Samstag, 12. Mai 2018

HFC & Rico Schmitt: Ende eines Irrtums - ein Nachruf

 
Die Vögel flogen tief an jenem feuchtkalten Februarsamstag, der den Sturm auf Platz 2 in der 3. Liga bringen soll. Rico Schmitt saß auf der Trainerbank beim HFC, nicht mehr der neue Mann mit dem neuem Elan, der den Kurzzeitretter Stefan Böger vorfristig ersetzt und aus der langfristigen HFC-Planung ein kurzfristiges Taktieren gemacht hatte. Sondern schon nach einem knappen Jahr ein verbrauchter Trainer, dessen Handschrift nicht erkennbar ist.

Doch das weiß noch niemand. Die Spieler des Halleschen FC sind an diesem Apriltag des Jahres 2016 angetreten, gegen Osnabrück zu siegen. Platz 2 in der Tabelle winkt, ein goldener Herbst soll gekrönt werden, der HFC könnte heute zeigen, dass hier wirklich eine neue Ära angebrochen ist.

Anfangs alles toll


Sie begann mit einem  1:0 gegen einen Aufstiegsaspiranten. Schmitt auf der Bank. Alles toll! Sieg in Köln, Sieg gegen Osnabrück. Doch wer so stark anfängt, kann auch stark abbauen: Schon nach einer langen Sommerpause hat sich der Schmitt-Effekt verbraucht. Erstes Anzeichen ist der DFB-Pokal. Gegen Hamburg schickt Schmitt eine Elf auf den Platz, die ausgekontert und abgeschlachtet wird. Chancenlos. Gegen Hamburg ist die Gästemannschaft gedanklich immer eine Sekunde früher im Spiel. Und der HFC gar nicht. Es folgt dennoch ein langer Aufschwung, unbemerkt fast. Und dann der Exitus einer Winterpause, in der von wirtschaftlichen Schwierigkeiten keine Rede ist. In der aber der beste Stürmer der letzten Jahre dennoch gehen muss.

Der Anfang des Endes der Ära Schmitt, die im Rückblick vor allem geprägt gewesen ist von gelegentlichen Momenten der Hoffnung. Und einem dauernden Grundton aus Tristesse. In der Mannschaft stimmte es sichtlich nicht, die Abwehr war oft genug keine, der Sturm verdiente meist den Namen nicht.

Schon als der HFC noch freien Blick auf die Aufstiegsränge hat, weiß jeder im Stadion: So spielt kein Aufsteiger, so spielt eine Mannschaft, die augenscheinlich davor Angst hat, sie könnte wirklich aufsteigen müssen.

In seiner letzten Sommerpause in Halle wechselte Schmitt weiter. Nach Furuholm musste auch Florian Brügmann gehen. Es kamen Männer mit Helm, Männer mit auswärtigen Nationalmannschaftsverpflichtungen. Männer mit großen Sprüchen und noch größeren Ansprüchen. es kam die Finanzkrise, die beinahe in die Insolvenz geführt hätte. Es kamen Grüppchenbildung, Diskoausflüge, lange Nachmittage  in sonnigen Cafés und viel Verletzungspech. Das sei an allem Schuld, war Rico Schmitt sicher. Statistiker werden später feststellen, dass seine Mannschaft ihre besten Spiele machte, wenn seine wichtigsten Spieler nicht auf dem Platz standen.

Es passte nicht


Sie haben nie zueinander gepasst, die Ambitionen des Auer Aufstiegstrainers und die Erwartungen von halleschem Vorstand und halleschen Fans. Schmitt wollte Funktion, ohne sie herbeizaubern zu können. Dem Publikum kam es auf Form an: In Halle können sie verlieren, sie klatschen sogar dabei, wenn sie zuvor sehen, dass alle alles in die Waagschale geworfen haben.

Aber hier war das selten der Fall. Zu großer Form liefen der Trainer und seine Führungsfiguren am Mikrophon auf, nicht am Ball. "Brutal effektiv" sei der Gegner heute mal wieder gewesen, sagte Schmitt in der Regel, kann man nichts machen, man wird dann "brutal bestraft" (Schmitt). so ungerecht.

Die Turbulenzen außerhalb des Stadions taten ein übriges, dass der Spalt zwischen dem, was als Mannschaft auflief, und dem, was - je länger, je weniger - vom Publikum übrig war, immer breiter und tiefer wurde. Kam eine Ostmannschaft, wurde verloren, kam Magdeburg, sowieso. Zielstellungen, nach Überraschungsaufschwung der Vorsaison ohnehin überraschend defensiv formuliert, wurden im Wochenrhythmus nachgeschärft: Nicht absteigen. Einstelliger Tabellenplatz. Beste Punktausbeute aller Drittligajahre. Doch mal ein Ost-Derby gewinnen.

Nichts. Gar nichts. Die vermutlich teuerste, zugleich aber unsympathischste Mannschaft, die der Hallesche FC jemals in eine Saison geschickt hatte, gurkte durch ihre letzten Monate, wie sie sich schon ein Jahr zuvor präsentiert hatte: Spuren von Trostlosigkeit, achtlos in Langeweile gerührt. Vorn mit der Durchschlagskraft eines Spielzeughammers ohne Griff. Hinten ein Sieb, das nur aus Löchern besteht. Schon vor dem letzten Spieltag hat der HFC mehr Gegentore kassiert als in seiner ersten Drittligasaison vor sechs Jahren. Er wird nach dem letzten Spieltag weniger Partien gewonnen haben als in seiner zweiten Spielzeit in der 3. Liga, er wird einen schlechteren Tabellenplatz belegen als in seiner 3., er hat nicht die ausgeglichene Torbilanz seiner 4. Saison erreicht, dafür aber ein Drittel mehr Spiele verloren haben als in seiner 5.

Eine erbärmliche Bilanz


Für die mutmaßlich teuerste Mannschaft, die je in Halle zusammen Fußball zu spielen versuchte, ist das eine schlimme, eine geradezu erbärmliche Bilanz. Denn es hat ja nicht einmal Spaß gemacht, es hat ja nicht einmal mehr jemand mitgelitten mit den Gjasulas, Fennells, El-Helwes, Starosziks, Rösers und Schilks.


Wie bei der chinesischen Wasserfolter ließen die letzten 4000 Treuen die Spieltage über sich ergehen, hoffnungslos und ohne Erwartungen und doch immer wieder enttäuscht. Wären nicht die wenigen Lichtblicke gewesen, die Auftritte von Toni Lindenhahn und Braydon Manu, das Umsteuern an der Vereinsspitze, die ersten Auftritte des neuen Sportdirektors - es könnte hier gut zuende sein, mit einem Sommerfußballauftritt gegen Zwickau, 2:0 gewonnen, emotionsfrei und viel zu spät, um einen schlechten Eindruck noch in schöne Erinnerungen zu verwandeln.

So aber kann alles nur besser werden.


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