Dienstag, 1. Januar 2019

Frankreichs Verrat: Achsenbruch Paris - Berlin


Sie hatten so viel vor, die beiden. Gemeinsam mit Emmanuel Macron wollte Angela Merkel gemeinsame europäische Lösungen für die Flüchtlingsfrage finden, eine vereinte Armee aufbauen, die den Russen abschreckt, die EU-Haushaltsregeln krisenfest machen, die großen Digitalkonzerne besteuern, eine Finanztransaktionssteuer einführen, eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung und eine Einlagensicherung für alle europäischen Banken. Deutschland und Frankreich, Frankreich und Deutschland, sie würden, das war ausgemacht, letztlich dieses ganze oft so malade wirkende Europa neu gründen.

Große Vorhaben, welthistorisch geradezu, die Mercron, wie die beiden Hauptakteure fast schon liebevoll genannt wurden, sich da in für die letzten Monate ihrer gemeinsamen Amtszeit vorgenommen hatte. Macron war schon weit vorgeprescht, Merkel aber bereit, ihm überallhin zu folgen. Es fehlte nicht am Willen, sondern ein bisschen an der Einigung auf Details. Aber aus der Geschichte des Kontinents ist bekannt: Seit es die EU gibt, kommt es wegen soetwas nicht mehr zum Krieg. Jedenfalls nicht in Kerneuropa.

Allerdings hält aber eben auch der Zauber nicht ewig, der auch dem Anfang zwischen dem jungen Präsenten und der viel älteren Frau nach Meinung des früheren Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" innewohnte. Bald nach der ersten Stippvisite des Franzosen in Berlin begann der Überlebenskampf, der die Bundeskanzlerin ihre Amt als CDU-Vorsitzende kostete. Von der "gemeinsamen pro-europäische Initiative", mit der beide hatten "neue Impulse zur Stärkung der EU und der Eurozone" auslösen wollen, war nie mehr die Rede. Und auch die verstummte, als Macron vor den Protesten von ein paar tausend marodierenden Rettungswestenträgern einknickte und die europäischen Haushaltsregeln ein weiteres Mal zur Kann-Bestimmung erklärte.

Ein Verrat an Europa, das schon unter der Weigerung des mussolinischen Italiens leidet, vereinbarte Schritte zur Beendigung der Überschuldung zu gehen. Und ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich bekanntlich völlig ungeniert: Nur wenige Tage nach der Aufkündigung der europäischen Solidarität durch den Élysée-Palast kündigt Macron die nächste Robinsonade an. Diesmal führt Paris ohne Abstimmung mit den Partnerstaaten eine Digitalsteuer ein, die auf den Umsatz von Technologiekonzernen wie Google, Apple, Facebook und Amazon erhoben werden soll.

Eigentlich liegt diese neue "Unternehmensbesteuerung bei signifikanter digitaler Präsenz", wie sie in Brüssel genannt wird, noch auf dem Verhandlungstisch der EU. Ziel eines Vorschlag der EU-Kommission war es gewesen, den Mitgliedstaaten zu erlauben, Gewinne, die in ihrem Hoheitsgebiet erwirtschaftet werden, auch ohne eine physische Präsenz eines Unternehmens in ihrem Gebiet zu besteuern. Aus Angst, dass die USA ihrerseits im Gegenzug in den USA erwirtschaftete Gewinne deutscher Firmen stärker besteuern könnten, hatten Angela Merkel und Bundesfinanzminister Heiko Scholz eine Einigung allerdings hinhaltend verzögert.

Frankreich setzt sich nun nicht nur über die deutschen Befürchtungen hinweg, sondern auch über die europäischen Regeln, die der EU-Kommission die Aufgabe übertragen, "sicherzustellen, dass Grundsätze wie Nichtdiskriminierung und Freizügigkeit im Binnenmarkt nicht verletzt werden". Die französische Insellösung arbeitet dem einheitlichen digitalen Binnenmarkt, auf den die EU hinzuarbeiten vorgibt, direkt entgegen. Statt Zusammenwachsen gibt es Kleinstaaterei, statt gemeinsamer europäischer Lösung einen Sonderweg, auf dem für Einnahmen von geschätzten 500 Millionen Euro ein weiteres Mal ein Stück des europäischen Ideals von der eng verbunden Staatengemeinschaft auf dem Weg zum europäischen Bundessaat geopfert wird.

1 Kommentar:

teu hat gesagt…

Ich gehe mal davon aus, dass die Länder, die die EU finanzieren noch so etwas wie ein Selbstbestimmungsrecht haben sollten.
Mitesser am Arsch des Kapitalismus, also z.B. Ungarn, sind dahin zu überweisen.