Redet schlecht, was doch so gut ist: Angela Merkel hat sich zuletzt deutlich radikalisiert. |
Sie trat an als verbindliche, freundliche Mittfünfzigerin, eine Frau, die das machohafte des Vorgängers und dessen Basta-Politik schon im Wesen konterkarierte. Angela Merkel trug Kostümjacken, die nach dem Vorbild eines japanischen Trickfilms geschneidert waren. Lustig und so normal, dass die Zigarren, die der SPD-Mann im Amt vorher geraucht hatte, bald vergessen waren. Deutschland hatte wieder eine Kanzlerin, die die Menschen verstand und sie mitnehmen wollte in ein Land, dessen "Volk", so sagte sie, "mehr ist als eine lose Ansammlung von Individuen, und wir wissen, dass ein Volk auch immer eine Schicksalsgemeinschaft ist." Angela Merkel meldete sich zum Dienst an diesem "Volk", sie versprach "mehr Demokratie" und eine "Regierung der Taten".
Taten, zu denen es später auch gekommen ist, wenn auchdie demokratischen Entscheidungsprozesse im Vorfeld eher an Vorgänge in monarchischen Regimen erinnerten als an den Ablauf in reifen Demokratien. Von der Wehrpflicht über den Energieausstieg, von der Rettung des Euro bis zur Erweiterung Europas und schließlich zur Grenzöffnung im September 2015 handelte Angela Merkel immer auf dieselbe Weise: Nach einem unerwarteten Ereignis prüfte sie im stillem Kämmerlein Handlungsoptionen. Wenig später tauchte sie in der Öffentlichkeit auf und verkündete dort eine neue Weichenstellung, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger zum Teil grundlegend änderten.
Aus der Ankündigung, "Verlässlichkeit" solle das Markenzeichen ihrer Bundesregierung sein, wurde eine Regierungspraxis, die auf jähe Wendungen setzte. Merkel beriet ihre Ruderbewegungen nur in ganz kleinem Kreis, vertrat sie dann aber nach außen als "alternativlos". Politik war Gestaltung unter dem Druck der Verhältnisse, die es unmöglich machten, zu Handeln. Grenzen konnten nicht mehr gesichert, Einreisende nicht mehr kontrolliert, Schulden nicht abgetragen, malade Staaten nicht reformiert werden. Zeitspiel war alles, was blieb, Zeitspiel und der Versuch, über eine beständig zunehmende Zahl an außenpolitischen Konflikten dafür zu sorgen, dass der eigene Ruf des letzten wirklich noch moralischen Regimes die peinlichen Pannen der voluntaristischen Regierung auf Sicht überstrahlt.
Nach zwölfeinhalb Jahren im Amt hat sich Merkel weniger an Deutschland angepasst als dass Deutschland eine Merkel-Republik geworden ist. Im Hangover nach der Wahl schienen Leitmedien weitgehend einig darüber, dass es die Kanzlerin noch einmal machen müsse, weil niemand sonst es schaffen könne. Wer "Merkel muss weg" rief, wirkte in der öffentlichen Darstellung wie ein Feind unserer Ordnung, Kanzlerin und Grundgesetz, Demokratie und Amtsinhaberin - das fiel nun alles in eins. 82 Millionen Untertanen, keiner mit einem Marshallstab im Tornister.
Angela Merkel wiederum braucht diese ihre vielleicht doch letzte Amtszeit, um Reparaturen durchzuführen. Die 63-Jährige hat sich seit ihren Anfängen zusehends radikalisiert: Ein Wort wie "Volk", das zu Beginn ihrer Kanzlerkarriere noch wie selbstverständlich zu ihrem Wortschaft gehörte, kommt Angela Merkel heute nicht mehr über die Lippen. Dafür ist sie bereit, unabhängig von der Rechtslage zu argumentieren, dass sie jederzeit "entsprechend unseren Gesetzen und im Einklang mit europäischem und internationalem Recht" gehandelt habe.
Der Wandel, den Merkels Ansichten erfahren haben, seit sie "damals noch nicht so perfekt war“ (Merkel), zeigt sich in vielen Details. Wo sie auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms nicht nur helfen wollte, sondern glaubte, Deutschlands absehbare demografischen Probleme mit Hilfe der Neuankömmlinge zu lösen, droht sie nun zumindest verbal mit einer Kehrtwendung. Das bedeute, "dass diejenigen, die keinen Anspruch auf Schutz haben, unser Land wieder verlassen müssen". Der Sound von Pegida, der feuchte Traum der rechten Populisten. Deren "Abschiebezentren" heißen bei Angela Merkel nun "Ankerzentren". "Von dort", droht sie den Millionen, die in Hoffnung auf Sicherheit und ein leben in Freiheit nach Deutschland gekommen sind, "sollen die Rückführungen erfolgen".
Mama Merkel, die Schutzheilige der Flüchtenden, sie ist Geschichte. Unübersehbar ist die Radikalisierung der als "Mutti" von so vielen Hilfesuchenden weltweit verehrten Hamburgin, die mittlerweile keinen Zweifel daran lässt, dass "eine Situation wie 2015" sich niemals wiederholen wird, ganz egal, welche Nöte und Verfolgungen Menschen irgendwie weitab von Deutschland zu erleiden haben werden. Nicht mehr um ein Deutschland, das als sicherer Hafen vor Krieg, Tod und Vertreibung fungiert, geht es, sondern um Abschiebungen und eine harte Linie, die der AfD und anderen Populisten abgeschaut wurde. Selbst Abschiebungen ins bürgerkriegsverheerte Syrien sind kein Tabu mehr: Eine "Neubewertung der Sicherheitslage" dort, wo nach wie vor der Giftgasmöder und brutale Diktator Assad herrscht, könnte den Weg frei machen, Menschen ins Elend zurückzuschicken, die doch eigentlich helfen sollten, die deutschen Sozialsysteme zu stablisieren
Taten, zu denen es später auch gekommen ist, wenn auchdie demokratischen Entscheidungsprozesse im Vorfeld eher an Vorgänge in monarchischen Regimen erinnerten als an den Ablauf in reifen Demokratien. Von der Wehrpflicht über den Energieausstieg, von der Rettung des Euro bis zur Erweiterung Europas und schließlich zur Grenzöffnung im September 2015 handelte Angela Merkel immer auf dieselbe Weise: Nach einem unerwarteten Ereignis prüfte sie im stillem Kämmerlein Handlungsoptionen. Wenig später tauchte sie in der Öffentlichkeit auf und verkündete dort eine neue Weichenstellung, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger zum Teil grundlegend änderten.
Aus der Ankündigung, "Verlässlichkeit" solle das Markenzeichen ihrer Bundesregierung sein, wurde eine Regierungspraxis, die auf jähe Wendungen setzte. Merkel beriet ihre Ruderbewegungen nur in ganz kleinem Kreis, vertrat sie dann aber nach außen als "alternativlos". Politik war Gestaltung unter dem Druck der Verhältnisse, die es unmöglich machten, zu Handeln. Grenzen konnten nicht mehr gesichert, Einreisende nicht mehr kontrolliert, Schulden nicht abgetragen, malade Staaten nicht reformiert werden. Zeitspiel war alles, was blieb, Zeitspiel und der Versuch, über eine beständig zunehmende Zahl an außenpolitischen Konflikten dafür zu sorgen, dass der eigene Ruf des letzten wirklich noch moralischen Regimes die peinlichen Pannen der voluntaristischen Regierung auf Sicht überstrahlt.
Nach zwölfeinhalb Jahren im Amt hat sich Merkel weniger an Deutschland angepasst als dass Deutschland eine Merkel-Republik geworden ist. Im Hangover nach der Wahl schienen Leitmedien weitgehend einig darüber, dass es die Kanzlerin noch einmal machen müsse, weil niemand sonst es schaffen könne. Wer "Merkel muss weg" rief, wirkte in der öffentlichen Darstellung wie ein Feind unserer Ordnung, Kanzlerin und Grundgesetz, Demokratie und Amtsinhaberin - das fiel nun alles in eins. 82 Millionen Untertanen, keiner mit einem Marshallstab im Tornister.
Angela Merkel wiederum braucht diese ihre vielleicht doch letzte Amtszeit, um Reparaturen durchzuführen. Die 63-Jährige hat sich seit ihren Anfängen zusehends radikalisiert: Ein Wort wie "Volk", das zu Beginn ihrer Kanzlerkarriere noch wie selbstverständlich zu ihrem Wortschaft gehörte, kommt Angela Merkel heute nicht mehr über die Lippen. Dafür ist sie bereit, unabhängig von der Rechtslage zu argumentieren, dass sie jederzeit "entsprechend unseren Gesetzen und im Einklang mit europäischem und internationalem Recht" gehandelt habe.
Der Wandel, den Merkels Ansichten erfahren haben, seit sie "damals noch nicht so perfekt war“ (Merkel), zeigt sich in vielen Details. Wo sie auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms nicht nur helfen wollte, sondern glaubte, Deutschlands absehbare demografischen Probleme mit Hilfe der Neuankömmlinge zu lösen, droht sie nun zumindest verbal mit einer Kehrtwendung. Das bedeute, "dass diejenigen, die keinen Anspruch auf Schutz haben, unser Land wieder verlassen müssen". Der Sound von Pegida, der feuchte Traum der rechten Populisten. Deren "Abschiebezentren" heißen bei Angela Merkel nun "Ankerzentren". "Von dort", droht sie den Millionen, die in Hoffnung auf Sicherheit und ein leben in Freiheit nach Deutschland gekommen sind, "sollen die Rückführungen erfolgen".
Mama Merkel, die Schutzheilige der Flüchtenden, sie ist Geschichte. Unübersehbar ist die Radikalisierung der als "Mutti" von so vielen Hilfesuchenden weltweit verehrten Hamburgin, die mittlerweile keinen Zweifel daran lässt, dass "eine Situation wie 2015" sich niemals wiederholen wird, ganz egal, welche Nöte und Verfolgungen Menschen irgendwie weitab von Deutschland zu erleiden haben werden. Nicht mehr um ein Deutschland, das als sicherer Hafen vor Krieg, Tod und Vertreibung fungiert, geht es, sondern um Abschiebungen und eine harte Linie, die der AfD und anderen Populisten abgeschaut wurde. Selbst Abschiebungen ins bürgerkriegsverheerte Syrien sind kein Tabu mehr: Eine "Neubewertung der Sicherheitslage" dort, wo nach wie vor der Giftgasmöder und brutale Diktator Assad herrscht, könnte den Weg frei machen, Menschen ins Elend zurückzuschicken, die doch eigentlich helfen sollten, die deutschen Sozialsysteme zu stablisieren
5 Kommentare:
Die Epoche unter Kanzler Merkel charakterisiert sich vor allem durch ein Einrichten im Zynismus
Mama Merkel, die Schutzheilige der Flüchtenden, sie ist Geschichte.
Und morgen lesen wir dann ein anderes Märchen.
Nicht die AfD, der Horst wird der Stolperstein von Mutti. Zwei Schritt vor und bisher keinen zurück, im Gleichschritt mit dem Rest der CSU. Daran wird die Union zerbrechen - und der Wahlkampf in Bavaria geht erst los. Spannende Zeiten !
@ Borsig: Zitat aus "Cipollino" von Gianni Rodari: "Mein Sohn, du machst dir Illusionen." Wenn die "Union" "zerbricht", werde ich aber Abbitte tun.
re Gerry : https://dushanwegner.com/zynismus/
der Schmidt will seine Kohle unbehelligt verfrühstücken - er ist Unterhaltungskünstler - kein religiöser Eiferer der sich für die heilige Sache opfert . ( warum auch - er hat lange genug gepredigt und die Leute wählen trotzdem Merkel )
re Zynismus : siehe Sloterdijk
https://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_der_zynischen_Vernunft
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