Es tropft tagtäglich aus dem Radio, schwappt aus der Tagesschau, hält das dpa am Leben und dient als immertaugliche Beschreibung des Unbeschreiblichen: Der Halbsatz "Wirbel um" hat eine beinahe beispiellose Karriere gemacht in Deutschland. Mitten zwischen seinen Brüdern "Streit um", "Skandal um" und "Debatte um" aufgewachsen, gilt "Wirbel um" heute als unumschränkter Star aller Schlagzeilen. "Wirbel um" ist die Umschreibung des Unsinnigen, ein vor Bewegungslust federnder Ausdruck der Dynamik des absoluten Stillstands. Wo es nichts zu sagen gibt, herrscht "Wirbel um", wo die Positionen unklar sind und sich Konflikte einer Erläuterung in drei kahlen Zeilen durch Komplexität entziehen, hilft "Wirbel um" die Fronten zu klären: Die Welt ist plötzlich wieder einfach, denn egal ob Scheingefecht oder Entscheidungsschlacht - "Wirbel um" passt immer, beeindruckt durch ganz konkrete Geschmeidigkeit und pfeift als verbaler Sturmangriff durch den luftleeren Raum folgenloser Debatten. Eine Gesellschaft, deren vertonte Herzschlagkurve sich anhören würde wie ein schnarchender Labrador, simuliert sich wenigstens verbal jugendliche Lebendigkeit zurück.
Am liebsten tut sie das mit dieser magischen Fügung, deren Kraft sich herumgesprochen hat, wie eine PPQ-Statistik verrät. Vor zehn Jahren, als "Wirbel um" noch ein laues Lüftchen war, griff die Heimatzeitung gerade 17 Mal in zwölf Monaten zu den unschlagbaren acht Buchstaben, die alles und nichts umranden können. Auch die überregionalen Leitmedien waren mit läppischen 19 Wirbel-Tagen im Grunde genommen auf "Wirbel um"-Diät.
Fünf Jahre und zwei gesprengte Türme später führte "Wirbel um" dann aber bereits 46 HZ-Beiträge in den Kampf am Kiosk. Auch die großen Medien hatten den Zug der Zeit erkannt: "Wirbel um" kündigte 107-mal heute längst schon wieder vergessene Konflikte um Irak-Krieg und Effenberg, Möllemann, Scharping und die Sojabohne an.
Schneller Vorlauf, vergangenes Jahr: 71 Mal rief die Trompete nun allein in der Region, und "Wirbel um" war zur Stelle, um aus wirbellosem Nachrichtenkaugummi einen knackigen Konflikt zu blasen. Deutschlandweit gesehen steht der Trend nicht weniger steil nach oben: 129 Schlagzeilen mit "Wirbel um" in einem Jahr gab es vorher noch nie.
Das Ende der Geschichte aber ist das noch lange nicht. 2007 steht der regionale Zähler nach vier Monaten schon auf 29, der überregionale bei 46. Alles deutet auf neue Rekorde, die bei über 110- bzw. über 220-mal "Wirbel um" liegen könnten.
grandioser text, phantastische sprache. ich musste bekümmert mir gerade eingestehen, was ich nie können werde.
AntwortenLöschenden text anbieten und er schafft es in jeden kulturteil der edel-gazetten.
ich muss gundermann neidlos recht geben.
AntwortenLöschenalle wirbel sind verbraucht: das würde erklären, wo die wirbelstürme abgeblieben sind.
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