Dienstag, 13. Mai 2008

Fremde Federn: Ein neuer Skalp

Wenn das Gute siegt, ist es Zeit zu Jubeln. Wer und was das Gute ist, darüber herrscht allerdings meist nur Einigkeit, wenn das sechste Bier geschlürft und der Weltfriede in Sichtweite ist. Zum Glück gibt es immer mehr Bereiche, in denen auch bei Tageslicht und ohne Zuhilfenahme von Alkoholika eine einheitliche Betrachtungsweise medial verabredet werden kann.

Im Fall des Thüringer Fast-Ministers Krause war die Komfortzone der Konsensgesellschaft nicht viel breiter als ein Blatt Schreibmaschinenpapier, die Blickwinkel der Weltbetrachtung zeigte allenfalls ein Panorama, wie es aus einer Schießscharte zu sehen ist. Am Ende aber war es völlig ausreichend, die Figur des Peter Krause zusammenschnurrenzulassen auf eine Karikatur, die so gefährlich ist, eben weil sie so ungefährlich aussieht: In der perfiden Logik solcher Affären gilt die Tatsache, dass dem Beschuldigten nicht nachzuweisen ist, dass er ein Nazi ist, als Beweis dafür, dass er sich eben besonders gut getarnt hat.


Erledigt, abgehakt, einmal mehr haben die Sturmgeschütze der deutschen Demokratie ihre Kampagnenfähigkeit nachgewiesen. Kein Wunder, dass es ausgerechnet der Neuen Zürcher Zeitung aus der Schweiz überlassen bleibt, den Fall Krause einzuordnen in eine länger und länger werdende Traditionslinie: Skalps, genommen für das Gute und links vom zelt zum Trocknen aufgehängt.


Die strengen Hüter einer «antifaschistischen» politischen Kultur in Deutschland haben einen neuen Sieg zu feiern. Am Wochenende gab der thüringische CDU-Politiker Peter Detlef Krause bekannt, dass er nicht mehr für das Amt des Kultusministers in Erfurt zur Verfügung stehe, in das er gestern hätte eingeführt werden sollen. «Thüringen atmet auf», überschrieb die «Thüringische Landeszeitung» («TLZ») in ihrem Kommentar und lobte sich als Teil einer ganz grossen Koalition gleich selbst: «Die parlamentarische und ausserparlamentarische Opposition hat eine ebenso gute Arbeit gemacht wie der Lehrerverband, die Gewerkschaften, die Gedenkstätten, die Jüdische Landesgemeinde und der Zentralrat der Juden. Gemeinsam gelang es mit der im Boot, eine schwere Fehlentscheidung für unser Land abzuwenden.»

Zwei Wochen lang hatten nicht nur die führenden Zeitungen der Region, sondern auch überregionale Medien die mitteldeutsche Provinz zum Schauplatz einer gefährlichen Attacke auf die Zivilgesellschaft («Taz») hochgeschrieben. Während die vereint zuschlagenden Vertreter der drei Linksparteien im Lande, die sich gute Chancen ausrechnen, im nächsten Jahr die lange CDU-Regierungszeit in Thüringen zu beenden, gleich den Zugriff eines Holocaust-Leugners auf das Kultusministerium skandalisierten, übten sich Zeitungen in investigativem Journalismus eigener Art. Sie enthüllten das seit dem Landtagswahlkampf 2004 Offenbare: Peter Krause arbeitete 1998 für ein paar Monate in der Redaktion der nationalkonservativen Wochenzeitung «Junge Freiheit» und ist auch in zwei weiteren, eher marginalen Blättern des rechtskonservativen Spektrums mit Beiträgen vertreten. Dies wurde ihm nun zum Verhängnis. Die «Zeit» argwöhnte, die CDU wolle mit einem Minister Krause den «rechten Rand» anlocken, die «Frankfurter Rundschau» erklärte Krauses Gesinnung für nicht ministrabel, und die «TLZ» echauffierte sich täglich aufs Neue: «Wo sind wir hingeraten?»

Keine schlechte Frage, allerdings in einem andern Sinne, als dies die Thüringer Lokalredaktoren gemeint haben werden. Was dort geschah, wirft ein düsteres Licht auf die deutschen Diskursverhältnisse, zeigt es doch, dass Medien ohne professionelle Selbstkontrolle an Kampagnen mitmachen, wenn diese die Stossrichtung «gegen rechts» haben. Sobald die antifaschistischen Fanfaren schmettern, sind nur noch Haltung und Engagement angesagt, nicht aber mehr Prüfung der Fakten und kritische Distanz.

So hat es mit wenigen Ausnahmen in den deutschen Medien niemanden gestört, dass die Jagd auf Krause keine belastbaren Belege für seine «rechtslastige» (Spiegel online) oder «ultrakonservative» («Taz») Gesinnung zutage förderte. Sieht man im Online-Archiv der «Jungen Freiheit» die über dreissig Beiträge durch, die er 1998 dort publizierte, liest man manchmal etwas bieder argumentierende Texte auf der Suche nach einer nationalkonservativen Position. Auch das Interview-Verhör, das der Chefredaktor der Springer-Zeitung «Die Welt» mit ihm führte, lieferte nichts Anstössiges.

Peinlich war hier nur der Gestus, mit dem ein ehemaliger Linksrevolutionär den gesamten Gedankenhaushalt des Verdächtigen prüfte und am Ende Peter Krause, der über den Romantiker Friedrich Schlegel und die Redekunst um 1800 promovierte, noch über die Gefahren seines Forschungsgebiets belehrte.
Immerhin gebe es ja von der deutschen Romantik einen «Weg in den konservativsten Nationalismus». Da wirkte wohl noch jene revolutionäre Wachsamkeit, mit der man zu andern Zeiten und an andern Orten jede Abweichung aufspüren musste.

Peter Krause, der in der DDR schon als Schüler Repressalien ausgesetzt war, hat nach der Wende daran mitgearbeitet, das demokratische Leben in Thüringen in Gang zu setzen. Was ihm jetzt zustiess, zeigt den desolaten Zustand der öffentlichen Kommunikation in Deutschland, wenn es um die Verschränkung von Gegenwart und NS-Vergangenheit geht. Vom Zustand, in dem nur «die zwanglose Kraft des besseren Arguments gilt», ist man weit entfernt. Offenbar braucht die deutsche öffentliche Meinung im Halbjahresrhythmus die Entlarvung und Ausstossung eines (vermeintlichen) NS-Wiedergängers als letztes gemeinschaftsbildendes Ritual.

1 Kommentar:

  1. TEMPELHERR: Das geht
    Mir nah'! Besonders, da man sagt, er habe
    Das Mädchen nicht sowohl in seinem, als
    Vielmehr in keinem Glauben auferzogen,
    Und sie von Gott nicht mehr nicht weniger
    Gelehrt, als der Vernunft genügt.

    PATRIARCH: Tut nichts!
    Der Jude wird verbrannt . . .

    (Lessing, Nathan der Weise)

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