Die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen befürworten die Beugehaft für den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, mit der dieser gezwungen werden soll, endlich die von ihm beis heute geheimgehaltenen Finanziers der CDU während der Zeit seines Parteivorsitzes zu nennen. In Bezug auf das Ergebnis sind sie jedoch skeptisch.
"Oldenburgische Volkszeitung" (Vechta)
"Der deutsche Rechtsstaat greift zu einem seiner schärfsten Mittel: Beugehaft für den Ex-Kanzler Helmut Kohl. Dennoch ist es ungewiss, ob auf diesem Wege die lange zurückliegende Parteispendenaffäre aufgeklärt werden kann. Fest steht nur: Der Altkanzler ist es der Öffentlichkeit schuldig, an der Aufklärung mitzuwirken."
"Stuttgarter Nachrichten"
"Helmut Kohl könnte reden. Aber er schweigt. Auch Wolfgang Schäuble, heute Innenminister, verweigerte bisher jede Hilfe bei der Aufklärung. Die Staatsmacht hat fast allen Tätern eine neue Chance gegeben. Gedankt wird es ihr nicht. Für die CDU-Führung von gestern zählt die Ganovenehre mehr. Jede Straftat verlangt nach Sühne. Solange die CDU-Parteispendenaffäre unaufgeklärt ist, bleibt der Friede in unserer Gesellschaft gestört. Sie sollen reden oder brummen."
"Flensburger Tageblatt"
"Ein Jahrzehnt nach dem CDU-Parteispendenkomplott ist der ideologische Zusammenhalt dieser Verantworltichen noch immer so stark, dass kein Mitglied die individuellen Schuldfragen beantworten will. Der entscheidende Täterkreis aber zeigt keine Spur von Reue. Den glaubhaftesten Beleg für eine moralische Umkehr, nämlich die vollständige Aufklärung der Taten, bleibt er schuldig. Ein solches Ausmaß fortdauernder kollektiver Verblendung ist einzigartig in der Verbrechensgeschichte Nachkriegsdeutschlands."
"Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (Essen)
"Der zeitliche Abstand zu einer Straftat spielt keine Rolle: Der Bundesgerichtshof handelt folgerichtig, wenn er gut zehn Jahre nach dem Auffliegen der CDU-Parteispendenaffäre zu seinem schärfsten Instrument greift und gegen den ehemaligen Kanzler wegen Aussage- Verweigerung Beugehaft anordnet. Der Rechtsstaat basiert unter anderem auf der Zusicherung der Strafverfolger, sich mit allen Mitteln um die Aufklärung von Straftaten zu bemühen Verlässlichkeit und Vertrauensschutz sind elementare Säulen unserer Rechtsordnung. Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob die mögliche Beugehaft zu dem erwünschten Ergebnis führen wird, ob also die Umstände der Parteispendenaffäre endgültig aufgeklärt werden. Es gibt gute Gründe, daran zu zweifeln."
"Südwest Presse" (Ulm)
"Der Beschluss des Bundesgerichtshofs, gegen den früheren Kanzler Helmut Kohl Ordnungshaft zu verhängen, zeigt, dass die Justiz nicht gewillt ist, einen Schlussstrich unter die Parteispendenaffäre zu ziehen. Ob sich der frühere CDU-Chef von der maximal sechsmonatigen Ordnungshaft beeindrucken lässt, ist fraglich. Denn die CDU-Führung hat stets so kollektiv geschwiegen, wie sie ihre Taten kollektiv geplant und ausgeführt haben "
"Kölnische Rundschau"
"Die Staatsmacht hat den Tätern eine neue Chance gegeben. Gedankt wird es ihr nicht. Für die Parteispendensammler von gestern zählt auch heute offensichtlich noch immer mehr ihre alte Ideologie, diesem Staat nicht zu vertrauen, geschweige denn, zur Aufklärung alter Verbrechen beizutragen. Der Ex-Kanzler sollte endlich reden - oder eben in Haft."
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