Es war im Sommer vor fünf Jahren, als das Bundesverfassungsgericht das Wahlrecht wiedereinmal für verfassungswidrig erklärte. Die Regularien, nach denen der Deutsche Bundestag gewählt werde, seien, so das Karlsruher Urteil, verfassungswidrig, sie erlaubten zu viele sogenannte Überhangmandate. Eine von der schwarz-gelben Koalition im Jahr 2011 durchgesetzte Wahlrechtsreform - notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltenden Regelungen für verfassungswidrig erklärt hatte - verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz und die vom Grundgesetz garantierte Chancengleichheit der Parteien (Az.: 2 BvE 9/11).
Das höchste deutsche Gericht bemängelte, dass die Regelung zulasse, dass Überhangmandate in einem Umfang anfallen, "der den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl aufhebt". SPD, Grüne und mehr als 3000 Bürger hatten in Karlsruhe geklagt, sie bekamen Recht. Nur ein neues, verfassungsmäßiges Wahlrecht bekamen sie nicht, wie Parlamentspräsident Norbert Lammert vier Jahre später beklagte. Der CDU-Mann kritisierte einen "Aufbläh-Effekt durch Überhang- und Ausgleichsmandate". Zudem sei das geltende Wahlsystem "völlig intransparent".
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil Sitze zustehen. Bei der Bundestagswahl 2009 gab es 24 Überhangmandate, einige zu viel, wie das Verfassungsgericht urteilte. Eine "zulässige Höchstgrenze von etwa 15 Überhangmandaten" sei das Äußerste, was sich die Parteien gegenseitig zubilligen dürften. Der neue Bundestag hat nun 111 Überhang- und Ausgleichsmandate - statt die Zahl der Überhangmandate wie gefordert zu begrenzen, hatten die Parteien sich entschlossen, Überhangmandate der einen Partei durch Ausgleichsmandate für andere zu neutralisieren.
Von Klage spricht niemand mehr, weil alle vom Mammuteffekt profitieren. Die Grünen, die 1994 noch nach Karlsruhe zogen, um wegen der Überhangmandate die Verfassungsmäßigkeit des Ergebnisses der Bundestagswahl prüfen zu lassen, weil so der damalige grüne Fraktionschef Joschka Fischer, "dem Prinzip Geltung verschafft werden muss, dass alle Wählerstimmen annähernd gleich bewertet werden", profitieren nun selbst von der Vergabe zusätzlicher Sitze nach dem Berechnungsverfahren "Sainte-Laguë/Schepers". Das heilt alle Schmerzen, die ihren Ursprung darin haben, dass die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag anders aussehen als die Zweit-Stimmen-Ergebnisse der Parteien.
Dem allseits geschätzten Norbert Lammert war das Thema dennoch so wichtig, dass er bereits in der ersten Sitzung des jetzt abgewählten Bundestages vor vier Jahren forderte, die Abgeordneten mögen "noch einmal in Ruhe und gründlich" auf das gerade erst geänderte Wahlrecht schauen. Trotz des eindeutigen Ausgangs der Bundestagswahl 2013 habe das Wahlrecht zu 33 Überhang- und Ausgleichsmandaten geführt. Dies lasse "die Folgen ahnen, die sich bei einem anderen, knapperen Wahlausgang für die Größenordnung künftiger Parlamente ergeben könnten". Mathematiker hatten zuvor ermittelt, dass aus von der Verfassung vorgesehenen 598 Abgeordnete wegen des neuen Rechts hundert oder zweihundert mehr werden könnten.
Danach geschah: Nichts.
Nur Lammert trat nicht wieder an.
Mit 709 Abgeordneten ist der Bundestag nun im Ergebnis des Versuches, die Verfassungsmäßigkeit des Wahlrechts wiederherzustellen, ohne dass eine Partei auf mögliche Mandate verzichten muss, so groß wie nie. Das deutsche Parlament, das 82 Millionen Menschen vertritt, hat damit 174 Mitglieder mehr als die beiden Kammern des Repräsentantenhauses der USA, der Volksvertretung für 323 Millionen US-Bürger.
Grundgesetz: Erst drauf schwören, dann drauf pfeifen
Und kein Aufschrei geht durchs Land
Steuerzahlerbund: 500 sind genug
Das höchste deutsche Gericht bemängelte, dass die Regelung zulasse, dass Überhangmandate in einem Umfang anfallen, "der den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl aufhebt". SPD, Grüne und mehr als 3000 Bürger hatten in Karlsruhe geklagt, sie bekamen Recht. Nur ein neues, verfassungsmäßiges Wahlrecht bekamen sie nicht, wie Parlamentspräsident Norbert Lammert vier Jahre später beklagte. Der CDU-Mann kritisierte einen "Aufbläh-Effekt durch Überhang- und Ausgleichsmandate". Zudem sei das geltende Wahlsystem "völlig intransparent".
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil Sitze zustehen. Bei der Bundestagswahl 2009 gab es 24 Überhangmandate, einige zu viel, wie das Verfassungsgericht urteilte. Eine "zulässige Höchstgrenze von etwa 15 Überhangmandaten" sei das Äußerste, was sich die Parteien gegenseitig zubilligen dürften. Der neue Bundestag hat nun 111 Überhang- und Ausgleichsmandate - statt die Zahl der Überhangmandate wie gefordert zu begrenzen, hatten die Parteien sich entschlossen, Überhangmandate der einen Partei durch Ausgleichsmandate für andere zu neutralisieren.
Von Klage spricht niemand mehr, weil alle vom Mammuteffekt profitieren. Die Grünen, die 1994 noch nach Karlsruhe zogen, um wegen der Überhangmandate die Verfassungsmäßigkeit des Ergebnisses der Bundestagswahl prüfen zu lassen, weil so der damalige grüne Fraktionschef Joschka Fischer, "dem Prinzip Geltung verschafft werden muss, dass alle Wählerstimmen annähernd gleich bewertet werden", profitieren nun selbst von der Vergabe zusätzlicher Sitze nach dem Berechnungsverfahren "Sainte-Laguë/Schepers". Das heilt alle Schmerzen, die ihren Ursprung darin haben, dass die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag anders aussehen als die Zweit-Stimmen-Ergebnisse der Parteien.
Dem allseits geschätzten Norbert Lammert war das Thema dennoch so wichtig, dass er bereits in der ersten Sitzung des jetzt abgewählten Bundestages vor vier Jahren forderte, die Abgeordneten mögen "noch einmal in Ruhe und gründlich" auf das gerade erst geänderte Wahlrecht schauen. Trotz des eindeutigen Ausgangs der Bundestagswahl 2013 habe das Wahlrecht zu 33 Überhang- und Ausgleichsmandaten geführt. Dies lasse "die Folgen ahnen, die sich bei einem anderen, knapperen Wahlausgang für die Größenordnung künftiger Parlamente ergeben könnten". Mathematiker hatten zuvor ermittelt, dass aus von der Verfassung vorgesehenen 598 Abgeordnete wegen des neuen Rechts hundert oder zweihundert mehr werden könnten.
Danach geschah: Nichts.
Nur Lammert trat nicht wieder an.
Mit 709 Abgeordneten ist der Bundestag nun im Ergebnis des Versuches, die Verfassungsmäßigkeit des Wahlrechts wiederherzustellen, ohne dass eine Partei auf mögliche Mandate verzichten muss, so groß wie nie. Das deutsche Parlament, das 82 Millionen Menschen vertritt, hat damit 174 Mitglieder mehr als die beiden Kammern des Repräsentantenhauses der USA, der Volksvertretung für 323 Millionen US-Bürger.
Grundgesetz: Erst drauf schwören, dann drauf pfeifen
Und kein Aufschrei geht durchs Land
Steuerzahlerbund: 500 sind genug
1 Kommentar:
https://www.youtube.com/watch?v=thaFPEgiMCw
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