der herzen. ein arbeitsloser koch aus koethen, der einer blonden, bloeden bayerin den vortritt lassen musste, weil die titten zum in die kamera halten hatte. das ganz grosse geld ist es fuer marcel "schiefel" schiefelbein dann also nich geworden, aber das macht nichts. in koethen und umgebung, in scheuder, goerzig bis hoch nach diesdorf ist schiefel jetzt ein lokaler star (in der astronomie wuerde man von einem weissen zwergsprechen), ein bunter hund, ein hans dampf. er schreibt autogramme in autohaeusern, amuesiert rewe-kunden mit "live talk" beim wochenendeinkauf, gibt augenzwinkernd den einkaufsberater im "crazy solarium", werbetraegt einen zitronengelben kapuzenpollunder fuer die prall prollige "fighting league", verkauft seine im faehrnsaehn getragenen baseball huete auf ebay an prosperierende proleten und wird ein ums andere mal von den lokalen anzeigenblaettern zum interview gebeten. aus dem letzten hintergrundgespraech wissen wir, dass dem mann, dem ein kanadischer gast vor kurzem das aussehen eines, so
woertlich, "fuckin faggot" attestiert hatte, nacktfotos von interessierten damen bekommt, manchmal spontan mit seinen freunden an kreuzungen aus dem auto steigt um "breakdance und so'n scheiss" zu machen, und dass seine erste single im "ballermann-stil" heute abend "weltpraemiere" auf dem koethener marktplatz feiern durfte. aber um marcel geht es hier gar nicht. sondern um seine fans. die kamen nuechtern oder nicht, mit mut zum risiko bei der wahl der gewaender, mit sechs kindern oder sieben--eine illustre gesellschaft besu-, aeh, -siedelte heute bereits am vormittag zu hundertschaften
die koethener ortsmitte. die wunderbaren fotos, die dabei spontan
entstanden sind, wollte ich teilen. ihrer ungewoehnlichen dichte wegen zogen sie heute als eine parade der freaks an mir vorbei. man muss dabei gewesen sein, aber hier eine kleine auswahl.

Ins Gehirn gekackt

wer bisher gedacht hatte, nina hagen sei eine zwar durchgeknallte, aber doch irgendwie liebenswerte esoterikerin, die mit großem mund und lustiger tanzmusik viel von dem intellektuellen dünnpfiff wieder wettmachen kann, den sie täglich in die welt zu scheißen beliebt, wenn sie nicht gerade von aliens entführt wurde oder in einer talkshow alle anderen diskussionsteilnehmer niederkreischt - wer das also bisher gedacht hatte: der hat frau hagen nicht gesehen, wie sie gegen angeblich im deutschen büchel (eifel) stationierte amerikanische atomwaffen protestiert.



Gorillas an den Kragen

Nach dem Aussterbealarm bei den Esbären geht es jetzt auch immer mehr Gorillas an den Kragen. Im Kongo wurden plötzlich und unerwartet 120.000 bisher unbekannte Angehörige der Art Gorilla Gorilla Gorilla entdeckt. Damit hat sich die Zahl der vom Aussterben bedrohten Angehörigen dieser Primatenart schlagartig verdoppelt.

Drama im Dämmerlicht

Guinnessbuch-Rekorde stellen sie hier eher mal so nebenbei auf. Freitagabend, 18 Uhr, Kurt-Wabbel-Stadion in Halle: die Geschichte des Fußballs muss von hier an neu geschrieben werden. Denn unten auf dem Rasen läuft Einmaliges, Unwiederholbares: Das erste Flutlichtspiel der Welt, das wegen der funktionsuntüchtigen Lichtanlage im halleschen Stadion ganz ohne Flutlichtbeleuchtung vonstatten geht.

Anfangs ist es aber noch hell, die Sonne scheint auf die Gegentribüne, die nach einer Anweisung des städtischen Stadioneigners, der damit auf Ausschreitungen hallescher Fans im Pokalspiel gegen Hannover 96 reagiert, leer bleiben muss, um eine Pufferzone zur Gästekurve zu schaffen. Da der Gast des Halleschen FC heute SV Wilhelmshaven heißt, bleibt nicht nur die Pufferzone leer, sondern auch die Gästekurve. Die Sicherheit ist dennoch gewährleistet - Ordner in Signalwesten haben sich drohend aufgebaut, die gähnend leeren Ränge zu bewachen.

Vom Anpfiff an versucht die Elf des Gastgebers vor den auf den Rest des weiten Rund verteilten 2300 Fans, darunter sechs aus Wilhelmshaven, so zu spielen, wie es einer bislang ungeschlagenen Regionalligamannschaft zukommt. Das Problem dabei ist nur: Die Hebestreit, Neubert, Kanitz und Co. können eigentlich nicht so spielen. Ein durchschnittlicher HFC-Angriff sieht deshalb so aus: Der Ball durchquert die Abwehr von rechts nach links, liegt dann bei Ersatz-Innenverteidiger Christian Kamalla, der, zweifellos der Mann mit der meisten Angst vor einem Fehler, schlägt ihn kompromisslos nach vorn. Dort wartet Thomas Neubert, der nicht nur Tore machen, sondern auch als Anspielstation Bälle weiterverteilen soll. Aber trotz seiner 1,92 ist Neubert kein Kopfballungeheuer. Weshalb er kaum einen hohen Ball auch nur mit der Stirn berührt.

Chancen Mangelware, sogar die Ecken hat Wilhelmshaven. Not gegen Elend, und bedürfte es dafür noch eines Beweises: Zur Halbzeit hat Christian Kamalla, vor einem halben Jahr durch die Verletzung des regulären Mannschaftskapitäns Bergner auf einen Stammplatz gerutscht, die meisten Ballberührungen.

Der beste Mann auf dem Platz ist bis dahin Philip Schubert, neueingekaufter Verteidiger mit Zug nach vorn. Stinksauerster Nichtspieler Ex-Stammrechtsaußen Maik Kunze, der dem Neuling Pawel David Platz machen musste. Rätselhafterweise wird Kunze in der 60. Minute zur Bank gerufen, um eingewechselt zu werden. Wird er aber dann doch nicht - stattdessen verbringt er den Rest des Spieles im Kabinentunnel.

Von dort sieht er, dass nicht viel geht bei der Heimelf, die im Grunde genommen nur ein Mittel kennt, nach vorn zu kommen: Langer Diagonalschlag aus der Abwehr auf den links losspurtenden Nico Kanitz, in der vergangenen Saison HFC-Torschützenkönig und darob gleich zum neuen Kapitän befördert. In diesem Jahr klemmt es beim "Dicken": Die Bälle springen weg, die Füße stolpern kurz vor dem Tor.

So wird es nichts, aber das ist nicht genug gegen eine Wilhelmshavener Mannschaft, von der ein Kenner auf der Tribüne milde sagt, "auch goldene Dresse machen aus einem Esel kein Rennpferd". Die Fankurve, von der Stadt mit einem Verbot zur Verbreitung von Parolen, einem Verbot zur Aufhängung von Fahnen und einem Verbot zur Verdeckung von Werbebanden belegt, schweigt fein still dazu. Auch die Wilhelmshavener Fans, die direkt neben den halleschen stehen, sind ganz ruhig. Der vom DFB eigens nach Halle geschickte Sicherheitsbeauftrage, ein Mann namens Bernd Stumpf, kommt vorbei, und fragt, wie es denn so geht?

Prima, abgesehen davon, dass der Name Stumpf allen DDR-Oberligakennern Lustiges in Erinnerung ruft: Als Schiedsrichter pfiff Stumpf im März 1986 die Partie zwischen Lok Leipzig und dem BFC, die als schlimmstes Schieber-Spiel der sozialistischen Fußball-Ära in die Geschichte einging. Stumpf, als IM Peter Richter bei der Stasi im Wort, zeigte damals erst Leipzigs Spielmacher Matthias Liebers eine unberechtigte Rote Karte, dann ließ er bis zur 95. Minute spielen, um dem Berliner Bernd Schulz die Chance zu geben, im Leipziger Strafraum erschöpft zu Boden zu sinken. Der Elfmeter reichte dem BFC noch zum 1:1-Ausgleich durch Frank Pastor, einen HFC-Spieler, den Stasichef Mielke selbst nach Berlin befohlen hatte.

Stumpfs Pfiff löste 1986 die größten Fußballkrawalle der DDR aus. "Nach dem Spiel versuchten aufgebrachte Zuschauer, das Spielfeld zu stürmen und den Schiedsrichter anzugreifen. Negative Elemente wollten die Situation ausnutzen, um Unruhe zu stiften und die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu beeinflussen", notierte die Stasi. Wegen anhaltender Diskussionen in den Arbeitskollektiven war sogar die Planerfüllung in Gefahr.

Ein Beweis der integrativen Kraft der Marktwirtschaft, dass der frühere Stasi-Schiri, der einst den Volkszorn schürte, 22 Jahre später für Sicherheit auf den Rängen sorgt.

Unten sind es noch zehn Minuten bis Buffalo, der Himmel hängt tief, nur noch ein trüber Dämmer liegt über der früheren "Mitteldeutschen Kampfbahn", die heute Abend alles sieht, aber keinen Kampf. Das Remis ist schon gebucht, als ein langer Ball auf der linken Abwehrseite der Hallenser irgendwie noch am Fuß von Marcus Storey klebt, nachdem schon alle Abwehrspieler der Hallenser respektvoll den Weg frei gemacht haben. Was macht der kleine Flitzer da? Genau, ins Tor schießen.

Ein Drama im Dämmerlicht. Entsetzen im Rund, plötzlich sind die Fans zu hören und die Spieler laufen nach jedem Ball. Sechs Minuten reichen so, um den verdienten, aber keineswegs mehr zu erwartenden Ausgleich zu erzielen: Nico Kanitz stolpert diesmal nicht, er lässt den Ball nicht ins Aus prallen und zerschießt nicht die Anzeigetafel. 89. Minute, 1:1. Wer so ein Spiel nicht gewinnt, ist keine Spitzenmannschaft. Aber wer so ein Spiel nicht verliert, kann eine werden.

Freitag, 29. August 2008

Endlich mal Klartext

Wenn möchten, Süd Ossetien und Abchasien, nicht ein Teil von Georgia sein, dann das ihr Geschäft ist.
Wenn die Russen innen treten, um die georgians zu stoppen, die schälen und Zivilisten bombardierend, dann offensichtlich tun sie die rechte Sache.
Georgia ist nichts, das etc… nach Darfur, den Irak, Afghanistan, Zimbabwe verglichen wird Wann gehen die georgischen Lehren nach Den Haag für die schälenden und bombardierenzivilisten? Wann gehen die sudanischen Lehren nach Den Haag für usw. schälen und bombardierenzivilisten, Genozid etc…?
Wann sind der ehemalige Präsident von Zimbabwe und sein Kumpel gehen nach Den Haag?
(BBC usw. - wenn jemand von Ihnen stiehlt, fangen Sie nicht an, auf sie dich zu beziehen, während der Inhaber Ihres Eigentums Sie tun? mugabe war der etwas gesetzmäßige Präsident bis die ungültige Wahl und ist jetzt nicht. )

Das Gleiche ist nicht dasselbe

Die Formulierung lässt an Eindeutigkeit nichts vermissen. "Drei Zivilisten sterben an deutscher Straßensperre" schreibt die um die Wahrheit bemühte Süddeutsche Zeitung zum "Vorfall" (Welt), der in der FAZ ein "Zwischenfall" ist, bei dem "eine Frau und zwei Kinder getötet" und vier weitere Kinder seien verletzt wurden. Sind die Betroffenen an der Straßensperre vor Hitze zusammengebrochen, weil sie ein schwaches Herz hatten oder starben sie vielleicht den schnellen Kindstod? Nein, im Kleingedruckten steht dann doch noch, dass "Soldaten der Bundeswehr und afghanische Sicherheitskräfte auf das Fahrzeug geschossen" haben, in dem sich die Kindergruppe offenbar der Straßensperre näherte. Auf das Fahrzeug, klar. Nicht auf die Insassen. Denn wer würde das?

Amerikaner natürlich. NUr waren die diesmal nicht da, sondern nur afghanische Polizei und deutsche Isaf-Soldaten, die "eindeutige Zeichen" gaben. Dennoch hätten die beiden Fahrzeuge nicht gestoppt, sondern ihre Fahrt fortgesetzt, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Sind sie also selber schuld, oder? Daraufhin hätten die Sicherheitskräfte das Feuer eröffnet. Verschwurbelt und verklausuliert heißt "Drei Zivilisten sterben an deutscher Straßensperre" also: Wäre die Straßensperre von US-Soldaten besetzt gewesen, hätten wir geschrieben "US-Soldaten erschießen zwei Kinder und eine Frau".

Die Aufklärung des Falles, so schwurbelt die einzig amtliche deutsche Nachrichtenagentur weiter staatstragend, werde "zusätzlich erschwert dadurch, dass die geschulten Ermittler, die für solche Fälle in Kundus zuständig sind, in den vergangenen Tagen praktisch rund um die Uhr mit der Untersuchung des Angriffs vom Mittwoch beschäftigt waren, als durch eine Sprengfalle ein deutscher Fallschirmjäger getötet und drei verwundet worden waren." Heißt im Klartext: Ehe nicht der Bundestag den Einsatz verlängert hat, hören wir von der Aufklärung so viel wie von Angela Merkels Versprechen aus dem letzten NOvember, Deutschland werde sich noch stärker als bisher schon beim Aufbau der afghanischen Polizei engagieren: Damals hatte Merkel bei einem medial großartig erfolgreichen Besuch in Spllitterweste und Tarngrün eine Aufstockung der deutschen Abordnung von 45 auf 60 Ausbilder versprochen. Derzeit sind die Deutschen mit 30 Polizisten und sechs zivilen Experten vor Ort vertreten - das sind statt 15 Leute mehr neun weniger.

Immer weniger Arme arm

Auch wenn in Deutschland die "Kluft zwischen arm und reich" (Sigmar Gabriel) "beständig wächst" (Horst Seehofer) - insgesamt wird die Welt immer reicher und immer weniger Arme sind arm. Nach einer Statistik der Weltbank, die den Anteil der in Armut lebenden Menschen in den Entwicklungsländern im Jahr 1981 mit dem Stand im Jahr 2005 verglichen hat, waren vor 24 Jahren 52 Prozent aller Einwohner von Entwicklungsländern arm. 2005 hatte sich dieser Anteil auf 26 Prozent halbiert. Besonders stark ging die Armut in Ostasien zurück - von 60 Prozent auf nur noch 18. In Südasien sank der Artmenanteil an der Bevölkerung von 60 Prozent auf 40, im südlichen Afrika hingegen blieb sie mit 50 Prozent gleich.

Die Prozentangaben spiegeln dabei nicht die im letzten Vierteljahrhundert gestiegenen Bevölkerungszahlen wider. 1981 betrug der Anteil der Armen 52 Prozent an der Bevölkerung in den Entwicklungsländern, das waren 1,9 Milliarden Menschen. 2005 beträgt der Anteil 26 Prozent, in absoluten Zahlen sind das nur noch 1,4 Milliarden Menschen.

Merkel statt Madonna

Nicht Amy Winehouse, nicht Kate Moss, nicht Carla Bruni, Paris Hilton oder Andrea Ypsilanti ist die mächtigste Frau der Welt, sondern doch Angela Merkel, die Dame mit der Vorliebe für bonbonfarbene Pokemonjäckchen. Die US-Zeitschrift «Forbes», berühmt geworden durch regelmäßig veröffentliche Liste wie "die reichsten Russen", "die reichsten überhaupt" oder "die reichsten Royals" führt die ostdeutsche Physikerin zum dritten Mal in Folge auf Platz eins, direkt vor einer Frau die Sheila Blair heißt und Vorsitzende der US-Einlagensicherungsbehörde FDIC ist. Nummer drei sei Pepsi-Chefin Indra Nooyi.

US-Außenministerin Condoleezza Rice rutschte nach Angaben der zuverlässig bewusstlosen Agentur dap "wegen diplomatischer Rückschläge in Pakistan, Russland und dem Nahen Osten im Vergleich zum Vorjahr um drei Stellen auf den siebten Rang ab". Gar nicht genannt werden Michelle Obama, "Emma"-Herausgeberin Alice Schwarzer oder die Gewerkschafterin Ursula Engelen-Kefer, außerdem fehlen Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen, Ursula von der Leyen, Gina-Lisa und Margot Honecker.

Donnerstag, 28. August 2008

Zwillinge, bei der Geburt getrennt

der deutsche schauspieler christian berkel ist vor allem durch seine liaison mit der deutschen schauspielerin andrea swatzki bekannt. sein mitwirken in filmen wie "der untergang" und "walküre" bescherte ihm in den vergangenen jahren einen popularitätsschub über das deutsche fernsehen hinaus. das hat er verdienst - denn er ist gut. die "welt" ernannte ihn erst kürzlich zu einem der besten darsteller deutschlands. warum er darüber hinaus seit einiger zeit als bernd wiegand, innendezernent von halle auftritt, muss jedoch ein rätsel bleiben. ist es die lust am, entschuldigung für den kalauer, untergang? will er sich warm spielen für weitere rollen als deutscher wehrmachtsoffizier? ist er gar in geheimer mission unterwegs, um dem hfc von hinten in die beine zu grätschen? oder reizt ihn die rolle als law & order-mann in der provinz doch so sehr, dass er angebote aus amerika deswegen ablehnt. man weiß es nicht und wird es nie erfahren.

Mittwoch, 27. August 2008

Telepathie

sagt john travolta zu madeleine stowe in einer szene des films "die tochter des generals", als sie ihn - sie sind arbeitskollegen - auf die gemeinsame beziehungsvergangenheit anspricht, in der er, travolta, doch hätte anders reagieren können, ja müssen, weil sie, stowe, ihm damals zeichen gegeben habe, sie wolle die trennung gar nicht so ernsthaft und hoffe auf eine reaktion, die ungefähr besage: "bleib doch bei mir" - sagt also travolta: "du sprichst von telepathie, nicht von kommunikation." musste ich lachen.

ARD: Werben für Wetten

Manchmal hat Gesetzesbruch auch Methode. Wenn die Champions League übertragen werden muss, dann fragt auch die ARD nicht mehr danach,w as hierzulande erlaubt und was verboten ist: Während überall im Lande kleine Buchmacher wie Schwerverbrecher vor Gericht gezerrt werden, um sie daran zu hindern, arglose Familienväter mit kreuzgefährlichen Sportwetten in den Ruin zu treiben, nutzt das Erste Deutsche Fernsehen seine üppigen Einnahmen aus Rundfunkgebühren, verbotene Wettwerbung in alle Wohnzimmer zu verklappen.

Natürlich wissen sie alle,dass das nach dem neuen Glücksspiel-Staatsvertrag eigentlich verboten ist. So verboten, dass jeder Staatsanwalt, der vor dem Fernsehschirm sitzt, von Amts wegen sofort Ermittlungen aufnehmen müsste. Zumal diesmal, im Unterschied zu früheren Übertragungen, bei denen sich die ARD darauf herausredete, leider das Signal des Gastgeberlandes übertragen zu müssen, offensichtlich die ARD selbst über ihre Marketing-Agentur die bwin-Werbung eingekauft hatte: Neben dem hierzulande nach Ansicht der Landesregierungen verbotenen Glücksspielanbieter warben auf den Banden eher Spanien-untypische Anbieter wie die Norddeutsche Klassenlotterie, Krombacher-Bier und Gazprom.

Aber andererseits ist das scheißegal, weil "Acker" und "Steini" und all die anderen wackeren Wettspielbekämpfer schließlich alle mal Fußball gespielt haben. Wette, die werden sich nicht beschweren. Nein, auch nach der Dauerwerbeshow für bwin nicht, die die ARD unter dem Decknamen "Madrid : Schalke" ausstrahlte.

GEZ-Gebühren für Google

Weil bei der ARD nur noch ältere Leute zuschauen, will SWR-Chef Peter Boudgoust dem zur Suchmaschine Google gehörenden Videoportal Youtube mit GEZ-Geldern auf die Beine helfen. Mit "Reformen bei der ARD" wolle das Öffentlich-rechtliche Fernsehen "schneller auf rasante Medienentwicklungen reagieren". In den "Stuttgarter Nachrichten" ließ der künftige Vorsitzende der ARD wissen, dass vor zwei, drei Jahren kein Mensch erwartet hätte, "dass dieses Portal Youtube eine so große Anziehungskraft entwickelt. Jetzt müssen wir schnell entscheiden, ob wir dort vertreten sein wollen, und wenn Ja, unter welchen Bedingungen das geschehen soll."

Boudgoust ist entschieden dafür, neben den zig dritten Programm und einer unüberschaubaren Anzahl von Digitalkanälen jetzt auch noch Geld für ein "Engagement der ARD in diesem Bereich" auszugeben. "Junge Menschen nutzen dieses Angebot und sind begeistert. Wenn wir also jüngere Leute erreichen wollen, müssen wir auf diesen Plattformen vertreten sein."

Unverhofft kommt oft

In einer Welt, die immer unübersichtlicher wird, ist es besonders wichtig, dass Leitmedien den Menschen Hilfe und Orientierung geben. Je ferner der Schauplatz von Weltereignissen, desto entscheidender werden Einordnung und Wichtung durch ausgewiesene Experten.

Wie im Fall des Bundeswehrsoldaten, der bei der verteidigung der Heimat am Hindukusch einem Anschlag zum Opfer fiel. Sicher haben viele Deutsche wahlweise auf die Uiguren, auf singalesische Splittergruppen, Reste der RAF, Stasimeuchelmörder und rechtsradikale US-Amerikaner als Täter getippt - und damit falsch gelegen. "Die radikalislamischen Taliban" nämlich, so tickert das "Spiegel"-Büro in Islamabad siedend heiß durch die Drähte, habe sich "zu dem Anschlag bekannt."

Das ist ja nun ein Ding! Unverhofft kommt oft! Deshalb geht die Menldung auch noch weiter: Die Taliban drohten gegenüber dem "Spiegel" exklusiv "mit neuen blutigen Anschlägen". Womöglich ist demnächst schonwieder Zeit für die alljährliche Ankündigung der Herbstoffensive?

Von China lernen heißt siegen lernen

Von China lernen heißt siegen lernen, findet Jörg Zierke. Der Chef des Bundeskriminalamtes hat sich bei der Vorstellung des Lagebilds zur organisierten Kriminalität 2007 dafür ausgesprochen, Internetprovider gesetzlich zur Sperrung von Internetangeboten zu verpflichten. Betroffen sein sollen nicht nur Seiten mit Kinderpornographie, sondern auch solche "fremdenfeindlichen Inhalten". Wobei Zierke nicht weiter darauf einging, wie dieser Begriff definiert wird, ob Internetprovider künftig entscheiden sollen, was Meinungsfreiheit und was Kriminalität ist oder ob das BKA eine eigene ac-hoc-Kommission zu gründen gedenkt, die als höchste Instanz über die Vernichtung der Grundrechte wacht.

Entgegen eines Gutachtens, das die der Unterstützung von Fremdenfeinden und Kinderpornographen unverdächtige Kommission für Jugendmedienschutz vorgelegt hat, plädiert das Bundeskriminalamt für die chinesische Lösung. In dem Gutachten hatte es geheißen, Sperrverfügungen für Inhalte im Internet "greifen in erheblichem Umfang in die Meinungsfreiheit der Inhaltsanbieter, die Informationsfreiheit der Nutzer sowie die Berufsfreiheit der Internetprovider ein." Wegen der Grundrechtseingriffe und der möglichen Beeinträchtigung der technischen Funktion des Netzes müssten "schwierige rechtliche Abwägungen und Verhältnismäßigkeitsprüfungen im Einzelfall" den Maßnahmen immer vorangehen. Technische Sperrmaßnahmen, die ins Fernmeldegeheimnis eingreifen, seien rechtlich nicht gedeckt. Sperrungen von IP-Adressen oder URLs würden daher eine Änderung des geltenden Rechts erfordern.

Der BKA-Chef deutet das als Hinweis darauf, dass Gesetze eben so geändert werden müssen, dass Grundrechte im Einklang mit den Grundrechten ausgehebelt werden können. Als Beispiel nannte er skandinavische Länder, Italien, die Schweiz, Neuseeland, Großbritannien, Südkorea, Kanada und Taiwan, in denen bereits entsprechende Blockademaßnahmen durchgeführt würden: "In Norwegen werden durch Access-Blocking täglich etwa 15.000 Zugriffsversuche abgewehrt." In Italien müssten Internetanbieter bekannt gewordene Fälle melden und Instrumente zum Filtern und Sperren auf Basis einer Negativliste bereithalten. Wer innerhalb von sechs Stunden die darauf geführten Internetadressen nicht blockiere, riskiere Geldbußen bis zu 250.000 Euro.

In welchem der betreffenden Länder nicht nur Kinderpornografie, sondern auch der eher diffuse Bereich der Fremdenfeinlichkeit global geblockt wird, sagte Zierke nicht.

Wirtschaftswetter vom Wolkenkratzer

Wächst sie noch oder schrumpft sie schon? Ist das noch Aufschwung oder schon Rezession? Die Wirtschaftsforscher stochern im Nebel, die Wirtschaftsweisen passen ihre Voraussagen jeweils an das letzte "Spiegel"-Titelbild an. Vor knapp zehn Jahren versuchte der Ökonom Andrew Lawrence einen Indikator zu finden, der genauer misst als Football-Endspiel-Vorhersagen, Präsidentschaftswahl-Zyklen oder Minirock-Indikator: Der Wolkenkratzer-Index beweist angeblich, dass der Bau der größten Gebäude mit Konjunkturschwankungen korreliert.

Je höher die höchsten Gebäude, desto näher der nächste große wirtschaftlicher Abschwung. Die Geschichte zeigt, dass das mehr als eine nette Idee ist. Der Wolkenkratzerindex zeigte - zumindest im Nachhinein - die Wirtschaftskrise des Jahres 1907 an, die fast zeitgleich mit dem Bau des „Singer Building“, und dem Bau des „Metropolitan Life Building“ begann. Die Fertigstellung von Häusern wie dem „Chrysler Building“ und dem „Empire State Building“ war dann Vorbote der großen Depression.

Das ist ja auch naheliegend. Im Aufschwung sitzt das Geld locker, die Wirtschaft boomt und es ist leicht, Investoren zu finden, gerade für große, in den Himmer ragende Projekte. In dieser Phase werden dann die Rekordgebäude begonnen, deren Bau allerdings eine Weile dauert. Das dumme am Wolkenkratzerindex ist, dass auch er manchmal stimmt, aber nicht immer. Nach dem Bau des „Woolworth Building“ im Jahr 1913 kam kein Crash. Japan, das seit dem Jahr 1990 unter einer Rezession leidet, baute vorher keine außergewöhnlich hohen Wolkenkratzer. Die fehlten auch vor dem Platzen der Dotcom-Blase.

So weiß man nicht genau, was es bedeutet, dass in Dubai steht dieser Tage das höchste Haus der Welt vor der Vollendung steht. Ehe aber CSU und SPD eine Höhenbeschränkung für Hochhäuser in deutschland fordern, um die nächste Wirtschaftskrise vorbeugend zu verhindern:: Die Höhe des Burj Dubai könnte in vier Jahren schon von einem Neubau in Shanghai übertroffen werden - ob der dann immer noch denselben Abschwung ankündigt oder schon den nächsten, ist fraglich. In letzterem Fall aber käme zwischendurch ein Aufschwung, der dann quasi heute schon vom Burj Dubai angekündigt worden wäre - der Wolkenkratzerindikator hätte dann genau andersherum funktioniert.

Dienstag, 26. August 2008

Dicke Backen in Bagdad

Hier ist sie 13, dort 15, woanders 17 und bei den stets vorsichtigen Auslandskorrespondenten der Nah-Ost-Senders MDR einfach nur "eine junge Frau". "Bild" nennt sie "das Mädchen Rania" und teilt mit, dass sie sterben wollte. Oder sollte. So genau weiß man auch das nicht. Beruhigend sind die Bilder der Selbstmord-Attentäterin, die den Zündknopf nicht drücken wollte, irgenwie dennoch: Belegen sie doch nachdrücklich, dass neben dem Drittel Iraker, das nach einer Zählung von Oxfam noch im vergangenen Jahr dringend Lebensmittelspenden benötigte, um nicht zu verhungern, auch Iraker existieren, die aus der Hungersnot direkt in die Überernährung des Abendlandes hinüberwachsen.

Die endgültige Musical-Einheit

Die "Welt", das Organ, das der endgültigen Einheit Deutschlands verpflichtet ist, feiert Gerd Natschinski als "Musical-König des Ostens". Klar, der Eisler-Schüler, der mit "Mein Freund Bunbury" einen Welterfolg landete, der es auf 6000 Aufführungen in zehn Sprachen brachte, ist der erfolgreichste Musical-Komponist der DDR. Aber wer ist der "Musical-König des Westens"? Den es ja geben muss, weil die "Welt" in Sachen Natschinski sonst zwangsläufig von "Musical-König Deutschlands" hätte sprechen wollen und müssen.

Nein, nein, Andrew Lloyd Webber ist ja Brite. Und Madonna Amerikanerin. Jemand anderen nennt aber auch der Glückwunschartikel der "Welt" nicht. Vielleicht, weil es niemanden gibt? Demnächst auf dem Geburtstagkalender: Boris Becker, der Tenniskönig der alten BRD. Kuhlenkampf, der beliebteste Showmaster der Westzonen. Und natürlich Fritz Walter, der für Westdeutschland Fußball spielte.

Rente eine Ente: Rein wie raus

Rentner bekommen auch künftig mehr ausgezahlt, als sie in die gesetzliche Altersvorsorge eingezahlt haben, behauptet die Deutschen Rentenversicherung (DRV), die das natürlich schon aus Eigenschutz behaupten muss. Angeblich ergäben sich selbst für die jüngeren Jahrgänge noch "deutlich positive Renditen" von 2,8 bis 3,3 Prozent, schwindelt die DRV fröhlich vor sich hin.

Deutlich positiv ist da allerdings nur der Lügendetektor-Ausschlag: Bei einer Inflationsrate von zuletzt über drei Prozent bleiben von den "deutlich positiven Renditen" nullkommanichts Gewinne übrig. Nach 45 Jahren Einzahlerei bekomme der Rentenbeitragszahler mit Glück zurück, was er abgedrückt hat. Belohnt wird er höchstens mit dem Spatz in der Hand, die Taube bleibt als Werbeaufsteller auf dem Dach.

Das stört den hauptberuflich mit allerlei Zahlenmagie beschäftigten Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Bert Rürup, gar nicht. "Nach den jüngsten Rentenreformen werden sich die Beitragsrenditen in der Rentenversicherung zwar verringern, bleiben aber auch künftig positiv", lügt er, ohne rot zu werden. Rürup weiß: Wenn es anders kommt, und sich einer beschweren will, bin ich längst nicht mehr im Amt. Der greise DRV-Präsident Herbert Rische verfährt schließlich nach dem selben Motto: Er behauptet einfach mal, dass die "Entwicklung zeige, dass kein Anlass bestehe, das System der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich infrage zu stellen". Anderenfalls wäre ja auch sein Posten grundsätzlich infrage gestellt.

Tanz auf Distanz

Zumindest aus der Distanz gesehen ist gar mächtig was los im deutschen Sommerloch. Das Finanzministerium distanziert sich eben gerade von Gabriels Öko-Finanzreform, Wirtschaftsminister Michel Glos distanziert sich von eigenem Gesetz, der Fußballklub Borussia Mönchengladbach distanziert sich von den beleidigenden Schmährufen eines Teils der Gladbacher Fans gegen den milliardenschweren, aber sympathischen Mäzen der TSG 1899 Hoffenheim, Steinmeier distanziert sich - warum auch immer - von seinem Paten Gerd Schröder, den er doch so prima imitieren kann, Ralph Giordano distanziert sich von Kölner Anti-Islam-Kampagne und Gregor Gysi distanziert sich von Gesine Schwan, die seine Partei vielleicht wählen wird, vielleicht aber auch nicht.

Jetzt hat sich der Wirtschaftsflügel der CDU, der nach dem Abschied von Friedrich Merz eigentlich für verstorben und begraben gehalten wurde, auch noch von Teilen der "Reformpolitik der großen Koalition" (CDU-Wirtschaftsflügel) distanziert. Scheinbar hat die große Koalition unbemerkt von der Bevölkerung Reformpolitik betrieben. Die aber war - aus distanzierter Sicht des Wirtschaftsflügels - nicht gut genug. Ärgerlich angesichts der Erfolge, die Angela Merkel gerade auf längere Distanzen etwa bei der Verdübelung des Ozonlochs, der Beendigung der Klimakatstrophe und der Beilegung des Abchasienkonfliktes feiert.

Feinde werden Freunde

Von China lernen heißt siegen lernen: Weil es bei den Heimspielen des Halleschen Fußballklub in der Vergangenheit immer wieder zu Ausschreitungen zumindest verbaler Art kam, zieht die Stadtverwaltung, in deren Besitz das malerisch marode Stadion des Viertligisten ist, jetzt blank. Wie bei den Olympischen Spielen in Peking ist es künftig verboten, im Stadion irgendwelche Meinungsäußerungen oder Parolen auf Spruchbändern und Plakaten zu zeigen. Forderungen wie "Schluß mit dem Hunger auf der Welt - Halle füttert alle", "Free Tibet" oder "Keine Handbreit den Faschisten - HFC-Fans gegen rechts" sind damit künftig unzulässig.

Noch besser allerdings ist der Trick, mit dem der städtische Sport- und Ordnungsminister, ein vermeintlicher Volljurist namens Bernd Wiegand, die Fanbasis des Traditionsvereines stärken und neue Vereinsmitglieder gewinnen will. So sollen Eintrittskarten zu Spielen des HFC künftig generell nur noch an eingeschriebene Vereinsmitglieder verkauft werden - bei Derbys gegen alte Konkurrenten wie den 1.FC Magdeburg, Sachsen Leipzig oder den Chemnitzer FC müssten die mitreisenden Fans der Gastmannschaften, die seit vielen Jahrzehnten eine intensive Hassliebe mit den Gegnern aus Halle verbindet, dann vor dem Betreten des Stadions ersteinmal HFC-Mitglied werden. Danach erst wäre es ihnen gestattet, eine Eintrittskarte zu erwerben.

Der HFC hat derzeit zirka 1000 Mitglieder, schon nach dem Spiel gegen Chemnitz Ende Oktober, zu dem rund 2000 Fans aus Sachsen erwartet werden, könnte sich die Mitgliederzahl verdreifacht haben. Gefährlich dabei: Die Chemnitzer Fraktion hätte schlagartig eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen in der Jahreshauptversammlung und könnte somit kurzerhand die Auflösung des HFC beschließen.

Rettung naht

"Die Deutschen blicken nach Einschätzung des Zukunftsforschers Horst W. Opaschowski ... optimistisch auf die nächsten zwei Jahrzehnte ... «Die geradezu bleierne Zukunftsangst der letzten Jahre, 'The German Angst', weicht einer neuen Zukunftshoffnung», schätzte der Experte ein."

noch einmal glück gehabt.

Tote Tiere immer lebendiger

2007: Die Seehundbestände in Nord- und Ostsee sind zum dritten Mal in zwei Jahrzehnten von einem Massensterben bedroht.


2008: Im schleswig-holsteinischen Wattenmeer tummeln sich so viele Seehunde wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch an der niedersächsischen Nordseeküste ist der Bestand stark gewachsen.

Der Schoß ist fruchtbar noch

Der Deutsche hat es immer noch gern klar und bestimmt, ein Führer soll sagen, wo es lang geht, am besten einer, der smart aussieht und irgendwie so viel "Charisma", dass es unwichtig wird, was er will, warum und wie, sondern nur noch zählt, dass er da ist und vorn marschiert.

Barack Obama kommt dem Ideal der ehemals Hitler hintermarschierenden Massen derzeit augenscheinlich am nächsten: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für die "Welt" und den Sender n-tv, bei dem Hitler seit Jahren das Nachmittagsprogramm füllt, würden 74 Prozent aller Deutschen dem Senator ihre Stimme geben, wenn sie in den USA wählen dürften. Hitlers NSDAP hatte seinerzeit nicht einmal halb soviele Wähler mobilisieren können.

Obama aber mögen alle, vom Kind bis zum Greis. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen, die im Schulunterricht schon kaum noch mit dem 3. Reich in berührung kommen, erfährt Obama mit 84 Prozent die höchste Zustimmung. Auch bei den Älteren ist die Zustimmung überwältigend, ebenso bei einer getrennten Betrachtung nach Bevölkerungs- und Wählergruppen. "Ob Arbeiter oder Selbstständige, ost- oder westdeutsch - Barack Obama erzielt Werte unter den deutschen Wählern, von denen deutsche Politiker nur träumen können", schreibt die "Welt". Die von einer seit zwei Jahrzehnten anhaltenden Führungskrise geplagten Anhänger der SPD würden zu 88 Prozent für Barack Obama stimmen, bei den Linken wären es gar 87 Prozent und auch die Liberalen gehen mit 74 Prozent bereitwillig von Westerwelles Flagge.

"Es ist die Sehnsucht der Deutschen nach einem Politiker mit Charisma, die diese Werte erklärt",
erklärt Forsa-Studienleiter Manfred Güllner das Phänomen. Obama stimme die Menschen euphorisch. Im Rausch ist den meisten dann egal, wofür oder wogegen Obama steht, welche Pläne er hat und wie sein Programm aussieht. "200 000 Berliner sind nicht zur Siegessäule gepilgert, um zu hören, was Obama da eigentlich sagt. Es ging darum, wie er es sagt. Dass er einfach da ist und diese Ausstrahlung hat, dieses Charisma, was wir hier so vermissen", findet Güllner.

Was braucht der Mensch noch Hirn, wenn er einen hat, der ihm Hoffnung gibt in dunkler Zeit.

Die Schere in der Lohntüte

"Die Schere zwischen niedrigen und hohen Löhnen klafft nach einer Studie immer weiter auseinander. Die Realeinkommen des am wenigsten verdienenden Bevölkerungsviertels sind zwischen 1995 und 2006 um fast 14 Prozent gesunken", berichtet die «Frankfurter Rundschau» gewohnt besinnungslos. im kleingedruckten versteckt die fr dann das ganze geheimnis: "Der Niedriglohnsektor ist in Deutschland rasant gewachsen." mehr menschen verdienen eigenes geld, wenn auch im vergleich zu anderen "abhängig beschäftigten" (fr) relativ wenig. ist doch eigentlich gut für den anfang, oder?

Hü und Hott

"Die gute Konjunktur hat dem Staatshaushalt im ersten Halbjahr 2008 einen Überschuss in Höhe von 6,7 Milliarden Euro gebracht."

"Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2008 erstmals seit knapp vier Jahren wieder geschrumpft."

das erste quartal muss wirklich exorbitant gut gewesen sein.

Auf Fotopirsch mit Gabriel

Pech gehabt, Sigmar Gabriel. Kurz bevor der frühere Pop-Beauftragte und heutige Bärenpate daran ging, Deutschland mit einer ökologischen Steuerreform vom Kopf auf die umweltfreundlichen Füße zu stellen, erwischte ihn ein aufmerksamer "Bild-Leserreporter" an der Salattheke der Fastfoodkette McDonalds, an der der pfundige Gabriel sich ein Schälchen Grünes holte, um sein Übergewicht zu halten.

Das Bild von der bescheidenen Salatsause des letzten Bollwerks zwischen hier und dem Klima-Chaos ging um die Welt - verbunden mit der Mitteilung, der ehemalige Fast-Ministerpräsident Gabriel habe ganz bescheiden wie ein ganz normaler Mensch selbst und in bar gezahlt, sein Fahrer währenddessen, offenbar nicht hungrig, im Wagen gewartet.

Ein wenig wird es Sigmar Gabriel gewurmt haben, nicht im Bioladen erwischt worden zu sein - oder auch nicht. Denn der "Leserreporter", der Gabriel ganz zufällig entdeckte, erkannte, ihn ganz zufällig knipste und dann auch noch ganz zufällig mitbekam, was er bestellte und wieviel er bezahlte, heißt rein zufällig Andreas Schmidt. Noch zufälliger arbeitet ein guter Genosse mit dem gleichen Namen, wenn er nicht gerade auf für Promotionfotos auf Fotopirsch ist, für die Stadtratsfraktion von Gabriels SPD in Halle. Schlappe zehn Kilometer entfernt von der McDonalds-Station, an der Sigmar Gabriel "erwischt" wurde, um mal wieder ein bisschen Presse zu bekommen. Glück gehabt, Sigmar Gabriel!

Montag, 25. August 2008

Kluft wird umverteilt

die "umverteilung von arm zu reich", die logischerweise eine gigantische "kluft zwischen arm und reich" gerissen hat, gehört zum stehsatz aller linkssozialistischen kreuz- und querdenker zwischen oskar lafontaine und heiner geisler. während sich einerseits raffgierige ultra-kapitalisten angeblich die von tagelöhnern in der dritten welt hergestellten taschen füllen, wissen immer mehr menschen in deutschland offenbar kaum noch, wie sie von ihrem hartz-IV-notgroschen das benzin für ihren rasenmäher bezahlen sollen. mit kleinigkeiten wie der frage, woher das staatlich verteilte geld eigentlich kommt, das an die steigende zahl der armen verteilt wird, kann man sich in diesem diskurs über das große ganze natürlich nicht aufhalten. schließlich gilt es, unerträgliche missstände anzuprangern - und dabei kann der blick auf details nur schaden. eine meldung wie diese dürfte folglich nicht in den redemanuskripten von peter sodann oder michael sommer landen: "Ein gutes Viertel der Steuerpflichtigen hat 2004 knapp 80 Prozent der gesamten Lohn- und Einkommensteuer gezahlt ... Die Hälfte der gesamten Einkommensteuer stammt von 8,2 Prozent der Steuerzahler." wer viel hat, soll auch viel zahlen, wird man höchstens meinen - und dabei vergessen, dass zum oberen viertel der steuerzahler alle menschen mit einem jahreseinkommen ab 37 500 euro gehören - was zwar viel geld ist, den bezieher aber nicht unbedingt zum reichen in der definition von ver.di und der linken macht.

Öl ins Feuer, Öl aufs Wasser

Die Formulierung "Öl ins Feuer kippen" ist sehr beliebt und recht unumstritten: Wer Öl ins Feuer gießt, facht das Feuer an. Schwerer hat es da schon die Kundigen ebenfalls als sehr malerisch geltende Formulierung "Öl aufs Wasser gießen".

Kritiker bemängeln hier allerdings leichtfertigerweise nicht den sicherlich durchaus fragwürdigen Umweltwert einer solchen Maßnahme, sondern stellen vor allem die Frage ab, was es bringen solle, "Öl aufs Wasser" zu schütten. Dank Youtube lässt sich diese Frage endlich endgültig beantworten - und wir gießen damit hoffentlich letztinstanzlich Öl auf das Wasser, das bisher fortgesetzt unter dieser Diskussion schwappen zu müssen glaubte.

Gute Nachrichten halten sich

Richtig gute Nachrichten halten sich auch übers Wochenende. Vermeldeten wir am vergangenen Freitag schon, dass sich die Amerikaner unter ihrem bluttrünstigen Chef George W. Bush und die Iraker darauf geeinigt haben, die US-Truppen bis 2011 aus dem Irak abzuziehen, ziehen die deutschen Medien heute aufgeregt nach: Rotes Laufband und Großbuchstabengeschrei bei n-tv, brühwarm kommt die abgestandene Nachrichtensuppe aus dem Bildschirm getröpfelt und füllt glücklicherweise gleich das Loch, das der mit der Olympiade beendete heroische deutsche Kampf für ein freies Tibet reißt.

Große Freude nun bei der wiedererstarkten Friedensbewegung, die die Amerikaner mit anhaltenden weltweiten Protesten zum Abzug gezwungen hat. Bei der Anti-Globalisierungsbewegung attac, von der man interessanterweise eigentlich seit Monaten gar nichts mehr hört, hat man das schon immer gewusst und sich deshalb schon an die nächste Front begeben:Derzeit sucht Attac Saar einen gebrauchten Reisebus mit Anhänger, der zur fahrbaren Grill und Schwenkstation umgebaut werden soll. Der Anhänger in der 3,5 Tonnenklasse wird benötigt, um damit künftig gut gelagertes Buchenholz aus saarländischen Wäldern nach Helsinki, Paris, Rotterdam, Mailand und Madrid transportieren zu können, so Max Flabbes, der als Schwenkexperte und Zeremonienmeister der neu gegründeten Attac-Schwenkerakademie internationale Bruzzelseminare der Globalisierungskritiker leiten wird.

Geklaute Zitate: Es war nicht alles gut

Innenminister Wolfgang Schäuble ist ein häufiger und immer gern gesehener Leser hier bei PPQ. Wir sind immer froh, wenn wir der doch zumeist zwischen rat- und ahnunglos pendelnden Politik des nie bestochenen und nie verurteilten Parteispendennehmers ein paar Impulse geben können. Jetzt ist das gerade wieder gelungen: "Ich habe ja gelegentlich halb im Scherz gesagt, wir haben immer noch mehr Medaillen pro Kopf der Bevölkerung als die Chinesen", teilte Schäuble dem Bayrischen Rundfunk unter offensichtlicher Bezugnahme auf eine aktuelle PPQ-Berechnung mit.

Der Bayerische Rundfunk, dem wir stets gern mit Stichworten zur Seite stehen, überschreibt die Meldung mit einem PPQ-Zitat, das hier bei uns eigentlich ausschließlich vernichtende und ernüchternde Neuigkeiten aus der alten DDR ankündigt:"Es war nicht alles gut", heißt es da fröhlich unter unauthorisierter Verwendung eines gut abgehangenen PPQ-Zitates vom März 2007. Das nächste Mal heißt es aber zahlen, Bayerischer Rundfunk!

Deutschland dominiert Olympia

Wir sind Olympia! Wir sind Gold! Mit 16 Goldmedaillen haben sich die garantiert nicht gedopten deutschen Sportler drei mehr als zuletzt in Athen geholt. China konnte trotz aller Bemühungen nur 51 goldene sammeln - dabei sind 20% der Weltbevölkerung Chinesen.

Um wenigstens diesen prozentualen Anteil zu schaffen, hätten es schon 76 Goldmedaillen sein müssen, so langte es für das Reich der Mitte trotz Folter, Unterdrückung der Menschenrechte und Abschaltung des Internets, um Ablenkungen zu vermeiden, nur zu 17 Prozent aller 304 vergebenen Goldenen. Verglichen mit Deutschland schneidet China noch miserabler ab: Deutschlands 1,5% der Weltbevölkerung holten 5,3% der Goldmedaillen. Wäre China genausogut, hätte das Reich der Mitte 70 Prozent aller Wettbewerbe gewinnen und 212 Goldmedaillen abstauben müssen.

Weil heute Dein Geburtstag ist...


...da haben wir gedacht / wir singen Dir kein schönes Lied / das wir ja sonst immer gemacht. Aber erwähnen, erwähnen kann man das ja - schließlich hat dieser Dachdecker Spuren hinterlassen.

Großkonzern steigert Gewinne astronomisch

Der größte deutsche Konzern hat seine Gewinne im zurückliegenden Jahr trotz Finanzkrise, auseinanderbrechendem Mittelstand, Konsumzurückhaltung und Bildungsmisere erneut schneller steigern können als alle inländischen Konkurrenzunternehmen aus dem Dax. Wie Finanzministe Peer Steinbrück (SPD) als CFO der Bundesrepublik Deutschland AG mitteilte, konnten die Einnahmen aus der Lohnsteuer um satte neun Prozent gesteigert werden.

Die Gewinne aus dem sogenannten Solidarzuschlag, der nur befristet, aber ohne konkrete Fristsetzung erhoben wird, stiegen um ebenfalls neun Prozent, die Einnahmequelle Zinsabschlagsteuer sprudelt sogar um 33 Prozent eifriger. Aus der Stromsteuer konnte der emsige Finanzminister, dessen Kabinettskollege Horst Seehofer sich zuletzt zur Ablenkung für einen "Sozialtarif füt arme Stromkunden"(Seehofer) stark gemacht hatte, sagenhafte 45 Prozent mehr einnehmen. Allein im Juli verzeichnete Steinbrücks Monopolfirma so einen Einnahmesprung um 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Steinbrück nahm mit nunmehr 39,05 Milliarden Euro mehr ein als jemals in einem Monat zuvor. Zugleich überstiegen die Monatsgewinne des Finanzministers den Börsenwert der Deutschen Bank damit erstmals um ein ganzes Drittel.

Alexander Rüstow hat es gesagt

"Der Wohlfahrtsstaat legt Wert darauf, dass er zu jedem Bürger ein Druckrohr leitet, durch das er ihm seine Wohlfahrtsleistungen zupumpt. Zugleich aber hat er in der Geldtasche jedes Staatsbürgers ein Saugrohr. Die Funktion des Staates besteht nun darin, dass ganze ungeheure Röhrensystem in Tätigkeit zu setzen, mit unheimlichen Maschinengeräuschen und beträchtlichen Energie- und Materialverlusten."

Keine Gefahr aus Bruno Grönings Kropf

Der stets lesenswerte Berlinpankowblogger macht ja immer wieder den Fehler, draußen im Lande nach dem Rechten zu schauen, statt aufgeregt nachzuplappern, was andere irgengdwo gelesen haben. Bei der Betrachtung von Scientoloy, der Sekte, die seit 40 Jahren nach der Weltherrschaft strebt und es inzwischen immerhin zur Herrschaft über Tom Cruise gebracht hat, stößt er so auf Bruno Gröning, den kropfgeplagten Witwentröster, der seinen Anhängern seit seinem frühen Tod von gerahmten Fotos hinter Glas zuzuzwinkern pflegt. Gröning hat hierzulande mehr Gefolgsleute als Scientology, ist aber dennoch keinem Medium auch nur eine Zeile wert. Liegt es am Fehlen eines sexy Frontmannes wie Cruise? Schmücken sich Spiegelsternwelttazszundco im Falle Scientology nur mit dem großen Namen?

Wieder einmal wird sie ordentlich angeheizt. Die Stimmung gegen und die Angst vor Scientology. Die beiden Experten auf diesem Gebiet haben sich wieder einmal zu einem Buch durchgerungen. Liane von Billerbeck und Frank Nordhausen schreiben seit 1993 über die Sekte. Ihre neue Gesamtdarstellung “Scientology - Wie der Sekten-Konzern die Welt erobern will” soll zeigen, wie “gefährlich die antidemokratische Organisation” nach wie vor ist. Klar, seitdem die amerikanischen Spinner auch in Berlin eine Zentrale haben, muss man wieder Angst haben.

Allerdings sollte man sich einmal die Realität genauer ansehen. Die Jahrmarkt-Stände der Sekte auf Berliner Straßen werden zu 99 Prozent nur noch belächelt. Ihr “Stress-Test” wird maximal noch von Jugendlichen als Mutprobe genutzt. In den Zeitungen spielt Scientology schon lange nur noch in den Meldungsspalten eine Rolle. Wenn überhaupt. Und die Mitgliederzahl in Deutschland wird auf 5.500 geschätzt. Das sind 0,0067 Prozent der Bevölkerung. Huh, das sind aber viele. Aber wenn man einmal Experte ist, muss man eben immer wieder mal ein Buch schreiben.

Jedoch keiner fragt nach Bruno-Gröning. Die Naturheiler-Sekte hat immerhin mehr als doppelt so viele Anhänger (12.000). Oder nach den Zeugen Jehovas? Die bringen es schon auf 190.000 Gläubige. Oder die Mormonen (36.000 Mitglieder), die Vereinigten Apostolischen Gemeinden (30.000), die Neugermanen (25.000)? Alles Sekten, die in der Berichterstattung keine Rolle spielen. Sind ja wahrscheinlich auch harmlos. Aber das ist Scientlogy, zumindest in Deutschland, auch.

Skandal: Queen beim Klauen erwischt!

Chic - Good Times - 1979

Queen - Another One Bites The Dust - 1980


Sugar Hill Gang - Rappers Delight - 1980

Cool bleiben

kaum hat man sich als staatsbürger und nachrichtenkonsument darauf eingerichtet, dass die welt einer katastrophe namens "globale erwärmung" entgegen taumelt, schon spielt die world meteorological organisation den spaß-am-untergang-verderber. das erste halbjahr 2008 war so kalt wie kein erstes halbjahr seit fünf jahren, für den rest des jahres erwartet die wmo mindestens gleiches. nur für alaska gilt das offenbar nicht.

Samstag, 23. August 2008

Von Bären und Banken

Auf dem Weg von einem Termin in Thalheim, dem deutschen Sunvalley, zurück nach Berlin spürte der deutsche Umwelt- und Klimaschutzminister Sigmar Gabriel einen kleinen Hunger. Er hieß seinen Fahrer vorm nächsten McDonald anhalten und holte sich einen kleinen Salat für fünf Euro, wie ein Leserreporter der Bild-Zeitung stasimäßig dokumentierte. Offen bleibt die Frage, wieso Gabriel auf dem Weg von Thalheim nach Berlin einen 46 Kilometer langen Bogen über Peißen macht. War der Minister etwa mitten in der Woche schon unterwegs nach Hause?

Klar dagegen ist, dass Engagement des ehemaligen SPD-Popbeauftragten als Pate des Berliner Eisbären Knut den deutschen Steuerzahler weitaus billiger zu stehen kommt als das Engagement von Gabriels Kabinettskollegen Peer Steinbrück für die staatseigene Mittelstandsbank IKB: Der Verkauf der IKB an den US-Heuschreckenfunds Lone Star kostet jeden Steuerzahler in Deutschland 520 Euro, die aus Gabriels Haushalt zugesagte Übernahme der Futterkosten für das Klimakatastrophensymbol Knut aber selbst im schlimmsten Falle nur vier Cent, verteilt über die nächsten 45 Jahre.

Freitag, 22. August 2008

Kuschelbär Knut kostet halbe Million

Als Sigmar Gabriel sich im vergangenen Jahr, als die direkt vor der Tür wartende Klimakatastrophe mal kurz ein Riesenthema war, kurzerhand entschloss, der Katastrophe entgegenzutreten, fiel ihm als wirklich wirksame Maßnahme nur eine Futter-Patenschaft über das Berliner Eisbärbaby Knut ein. Knut stammt schließlich aus einer Art, die sich seit ihrer Unterschutzstellung nach dem 2. Weltkrieg von 4.000 auf 25.000 Tiere vermehrt hat. Es gibt also heute fünfmal mehr Eisbären, die vom Aussterben bedroht sind als noch vor 60 Jahren.

Den Steuerzahler ließ Sigmar Gabriel, als ehemaliger Pop-Beauftragter der deutschen Sozialdemokratie Aushängeschild eines fröhlich-kämpferischen Sozialismus auf Gemeinkosten, die beeindruckende Symbolaktion gleich im ersten Jahr rund 11.900 Euro kosten lassen. Dafür bekam das Weltklima einige Fotos von Gabriel und dem Bären, die die durchschnittliche Temperatur der Atmosphäre positiv beeinflusst haben dürften. Die Patenschaft bleibt allerdings weiter bestehen - erreicht Knut die durchschnittliche Lebensdauer von Eisbären in menschlicher Obhut, die mit 45 Jahren rund 10 Jahre über der in freier Wildbahn liegt, kommen zwar sicher keine neuen Fotos des schönen Paares hinzu. Aber doch immerhin weitere Kosten in Höhe von mindestens 540.000 Euro. Sollte Knut gar, wovon beinahe auszugehen ist, weiter wachsen und noch mehr fressen, steigt die Summe vielleicht sogar auf eine Million. Und die wäre nicht mal nur symbolisch.

Globalisierung auf Fehmarn

Bei einer Kontrolle am Fährbahnhof Puttgarden auf der Insel Fehmarn hat die Polizei einen Iraker überprüft, der ein Auto mit schwedischem Kennzeichen nach Dänemark bringen wollte. Nach Angaben der Polizeidirektion Lübeck vom Freitag ist der 30-Jährige in Tschechien geboren und wohnt in den Niederlanden. Er legte einen gefälschten irakischen Führerschein und eine internationale syrische Fahrerlaubnis vor, die er mit Hilfe des gefälschten Führerscheins erlangt hatte. (dpa)

Kein Öl für Blut

Es ging nur ums Öl, das die USA unter Georg W. Bush aus purem Neid nicht dem sein Volk liebenden irakischen Präsidenten Saddam Hussein lassen wollten. US-Öl-Multis aus Bushs Heimatsstaat Texas sollten die Vorräte am Golf unter sich aufteilen dürfen - deshalb erfanden die amerikanischen Geheimdienste sogenannte Gräueltaten des bei den Irakern überausbeliebten Saddam Hussein und seines Freundes Chemie-Ali, sie behaupteten, der Irak wolle Massenvernichtungswaffen bauen und die Regierung in Bagdad unterstütze weltweit Terroristen.

Mit Hilfe dieser Lügen stürzte der schlechteste Präsident, den die USA jemals hatten, die Welt in das Irakkkriegs-Abenteuer, bei dem nur die Deutschen den Überblick behielten, weshalb sie nicht mitmachten. Fünf Jahre nach dem heimtückischen Überfall der US-geführten Invasionsstreitkräfte auf das friedliebende irakische Volk, das längst nicht mehr daran dachte, Nachbarländer wie den Iran oder Kuweit noch einmal anzugreifen, sind denn auch alle Befürchtungen deutscher Spitzenpolitiker eingetroffen. Der Irakkrieg wurde zum "Desaster" (Gernot Erler), ein "Völkermord" (Todenhöfer) fand unter den Augen der Welt statt.

Kein Geld aus den lukrativen "Oil for Food"-Geschäften floß mehr an Saddams Partner, unter denen die irakische Zeitung al-Mada unter anderem der ehemalige französische Innenminister Charles Pasqua, die indonesische Präsidentin Megawiti Sukarnoputri, der libanesische Parlamentspräsident und einen Verwandten von Ghaddafi aufzählt. Allein die russische Regierung habe aus Ölgeschäften mit Saddam Gutschriften im Wert von 1,36 Milliarden US-Dollar erhalten, den Löwenanteil des Oil for Food-Geschäfts bekamen daneben arabische und französische Firmen, die zusammen mit russischen 40% der Förderlizenzen im Irak innehatten.

Auch der Name des prominenten Embargogegners und schottischen Ex-Labourabgeordneten George Galloway, der die internationale Kampagne gegen den Irakkrieg moralisch angeführt hat, taucht auf der Liste auf. Weiterhin profitierten neben vielen anderen auch die Österreichisch-Arabische Gesellschaft, die PLO, der libysche Premierminister, die ukrainischen Kommunisten, die serbische sozialistische Partei, die russisch-orthodoxe Kirche und Jean-Marie Le Pens Irak-Solidaritätsvereinigung von Geldern, die eigentlich für die Versorgung der irakischen Bevölkerung vorgesehen waren.

Pikanterweise findet sich auf der Liste auch der Name Bevon Sevan. Sevan war der von Kofi Annan eingesetzte Leiter von Oil for Food. Unter seiner Ägide verpflichteten sich die UN gegenüber dem Irak darauf, alle Verträge, die mit Firmen geschlossen wurden, geheim zu halten. Dann kamen die Amerikaner, der Terror übernahm weltweit die Regie, zahllose Anschläge erschütterten das Abendland und die amerikanischen Truppen erlebten an Euphrat und Tigris "ein zweites Vietnam" wie es der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, ein Nahost-Experte namens Heinrich Mussinghoff treffend voraussagte: Der "gesamte Nahe Osten" geriet, so prophezeite Die Zeit "in Brand".

Nun brennt er immer noch nicht, da meldet CNN auch schon, dass die USA und der Irak einen Abzug aller US-Truppen bis 2011 vereinbart haben. Was ist jetzt mit Weltmacht? Eroberung? Öl-Lizenzen? Kein Blut für Öl, forderte die Friedensbewegung bei Kriegsausbruch - und siehe, nun wird ihr Recht gegeben: Es gibt kein Öl für das Blut, dass die USA-Armee vergossen hat, um die "Weltmachtträume von Bush" (indymedia) wahr zu machen. Bislang hat nicht eine einzige US-Öl-Firma eine Lizenz zur Förderung irakischer Vorkommen erhalten.

Deutsche leiden immer länger

Immer mehr Armut unter Jung und Alt, immer fetteres Essen, Uran im Wasser, Pestizide im Brot, Rinderwahn im Schnitzel, bittere Kälte im Wohnzimmer, immer mehr Erfrierungen, Glücksspielsucht und Leberzirrhose - aber die Lebenserwartung der Deutschen steigt weiter. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden ein bisschen überraschend mitteilte, werden mitten in der deutschen Depression über die täglich schlimmer werdenden Gegenwart geborene Mädchen hierzulande heutzutage im Durchschnitt 82,3 Jahre leben, Jungen können sich auf 76,9 Lebensjahre freuen.

Auch die Lebenserwartung heute schon älterer Menschen wächst unbeirrt vom schwindenden Wohlstand, der digitalen Spaltung, der wachsenden Nachfrage nach kostenlosem Essen an Reste-Tafeln der Wohlfahrsverbände, steigenden Energiepreisen und dem rasanten Abbröckeln der Mitte der Gesellschaft. So können 60-jährige Männer mit noch durchschnittlich 20,7 Jahren rechnen, die mit Jammer über wachsende Wohlstandsverluste, Rentenbesteuerung und steigende Benzinpreise gefüllt werden können. Gleichaltrige Frauen haben sogar 24,6 Jahre Zeit, die Mauer zurückzuwünschen, die Globalisierung für alles Leid der Welt verantwortlich zu machen und den Hartz-4-Enkeln gelegentlich eine vom nie ausreichenden Witwensalär abgezweigte Tafel Billigschokolade zuzustecken.

Senat zwingt zu Straftaten

Hamburg taumelt in die Anarchie, die Hafenstraße kehrt zurück. "Gewaltbereite und aggressive Teilnehmer" (Morgenpost) eines "Klimacamps", unterstützt von Aktivisten eines "antirassistisches Camps" überfielen in dieser Woche ein Bezirksamt im Hamburger Norden, um das Weltklima zu verbessern wurden die Büros der Ausländerabteilung verwüstet, eine Mitarbeiterin der Behörde verletzte sich durch Glassplitter, die aus einer Scheibe flogen, als die zum Zwecke des Kampfes gegen Rechts zerschlagen werden musste. Rund 40 Umweltaktivisten stürmten später die Baustelle des Kohlekraftwerks Moorburg, fünf kletterten auf einen Kran.

Die Polizei nahm etwa 30 Teilnehmer der Aktion fest und schimpft nun. Der schwarz-grüne Senat habe keine klare Linie gegen die Gewalttäter, die eingesetzten Beamten wüssten "vor lauter Deeskalationsstrategie“ nicht mehr, wie sie gegen die Übergriffe militanter, aggressiver und gewalttätiger „Klimacamper“ vorgehen sollten. "Dieses Camp hätte es nie geben dürfen", befand ein SPD-Politiker, der zuvor von Antirassisten und Klimaschützern bedroht worden war.

Vertreter aller Fraktionen im Innenausschuss waren sich dagegen einig, dass es grundsätzlich richtig sei, Protest auch in Form eines Zeltlagers in der Hansestadt zuzulassen. Der SPD- Abgeordnete Andreas Dressel kritisierte jedoch, dass bei Abschluss des Nutzungsvertrags für das Gelände "keine Verpflichtung der Organisatoren zum Verzicht auf Straftaten" (Dressel)verlangt worden sei.

Ein Versäumnis, das wirklich unverständlich ist - nun sind die Organisatoren natürlich zu Recht überzeugt, dass ihnen Straftaten im Dienst von allerlei guten Sachen nicht nur erlaubt, sondern dass sie geradezu zur Begehung solcher gezwungen sind.

Lebenslang lernen

Lebenslang lernen, da macht die Kanzlerin als allererste ernst. Angela Merkel hat am Donnerstag in Frankfurt am Main eine "Bildungsreise" (Merkel) durch Kindergärten, Schulen und Hochschulen quer durch die Republik begonnen, während der die Regierungschefin versuchen will, Bildungslücken zu schließen. Als promovierte Chemikerin hat die DDR-Migrantin Merkel vor allem Reserven im schöngesitigen Bereich, auch bei den Fremdsprachen will sie während ihres freiwilligen Sommersemesters zulegen. Die Regierungsgeschäfte ruhen derweil.

Ein Überfluß an Überdruss

Es regt sich nichts, es bewegt sich nichts, die Gesellschaft ist eingefroren zwischen den ewig gleichen Fronten aus Sozialjammer und Steuerklage. Die Atmosphäre in Deutschland am Anfang des dritten Jahrtausends erinnert beklemmend an die letzten Jahre der DDR.

Hier und heute ist auch kein Land, dem man das ewige Leben zutraut; kein Land, von dem man auch nur raten möchte, wie es in 30, 45 oder 70 Jahren aussieht. Eine Ökodiktatur? Eine halbsozialistische EU-Provinz? Ein vom großen Geld regiertes Viertes Reich unter der Ägide folternder Amerikaner? Eher wahrscheinlich, dass alles nicht, wie Gerhard Schulze, der Empirische Sozialforschung an der Universität Bamberg lehrt, in einem bemerkenswert realistischen Essay in der "Welt" schreibt. Vermutlich nämlich wird Deutschland nur sein wie heute. Ludwig Erhards Verheißung vom Wohlstand für alle ist wahr geworden, aber alle sind des Wohlstands längst zu überdrüssig, um ihn auch nur noch wahrzunehmen. Statt Entwicklung und Fortschritt heißt der neue Geist Konservierung: Die Deutschen sind ein Volk von Besitzstandswahrern geworden, die mit der Marktwirtschaft hadern und sich angesichts unendlicher Möglichkeiten nur noch... ja, ausdauernd langweilen.

Wohlstand für alle! Als Ludwig Erhard diese Idee in die Welt setzte, hatten die Deutschen noch viele Wünsche offen. Mit leuchtenden Augen standen sie vor den Auslagen der Nachkriegskaufhäuser und träumten vor sich hin. Hätte ich doch nur dies! Könnte ich doch nur jenes! Kaum zu glauben, was in den Jahren darauf für die breite Masse in Erfüllung ging: Auto, Eigenheim, Waschmaschine, Kühlschrank, Fernseher, Mobiltelefon. Bezahlter Urlaub, ein vielfältiges Kulturangebot, eine freie Medienlandschaft, ein weithin gepflegter öffentlicher Raum, eine funktionierende Infrastruktur rundeten die Sache nach und nach ab. Während planwirtschaftlich-totalitäre Systeme immer nur erreichten, dass alle gleich arm waren, der öffentliche Raum überall gleich verkam, die Medien gleichgeschaltet und alle gleich drangsaliert wurden, erfüllte sich in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf breiter Basis das Motto Ludwig Erhards: Wohlstand für alle.

Trotzdem steht die Marktwirtschaft wie selten zuvor in der Kritik. Der Ruf nach mehr Staat und weniger Markt ist deutlich hörbar. Immer mehr Menschen zweifeln daran, dass die Marktwirtschaft für sie etwas Gutes bedeutet. Sie sehen frustriert, wie viel Netto vom Brutto ihnen monatlich bleibt, jede noch so magere Lohnerhöhung wird von der Steuerprogression aufgefressen. Obwohl es der Staat ist, der die Erwerbstätigen ausnimmt, und nicht der Unternehmer, lasten viele die Ungerechtigkeit der Marktwirtschaft an statt der Steuerpolitik, durch die jeder halbwegs Tüchtige zur starken Schulter erklärt und zur Kasse gebeten wird.

Die Menschen fürchten sich davor, ihren Job zu verlieren und in ALG II abzurutschen, denn das ist so ziemlich das Entwürdigendste, was einem Arbeitnehmer und Leistungsträger heute passieren kann. Auch hier liegt die Ursache im staatlichen Eingriff, in einer schlecht gemachten Reform. Doch selbst die verhasste Zusammenlegung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern hält kaum jemand davon ab, den Markt für alle Übel verantwortlich zu machen. Trotz der chronischen Unfähigkeit von Staatsapparaten, die Menschen mit allem zu versorgen, was sie zum Leben brauchen, erscheint die DDR heute vielen als Sozialparadies und Kuschelzoo, in dem keiner Angst haben musste, ins Abseits zu geraten. Zehn Prozent der Deutschen wollen bei der nächsten Bundestagswahl die Linkspartei wählen. Doch gerade diese Partei, die offen für Verstaatlichung, Planwirtschaft und eine möglichst hohe Staatsquote steht, würde uns noch mehr Geld aus der Tasche ziehen. Mehr Netto vom Brutto würde unter den Linken erst recht nicht im Geldbeutel bleiben, vor allem bei denen nicht, die aufgrund eigener Anstrengung auch nur ein klein wenig bessergestellt sind als andere.

Wer oder was ist schuld an der Wohlfühlkrise, die Deutschland ergriffen hat? Wie kann es sein, dass politische Vorstellungen sich angesichts einer Gruppe schlecht verdienender Wachleute, Friseure oder Hilfsarbeiter zunehmend darauf richten, die Marktwirtschaft abzuschaffen und durch ein staatlich gelenktes System zu ersetzen, in dem subventionierte Arbeitsplätze, noch mehr Transferleistungen und Schulden machen ganz oben auf der Agenda stehen?

Die Feinde der Marktwirtschaft spielen das sogenannte Gemeinwohl gerne gegen das Individualprinzip aus. Hier die atomisierten Individuen, hilflos der Kälte des Neoliberalismus ausgesetzt, wurzellos, hedonistisch, konsumorientiert. Dort der regulierende, vorsorgende Staat, der die Menschen erzieht, nährt und kleidet. Die Klagen über die Bindungslosigkeit des modernen Menschen, über den Werteverfall und den irregeleiteten Konsumismus - sie alle gehören zum rhetorischen Arsenal derjenigen, die nach dem starken Staat rufen. Kontrolle! Regulierung! Einheitlichkeit! Reduktion! Unter dem Deckmantel der Kulturkritik wird am Fundament der Moderne gekratzt, denn mehr Staat ist nur zum Preis von weniger Freiheit zu haben.

Moderne und Marktwirtschaft haben uns einen nie da gewesenen kollektiven Wohlstand beschert, aber wenn selbst die Anwärterin auf das höchste Staatsamt, Gesine Schwan, gegen den Konsum zu Felde zieht und demonstrativ verkündet, immer nur gebrauchte Kleider zu kaufen, beginnt man schon am gesunden Menschenverstand zu zweifeln. Wenn das nun alle machen würden! Der erste Markt, aus dem ihre Kleider stammen, würde zusammenbrechen, und schon bald gäbe es ihn mangels Nachfrage nicht mehr. Wenig später würden die Leute nur noch in Lumpen herumlaufen, denn auch den Secondhandläden ginge der Nachschub aus. Etliche bisher sichere Arbeitsplätze wären verloren und mit ihnen all die vielen Möglichkeiten, sich so oder so mit Kleidung einzudecken. Die Verachtung von Konsum und Marktwirtschaft auf höchster politischer Ebene kann nicht besser zum Ausdruck bringen, was die Stimmung in den alten Industriestaaten heute kennzeichnet: wohltemperierter Überdruss, Sinnkrise und bloß nicht darüber reden, wie gut wir es haben.

Den Deutschen geht es materiell gesehen besser denn je. Die obere Hälfte der Einkommensbezieher trägt rund 95 Prozent der Steuerlast. Zwei Drittel der Erwerbsfähigen leben von eigener Arbeit - Minijobs und Teilzeitbeschäftigung nicht eingerechnet. Die meisten Arbeitnehmer verfügen über einen festen, sozialversicherten Arbeitsplatz. Lediglich zu Beginn des Berufslebens und an dessen Ende findet eine gewisse Deregulierung statt, wie eine neuere Studie zur Flexibilisierung des Erwerbsverlaufs aus der Forschungswerkstatt meines Bamberger Kollegen Hans-Peter Blossfeld ergeben hat.

All dies scheint in der Wahrnehmung nicht zu zählen. Trotz aller Potenziale und trotz des gehobenen Lebensstandards fühlen sich immer mehr Menschen vom sozialen Abstieg bedroht. Folglich wollen sie das Erreichte in Sicherheit wissen. Den allzu schlichten Wachstumsgedanken haben sie hinter sich gelassen, immaterielle Werte gewinnen an Bedeutung: weniger arbeiten, mehr Zeit mit der Familie verbringen, ein Musikinstrument lernen, eine Reise machen, einen Yoga-Kurs belegen. Den erreichten Wohlstand halten, ohne alles nur dafür zu investieren: Das ist aus der Gesellschaft der still vor sich hin schuftenden Häuslebauer geworden, wenn man einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach folgt.

Nimmt man das ernst, steht die Marktwirtschaft vor einer Identitätskrise. Aus Sicht des herrschenden ökonomischen Paradigmas stellt die Erhaltung des Status quo keinen besonderen Wert dar, im Gegenteil. Die industrielle Produktion beruht darauf, dass das jeweils Erreichte möglichst bald veraltet und durch etwas Neues ersetzt wird. Genau dies jedoch sehen viele nicht mehr ein, und es ist auch gar nicht möglich. In Sicht kommt das Paradigma der Bestandswirtschaft.

Die Erhaltung und Pflege des Erreichten ist heute in kaum einem politischen Programm zu finden. Die einen schreiben sich den Fortschritt auf die Fahnen, die anderen den Rückschritt und predigen Ausstieg, Rückbau, Selbstkasteiung. Wohlstand für alle? Für die Feinde der Marktwirtschaft ist das Motto Ludwig Erhards so akzeptabel wie eine Hure im Vatikan. Die Frage aber, ob ich in Zukunft meine Wohnung noch ausreichend heizen kann, einen gepflegten öffentlichen Raum vorfinde, ein eigenes Auto fahre und nachts eine Glühbirne statt eine Sparfunzel einschalten darf, berührt die Sorgen und Bedürfnisse vieler Bürger. Nur von einer Ökonomie, die schon unter Beweis gestellt hat, dass sie trotz staatlicher Eingriffe prächtig gedeihen kann, dürfen sie eine Anpassung an neue Zeiten, dürfen sie eine Ankunft im 21. Jahrhundert erwarten.