Sonntag, 13. April 2008

Wo das Glück zu Hause ist

Es gibt diese Geschichten vom ganz großen Glück wirklich, die sich kein Drehbuchautor ausdenken würde, weil sie einfach zu ausgedacht aussehen. Nur hier unten in der Fußballprovinz, in der der ebenso traditionsreiche wie erfolgsentwöhnte Hallesche Fußballklub gegen den Untergang kickt, passieren im Ernstfall eher andere Dinge: Kaum war der von seinen Fans immer noch trotzig "Chemie" genannte Klub endlich mal wieder auf Platz 1 der Tabelle vorgestoßen, stand schon der Fußballverband des Ostens bereit, von hirnfreien Kurvengängern intonierte Fanchöre, für die das Hamburger Chormagazin "Spiegel" ausgiebig deutschlandweit Werbung gemacht hatte, mit der Aberkennung des ersten Platzes zu prämieren.

Zusätzlich durften zum Spiel gegen den ZFC Meuselwitz, der den Hallensern als Angstgegner gilt, nur 1000 Zuschauer eingelassen werden - unter ihnen selbstverständlich auch alle Mitglieder der für die Krise verantwortlichen Singegruppe.

Unter diesen Bedingungen spricht in Halle, wo das Glück nicht zu Hause ist, alles für ein sang- und klangloses Remis. Das würde die gastgebende Elf auf der Zielgerade der Saison in den Abgrund des Tabellenmittelfeldes stürzen und sicherstellen, dass die Geschichte ehemaligen Bundesligisten im Sommer endet.

Allerdings ist da ja noch Nico Kanitz, ein dreikäsehoher Linksaußen, der am Abend vor dem Spiel Vater eines "Pepe" genannten Babys geworden ist. In der vierten Minute nimmt er eine Ecke von Torsten Görke volley und schießt den Ball aus 15 Metern in Netz.

Meuselwitz aber schlägt zurück und macht nur fünf Minuten später den Ausgleich, nachdem Christian Kamalla, nach dem Kreuzbandriß von Abwehrchef David Berger in die erste Elf gerückt, vorm eigenen Strafraum stolpert, fällt und den Weg freimacht für den Tschechen Bocek, der dankbar ausgleicht.

Da wankt die Tribüne und für Minuten wackelt auch der Klub. Der HFC hat Chancen, ein halbes Dutzend sogar. Aber Tore machen weder Neubert noch Kanitz noch Görke. Selbst als Neubert nach einem Pass des ansonsten viel zu kleinteilig dribbelnden Shubititze allein auf den Meuselwitzer Kepper zuläuft, geht der Ball an der falschen Pfostensete vorbei. Erst kurz vor der Pause, als der ungelenke Winter-Einkauf sich zwei Meter vor dem Tor selbst tunnelt, statt den Ball über die Linie zu tippen, fällt die längst verdiente erneute Führung: Kanitz, der über den Platz läuft, als sei er in einen Badewanne mit Zaubertank gefallen, trifft im Nachschuß.

Der Rest ist ein kurzes, scharfes Aufbegehren der Gäste, dem der HFC mehr mit Staunen als mit Widerstand begegnet. Dann aber bringt Trainer Sven Köhler das Klub-Urgestein Rene Stark für Shubititze, der die Zehn nur auf dem Rücken trägt. Vier Minuten später setzt sich Kanitz links durch, Neubert irritiert den Meuselwitzer Keeper Dix. Und Stark zieht aus zehn Metern ab.

Das Spiel ist entschieden, die Tribüne bebt, die angemessenerweise auf der rechten Seite zwangsplatzierte Fankurve singt, nimmt aber nicht ein verbotenes Wort in den Mund. Mit dem Abpfiff belohnt sich HFC-Kapitän Torsten Görke noch selbst: Ein Verlegenheitsschuss des besten Mannes auf dem Platz wird abgefälscht und fällt ins Netz. Die Fans singen jetzt "Spitzenreiter, Spitzenreiter", der Stadionsprecher teilt mit, dass Konkurrent Markleeberg im Begriff ist, daheim gegen den Ortsrivalen Sachsen Leipzig zu verlieren. Es gibt diese Geschichten vom ganz großen Glück wirklich, die sich kein Drehbuchautor ausdenken würde, weil sie einfach zu ausgedacht aussehen.

2 Kommentare:

  1. War ein Super Spiel und die Aussage ist hoffentlich beim Verband angekommen, die offiziellen Aufpasser vom NOFV haben jedenfalls ein wenig verlegen geschaut(schlechtes Gewissen, ach ne gibt es ja da nicht, die haben ja das Herz beim "Holländer Michel" gegen eines aus Stein getauscht)?!

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  2. wieder einer dieser herrlich unterhaltsamen berichte über meinen HFC. wer immer sie sind lieber schreiber, sie treffen damit bei mir voll ins schwarze. ich jedenfalls hab jedes mal mindestens ein bis zwei schmunzler dabei :O)

    weiter so!!!

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