Samstag, 30. Juni 2018

Europäische Endlösung: Wortgeklingel im Sammellager

Um vier Uhr dreißig morgens endlich der Schwur. Die Führer Europas legen die Hände übereinander. Ja, man spricht wieder eine gemeinsame Sprache in Brüssel und man hat sich geeinigt, wie die derzeitige "Schicksalsfrage" (Merkel) des Kontinents beantwortet werden soll. Die Lösung, um die Angela Merkel beinahe drei Jahre lang gekämpft hatte, ist denkbar einfach: Länder, die das mögen, richten künftig Sammellager ein, in die Neuankömmlinge von außerhalb der EU eingewiesen werden. Dort findet die Selektion derer statt, die bleiben dürfen und im Anschluss in andere europäische Länder gebracht werden, die freiwillig erklärt haben, aufnahmebereit zu sein. Alle anderen Bewerber um einen Schutzstatus werden zwangsweise zurück in die Fluchtursachenländer gebracht.

Ein großer Wurf, ja, eine europäische Endlösung, die von zahlreichen Medien umgehend und mit großem sprachlichen Feingefühl nach einem unvergessenen historischen Vorbild benannt wurde, während die EU selbst von mit noch mehr Feingefühl für europäische Geschichte von "controlled centres" - zu deutsch "kontrollierten Zentren" (KZ) - spricht.

Noch ist nicht ganz klar, ob Partnerstaaten bereit sind, die offiziell als "geschlossene Auffanglager" bezeichneten Ankerzentren einzurichten und, wenn ja, wie viele Sammellager es wo geben wird. Unklar bislang auch, welche Länder bereit sind, bei der von den 28 Staats- und Regierungschefs beschlossenen neuen Umverteilungsaktion mitzumachen - der letzte derartige Verteilungsversuch aus dem Herbst 2015 hatte vorgesehen, 160.000 Menschen umzusiedeln, geglückt war aber am Ende nur eine Verteilung von knapp 30.000 Zufluchtsuchenden.

Aber eine europäische Lösung fragt nicht nach Praktikabilität, sie fragt ausschließlich, ob Horst Seehofer mit ihr leben können wird. Von morgen an wollte der CSU-Chef und Heimatminister die deutschen Grenzen für bereits registrierte Geflüchtete schließen, wenn Angela Merkel ihm bis dahin nicht einen Kompromiss anbietet, mit dem die CSU im bayerischen Wahlkampf punkten kann. Die Schicksalsfrage Europas lautet nun: Ist das, was die Staatenlenker unter der Überschrift "Mehr Härte und Abschottung durch Sammellager und Umverteilung" beschlossen haben, genug? Werden der Innenminister und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder den Weiterzug registrierter Flüchtlinge aus anderen EU-Ländern nach Deutschland akzeptieren, wenn sie dafür die völlig unverbindliche Zusage bekommen, EU-Ländern könnten nun oder irgendwann, wenn sie denn mögen, Sammellager bauen, an deren Bau sie nach einem Bericht der "Zeit" auch bislang eigentlich niemand gehindert hätte?

Die AfD wenigstens frohlockt, war sie es doch, die bereits im Sommer 2016 nach Sammellagern für Flüchtlinge verlangt hatte. Damals eine menschenfeindliche Forderung, die allgemeine Ablehnung erfuhr. Nach den Nacht in Brüssel plötzlich die magische menschenfreundliche Formel, die Europa wiedervereint und dem rechten Rand das braune Wasser abgräbt.


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