Betreff: „Spuren an verstecktem Ort"
Mit der Frage, wann die Universität nach Martin Luther benannt worden sei, eröffnete der MZ-Redakteur Peter Godazgar seinen Bericht über einen Stadtrundgang der Initiative Zivilcourage und der SPD-Arbeitsgemeinschaft „60 Plus". Die gebotene Auflösung des angeregten „Halle-Rätsels" folgte sofort, indem der Redakteur wiedergab, was ihm und den anderen Teilnehmern des „historisch-kritischen Rundgangs" von Diplomphilosoph Rainer von Sivers erzählt worden war. Leider ist die gebotene Darstellung der Universitätsgeschichte in der NS-Zeit „historisch" falsch und deshalb „kritisch" zu bewerten, denn sie entspricht nicht den historischen Tatsachen.
Die Universität hat tatsächlich im Herbst 1933 den Namen des Reformators verliehen bekommen, aber dies ging keineswegs auf die Intention der Machthaber des Dritten Reiches zurück. Bereits in den späten 20er Jahren besann sich die Hochschule auf ihr reformatorisches Erbe und sah in diesem „Alleinstellungsmerkmal" eine Möglichkeit, Ansehen und Profil zu schärfen. Anlass hierfür waren die sinkenden Studentenzahlen sowie Befürchtungen einer Schließung des Universitätsstandortes, der als akademisches Sibirien Preußens geschmäht wurde. Unter der sozialdemokratischen Landesregierung in der Zeit der Weimarer Republik stand zudem die preußische Eigengeschichte der Halleschen Universität nicht hoch im Kurs, sodass bereits 1930 der preußische Kultusminister Adolf Grimme per Erlass der Universität ihren „Friedrich" nahm. Der Verweis auf die historische Bedeutung der Hochschule als Bewahrerin der Lehrstühle Luthers und Melanchthons sollte den Ansehensverlust kompensieren. Zu diesem Zweck fand beispielsweise zwischen 1927 und 1941 jährlich eine akademische Reformationsfeier statt. Die Idee einer Benennung der Hochschule nach Martin Luther entstand also nicht erst nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten.
Als die Universität im Sommer 1933 aus Anlass des 450. Geburtstags des Reformators beantragte, den Namen Luthers verliehen zu bekommen, traf dies bei den Nationalsozialisten keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. Bei der entscheidenden Abstimmung im Senat votierten die nationalsozialistisch gesinnten Professoren dagegen. Auch der Kultusminister des Dritten Reichs Bernhard Rust, obwohl selbst Hallenser Absolvent, musste mehrfach um Zustimmung gebeten werden und schickte für die offizielle Bekanntgabe des neuen Namens anlässlich der Reformationsfeier am 31. Oktober 1933 seinen Ministerialdirigenten. Gauleiter Jordan wohnte der Veranstaltung ebenfalls nicht bei.
Von einer Namensverleihung unter nationalsozialistischer Ägide kann deshalb nicht die Rede sein. Die näheren Umstände zeigen vielmehr exemplarisch, dass es kein methodisches und einheitliches Vorgehen gab, um Martin Luther für das Dritte Reich nutzbar zu machen. Dies gilt auch für die von Rainer von Sivers gemachte Behauptung, Luthers „wüste Schriften gegen die Juden" hätten den Reformator als Namensgeber für die Universität prädestiniert. Es gibt in den zur Verfügung stehenden Quellen des Universitätsarchivs sowie zeitgenössischen Publikationen keinen Hinweis auf eine Verbindung zwischen dem akademischen Luthergedenken zwischen 1933 und 1945 und der Stellung des Reformators zu den Juden. Dieses Thema spielt beispielsweise in keiner der Festreden anlässlich der bis 1941 jährlich stattfindenden Reformationsfeiern eine exponierte Rolle. In das Reich der in Halle gern bedienten Legenden gehört auch die Erwägung einer „Rosenberg-Universität". Dem Ideologen des Dritten Reiches wurde in Halle erst in den späten 30er Jahren das Protektorat angetragen, weshalb die Behauptung Herrn von Sivers, 1933 hätte man kurz daran gedacht, die Hochschule nach Alfred Rosenberg zu benennen, nicht stimmt.
Die Martin-Luther-Universität stellt sich ihrer Eigengeschichte und klammert die schwierigen Jahre nicht aus. Voraussetzung einer wahrhaft historisch-kritischen Darstellung und Bewertung ist jedoch ein fundiertes Wissen und nicht das Bedienen von Klischees. Im Rahmen eines Forschungsprojekts zu den akademischen Festreden anlässlich der Reformationsjubiläen wurden deshalb beispielsweise die in Halle 1927 – 1941 stattgefundenen Reformationsfeiern analysiert, die in einem direkten Zusammenhang mit der Namensverleihung 1933 stehen. Die gewonnenen Erkenntnisse ergänzen bereits vorliegende Veröffentlichungen über die Universitätsgeschichte und erscheinen als Aufsatz im Oktober im Rahmen einer wissenschaftlichen Publikation.
Mit der Frage, wann die Universität nach Martin Luther benannt worden sei, eröffnete der MZ-Redakteur Peter Godazgar seinen Bericht über einen Stadtrundgang der Initiative Zivilcourage und der SPD-Arbeitsgemeinschaft „60 Plus". Die gebotene Auflösung des angeregten „Halle-Rätsels" folgte sofort, indem der Redakteur wiedergab, was ihm und den anderen Teilnehmern des „historisch-kritischen Rundgangs" von Diplomphilosoph Rainer von Sivers erzählt worden war. Leider ist die gebotene Darstellung der Universitätsgeschichte in der NS-Zeit „historisch" falsch und deshalb „kritisch" zu bewerten, denn sie entspricht nicht den historischen Tatsachen.
Die Universität hat tatsächlich im Herbst 1933 den Namen des Reformators verliehen bekommen, aber dies ging keineswegs auf die Intention der Machthaber des Dritten Reiches zurück. Bereits in den späten 20er Jahren besann sich die Hochschule auf ihr reformatorisches Erbe und sah in diesem „Alleinstellungsmerkmal" eine Möglichkeit, Ansehen und Profil zu schärfen. Anlass hierfür waren die sinkenden Studentenzahlen sowie Befürchtungen einer Schließung des Universitätsstandortes, der als akademisches Sibirien Preußens geschmäht wurde. Unter der sozialdemokratischen Landesregierung in der Zeit der Weimarer Republik stand zudem die preußische Eigengeschichte der Halleschen Universität nicht hoch im Kurs, sodass bereits 1930 der preußische Kultusminister Adolf Grimme per Erlass der Universität ihren „Friedrich" nahm. Der Verweis auf die historische Bedeutung der Hochschule als Bewahrerin der Lehrstühle Luthers und Melanchthons sollte den Ansehensverlust kompensieren. Zu diesem Zweck fand beispielsweise zwischen 1927 und 1941 jährlich eine akademische Reformationsfeier statt. Die Idee einer Benennung der Hochschule nach Martin Luther entstand also nicht erst nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten.
Als die Universität im Sommer 1933 aus Anlass des 450. Geburtstags des Reformators beantragte, den Namen Luthers verliehen zu bekommen, traf dies bei den Nationalsozialisten keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. Bei der entscheidenden Abstimmung im Senat votierten die nationalsozialistisch gesinnten Professoren dagegen. Auch der Kultusminister des Dritten Reichs Bernhard Rust, obwohl selbst Hallenser Absolvent, musste mehrfach um Zustimmung gebeten werden und schickte für die offizielle Bekanntgabe des neuen Namens anlässlich der Reformationsfeier am 31. Oktober 1933 seinen Ministerialdirigenten. Gauleiter Jordan wohnte der Veranstaltung ebenfalls nicht bei.
Von einer Namensverleihung unter nationalsozialistischer Ägide kann deshalb nicht die Rede sein. Die näheren Umstände zeigen vielmehr exemplarisch, dass es kein methodisches und einheitliches Vorgehen gab, um Martin Luther für das Dritte Reich nutzbar zu machen. Dies gilt auch für die von Rainer von Sivers gemachte Behauptung, Luthers „wüste Schriften gegen die Juden" hätten den Reformator als Namensgeber für die Universität prädestiniert. Es gibt in den zur Verfügung stehenden Quellen des Universitätsarchivs sowie zeitgenössischen Publikationen keinen Hinweis auf eine Verbindung zwischen dem akademischen Luthergedenken zwischen 1933 und 1945 und der Stellung des Reformators zu den Juden. Dieses Thema spielt beispielsweise in keiner der Festreden anlässlich der bis 1941 jährlich stattfindenden Reformationsfeiern eine exponierte Rolle. In das Reich der in Halle gern bedienten Legenden gehört auch die Erwägung einer „Rosenberg-Universität". Dem Ideologen des Dritten Reiches wurde in Halle erst in den späten 30er Jahren das Protektorat angetragen, weshalb die Behauptung Herrn von Sivers, 1933 hätte man kurz daran gedacht, die Hochschule nach Alfred Rosenberg zu benennen, nicht stimmt.
Die Martin-Luther-Universität stellt sich ihrer Eigengeschichte und klammert die schwierigen Jahre nicht aus. Voraussetzung einer wahrhaft historisch-kritischen Darstellung und Bewertung ist jedoch ein fundiertes Wissen und nicht das Bedienen von Klischees. Im Rahmen eines Forschungsprojekts zu den akademischen Festreden anlässlich der Reformationsjubiläen wurden deshalb beispielsweise die in Halle 1927 – 1941 stattgefundenen Reformationsfeiern analysiert, die in einem direkten Zusammenhang mit der Namensverleihung 1933 stehen. Die gewonnenen Erkenntnisse ergänzen bereits vorliegende Veröffentlichungen über die Universitätsgeschichte und erscheinen als Aufsatz im Oktober im Rahmen einer wissenschaftlichen Publikation.
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