Freitag, 6. Juni 2008

"Alle Aufträge ausgeführt"

Es war ein ganz gewöhnlicher Abend in Deutschland. Die Nation suchte das nächste Topmodel, hockte arglos im Biergarten, wartete auf "Maybrit Illner". Da drohte der Rechtsstaat zu kippen, in einem Örtchen namens Wittenberg, wo einst der Reformator den Kirchenstaat hatte kippen lassen.

Gegen 21:36 Uhr, so berichtet die Polizei, "meldete sich ein bereits polizeilich bekannter 18-Jähriger im Polizeirevier in Wittenberg". Nicht einfach nur so, sondern um, der Laie staunt, der außerparlamentarische Fachmann wundert sich, "eine Spontandemonstration anzumelden".

Seltsame Zeit, wunderlicher Ort, komisches Gebahren - früher, als Joschka Fischer noch spontan demonstrierte, wurde spontan demonstriert, indem sponatn demonstriert wurde. Anmeldung? Der spätere Staatsmann hätte nicht sagen können, wo und schon gar nicht wozu.

Heute ist das anders, anständiger. Wie in allen großen, aber reifen Reichen, die kurz vor dem Untergang stehen, wird auch Spontanes geplant. Die hier durchzuführende Demonstration sollte, berichtet die Polizei, "in Klein Wittenberg gegen 22:00 Uhr, mit cirka 15 Teilnehmern beginnen".

15 Teilnehmer. Eine Großkundgebung. Für die Gegend. Es habe sich der Aufzug, den Beobachter im normalen Stadtbild womöglich ohne Anmeldung nicht als solchen ausgemacht hätten, in Richtung Innenstadt wälzen wollen, vermerkt die Polizei.

Die umgehend und staatsbürgerlich verantwortlich entschied. "Die Demonstration wurde durch die Polizei zeitlich untersagt."

Was das kryptische "zeitlich untersagt" bedeutet, verraten interne Papiere der Polizei, die die hübsche Seite polizeiprotokolle.de veröffentlicht hat. Sie vermerken zum Fall wörtlich:

Auftrag an GEL:

an den Verantwortliche wenden, Demo wird zeitlich untersagt, kann am Tage stattfinden, dann über Anmeldung beim Ordnungsamt, der Zweck des Versammlungsrechtes (Kommunikation mit dem Umfeld) ist nach 22:00 Uhr nicht zu erreichen.


Die Polizei verbietet also die Demo, weil die Nazis mit ihrer Durchführung nicht ausreichend Öffentlichkeit erreichen würden. Demnächst sollen noch Handzettel verteilt werden, auf denen erfahrene Polizei-Demo-Beobachter günstige Demozeiten und erfolgreiche Routen empfehlen, um Kommunikation mit dem Umfeld, das nach Angaben eines Polizeipförtners mindestens vier Menschen, davon aber höchsten ein Kind (unter 13) umfassen muss, sicherzustellen.

Die Maßnahme entwickelt allerdings nur langsam Überzeugungskraft. Vor Ort seinen dennoch "7 Personen angetroffen" worden, "weitere waren im Anmarsch, wurden aber durch bereits vor Ort befindliche Teilnehmer per Handy abgesagt (Grund starke Polizeipräsenz). Die vor Ort befindlichen Personen sind polizeilich (rechtslastig) bekannt. Der GEL sprach vor Ort mit dem Veranstalter, dieser zeigte sich einsichtig. Alle Aufträge wurden erledigt, festgestellt wurde ein eiligst auf einem Bettlaken aufgemalter Spruch: “Stoppt linke Gewalt“, Farbe rot. Eine Demonstration fand nicht statt."


Puhh, das war knapp. Aber der Hinweis, dass eine rechte Demo untersagt werden muss, weil sie nach 22 Uhr nicht genügend Öffentlichkeit erreicht, ist nicht nur fast, sondern total genial. Davon können selbst die Demo-aversen Chinesen noch lernen.Und noch ist es nicht vorbei in Wittenberg. Denn nun suchen die Beamten engagiert nach dem Grund für die Beinahe-Demonstrativhandlung unter Ausschluß der Öffentlichkeit.


Die Überprüfung zum Anlass der Spontandemo ergab, dass sich keine Personen im Krankenhaus gemeldet hatten, die geschlagen worden seien. Vor diesem Hintergrund wird noch der Verdacht der Vortäuschung einer Straftat gegen den
Herrn F. (Demo-Anmelder) geprüft.
Na bitte, wieder eine rechte Stratat mehr: Sich als Opfer eines Angriffs nicht ins Krankenhaus begeben zu haben.

Für die Akten noch die eingesetzten Truppenteile, handdividiert dann doch nur drei Polizisten auf einen Nicht-Demonstranten: Eigene Kräftestärke gesamt: 0: 4: 16, davon 1 x SG 5

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