Dies waren früher die Märchenstunden im Fußballjahr, Hochämter der kleinstädtischen Fußballkultur und Messen der Selbstvergewisserung an einem Gegner, den zu schlagen zur schönsten Pflicht im Dienst des Vereins gehörte. Wenn der Hallesche FC gegen den lauten Rivalen aus dem Norden antrat, war das Stadion voll, die Luft brannte, die Emotionen kochten hoch und wer als Sieger vom Platz ging, war bis zum nächsten Mal der König des Landes, in dem noch nie ein Verein erste Bundesliga gespielt hat.
Doch das sind die alten Zeiten gewesen. Im 100. Derby zwischen Halle und Magdeburg sind die Signale schon im Vorfeld andere. Desinteresse regiert, wo früher Begeisterung war. Der FCM-Anhang boykottiert, wo er früher einmal mit Partisanenmethoden seine Macht demonstrierte. Der Kartenverkauf wird abgewickelt als ginge es um scharfe Waffen. Die Sicherheitsbehörden sperren ungeachtet der fehlenden Gästefans routinemäßig die halbe Stadt.
Und wie ein dunkler Schatten liegt die Vorahnung über dem halleschen Erdgas-Sportpark: Wenn das heute schief geht, löst sich die gesamte Saison des HFC in Säure auf. Die über weite Strecken großartige Hinrunde wird vergessen sein, hoffnungsvoll als Entdeckung beklatschte Spieler werden Hohn und Spott ernten. Und schließlich wird auch der Trainer, der die Entscheidung in der Winterpause mitgetragen hatte, keinen neuen Stürmer für seine offensiv impotente Mannschaft zu holen, sondern lieber einen zusätzlichen Torwart, öffentlich infragegestellt werden.
So kommt es dann, auch wenn es über weite Strecken der Partie gar nicht so aussieht. Der HFC, als Gastgeber nach Ansicht von Trainer Rico Schmitt mit "51 zu 49 Prozent" Favorit im Landespokal-Halbfinale, ist spielerisch überlegen. Meist führt ein Rotweißer den Ball, wenn auch wie gewohnt nur bis in mittelbare Strafraumnähe. Aber Marvin Ajani und Toni Lindenhahn deuten auf ihrer rechten Seite an, wie sich der hinten fest verbunkerte FCM auch diesmal ausheben lassen könnte: Flanken von außen, vollstrecken innen. Das müsste Benjamin Pintol übernehmen, der letzten Herbst so treffsichere Neuzugang.
Erstmal aber vollstreckt Sowislo, der Magdeburger. Ohne Flanke, einfach so, zieht er ab und sein Schuss geht haarscharf am Pfosten des verdutzt nachschauenden neuen HFC-Torhüters Oliver Schnitzler vorbei. Der HFC ist unbeeindruckt, aber weiter hilflos, je näher er dem Tor kommt. Es fehlt nicht nur an Toren, es fehlt an Abschlussversuchen. Und wenn es sie gibt, sind sie von der Sorte, die das Publikum - diesmal gerademal knapp 7800 auf den Rängen - hier gewohnt ist. Pintol kullert einen Ball in die Arme von Zingerle. Röser knallt eine Art Fernschuss vorbei.
Der FCM macht es besser. Einen harmlosen Freistoß im Halbfeld, kurz hinter der Mittellinie, tritt Hammann zentral vors Tor. Beck-Ersatz Düker lenkt ihn aus kurzer Distanz aufs Tor. Und Neutorwart Schnitzler leitet ihn mit reglos hängenden Armen weiter über die Linie.
Wer öfter zuschaut beim HFC, der weiß, dass alle Spieler in Rot und Weiß jetzt wissen, dass das eine Törchen, dass sie alle zusammen pro Spiel zustandebringen, zum Sieg nicht mehr reichen wird. Aber immerhin kämpfen sie. Es gibt keine hängenden Köpfe, keine Schelte für Schnitzler, kein Kopfschütteln. Sondern den sichtbaren Versuch, die Statistik zu schlagen und erstmal einen schnellen Ausgleich und danach vielleicht doch noch das so seltene zweite Tor zu machen. Marvin Ajani, einer der auffälligsten bis hierhin, schafft es beinahe. Doch sein Kopfball geht in der 42. Minute nicht in, sondern neben das Tor.
Noch näher dran ist Martin Röser, der nach Wiederanpfiff einen Freistoß aus zentraler Position an die Latte hämmert. Unermüdlich, aber ohne Ertrag rennen sie weiter an. Lindenhahn macht das gut, Gjasula wie immer defensiv sicher und offensiv mit Eröffnungspässen, die der Zufall mal zum eigenen und mal direkt zum Gegenspieler lenkt. Aber Magdeburg sichert nur noch, lässt die Hausherren kommen. Auch die Hauptstädter kennen die Statistik.
Es dauert bis zur 67. Minute, ehe die Heimfans den erlösenden Torschrei ausstoßen können. Klaus Gjasula setzt nach einer Ecke energisch nach, endlich einmal trifft er den Ball so, dass kein gegnerisches Bein mehr dazwischengrätscht. Zingerle wird überlupft. Ausgleich.
Jetzt könnte die Wiedergutmachung für die letzten nervenzehrenden Wochen beginnen, jetzt könnte Schmitts Team die immer wieder verbal behauptete eigene Stärke unter Beweis stellen. Spricht der Trainer, klingt es seit Monaten so, als hätte das Team immer noch Pech oder kein Glück oder es sei gerade nicht der Tag gewesen, an dem die eigene überlegene Spielführung sich auch in Ergebnissen niederschlägt.
Doch was kommt, ist dann nichts. Wie auf dem Karussell fährt der Sturm des HFC um den Strafraum herum. Pintol macht Kilometer um Kilometer, entwickelt aber einmal mehr keine Torgefahr. Ajani flankt nach innen. Näher wird der HFC einem zweiten Tor heute nicht mehr kommen.
Denn auf einmal ist der FCM wieder da. Schwede schießt Lindenhahn an. Kleineheistmann rettet den Abpraller artistisch Richtung eigenes Tor. Schnitzler wäre da gewesen, muss aber nicht eingreifen. Die folgende Ecke bringt die Entscheidung: Von rechts getreten, findet sie Baumgärtel am kurzen Pfosten. Den hat Rico Schmitt gerade für Brügmann gebracht. Was ein Händchen. Baumgärtel köpft das dritte HFC-Tor des Tages. Und es steht 1:2.
Viel tiefer runter kann die Stimmung im eiskalten Erdgas-Sportpark nicht sinken. Denkt man. Die Fankurve intoniert jetzt "nur zusammen". Der Rest steht wie auf einer Beerdigung. Noch sind acht Minuten auf der Uhr, aber auf der HFC-Bank ist nur noch Selim Aydemir, der sein letztes Tor für den HFC gemacht hat, als Obama noch US-Präsident war. Sieben der acht Minuten hat der FCM den Ball. Dann setzten sich die Rotweißen auf der rechten FCM-Seite fest. Eine Ecke von Baumgärtel, besser als alle fünf, die Röser vorher geschlagen hat. Aber kein Tor. Noch eine Ecke, wieder besser als alle Röser-Versuche. Lindenhahn köpft. Zingerle wehrt ab. Langer Ball aus der Abwehr nach vorn auf den gerade erst eingewechselten Chahed. Der sieht, dass Oliver Schnitzler noch nicht wieder in seinem Kasten ist. Und schießt aus 45 Metern ins leere Tor.
Das 1:3 ist das erste Tor, das heute wirklich ein Magdeburger macht. Es fühlt sich an wie eine Hinrichtung.
Doch das sind die alten Zeiten gewesen. Im 100. Derby zwischen Halle und Magdeburg sind die Signale schon im Vorfeld andere. Desinteresse regiert, wo früher Begeisterung war. Der FCM-Anhang boykottiert, wo er früher einmal mit Partisanenmethoden seine Macht demonstrierte. Der Kartenverkauf wird abgewickelt als ginge es um scharfe Waffen. Die Sicherheitsbehörden sperren ungeachtet der fehlenden Gästefans routinemäßig die halbe Stadt.
Und wie ein dunkler Schatten liegt die Vorahnung über dem halleschen Erdgas-Sportpark: Wenn das heute schief geht, löst sich die gesamte Saison des HFC in Säure auf. Die über weite Strecken großartige Hinrunde wird vergessen sein, hoffnungsvoll als Entdeckung beklatschte Spieler werden Hohn und Spott ernten. Und schließlich wird auch der Trainer, der die Entscheidung in der Winterpause mitgetragen hatte, keinen neuen Stürmer für seine offensiv impotente Mannschaft zu holen, sondern lieber einen zusätzlichen Torwart, öffentlich infragegestellt werden.
So kommt es dann, auch wenn es über weite Strecken der Partie gar nicht so aussieht. Der HFC, als Gastgeber nach Ansicht von Trainer Rico Schmitt mit "51 zu 49 Prozent" Favorit im Landespokal-Halbfinale, ist spielerisch überlegen. Meist führt ein Rotweißer den Ball, wenn auch wie gewohnt nur bis in mittelbare Strafraumnähe. Aber Marvin Ajani und Toni Lindenhahn deuten auf ihrer rechten Seite an, wie sich der hinten fest verbunkerte FCM auch diesmal ausheben lassen könnte: Flanken von außen, vollstrecken innen. Das müsste Benjamin Pintol übernehmen, der letzten Herbst so treffsichere Neuzugang.
Erstmal aber vollstreckt Sowislo, der Magdeburger. Ohne Flanke, einfach so, zieht er ab und sein Schuss geht haarscharf am Pfosten des verdutzt nachschauenden neuen HFC-Torhüters Oliver Schnitzler vorbei. Der HFC ist unbeeindruckt, aber weiter hilflos, je näher er dem Tor kommt. Es fehlt nicht nur an Toren, es fehlt an Abschlussversuchen. Und wenn es sie gibt, sind sie von der Sorte, die das Publikum - diesmal gerademal knapp 7800 auf den Rängen - hier gewohnt ist. Pintol kullert einen Ball in die Arme von Zingerle. Röser knallt eine Art Fernschuss vorbei.
Der FCM macht es besser. Einen harmlosen Freistoß im Halbfeld, kurz hinter der Mittellinie, tritt Hammann zentral vors Tor. Beck-Ersatz Düker lenkt ihn aus kurzer Distanz aufs Tor. Und Neutorwart Schnitzler leitet ihn mit reglos hängenden Armen weiter über die Linie.
Wer öfter zuschaut beim HFC, der weiß, dass alle Spieler in Rot und Weiß jetzt wissen, dass das eine Törchen, dass sie alle zusammen pro Spiel zustandebringen, zum Sieg nicht mehr reichen wird. Aber immerhin kämpfen sie. Es gibt keine hängenden Köpfe, keine Schelte für Schnitzler, kein Kopfschütteln. Sondern den sichtbaren Versuch, die Statistik zu schlagen und erstmal einen schnellen Ausgleich und danach vielleicht doch noch das so seltene zweite Tor zu machen. Marvin Ajani, einer der auffälligsten bis hierhin, schafft es beinahe. Doch sein Kopfball geht in der 42. Minute nicht in, sondern neben das Tor.
Noch näher dran ist Martin Röser, der nach Wiederanpfiff einen Freistoß aus zentraler Position an die Latte hämmert. Unermüdlich, aber ohne Ertrag rennen sie weiter an. Lindenhahn macht das gut, Gjasula wie immer defensiv sicher und offensiv mit Eröffnungspässen, die der Zufall mal zum eigenen und mal direkt zum Gegenspieler lenkt. Aber Magdeburg sichert nur noch, lässt die Hausherren kommen. Auch die Hauptstädter kennen die Statistik.
Es dauert bis zur 67. Minute, ehe die Heimfans den erlösenden Torschrei ausstoßen können. Klaus Gjasula setzt nach einer Ecke energisch nach, endlich einmal trifft er den Ball so, dass kein gegnerisches Bein mehr dazwischengrätscht. Zingerle wird überlupft. Ausgleich.
Jetzt könnte die Wiedergutmachung für die letzten nervenzehrenden Wochen beginnen, jetzt könnte Schmitts Team die immer wieder verbal behauptete eigene Stärke unter Beweis stellen. Spricht der Trainer, klingt es seit Monaten so, als hätte das Team immer noch Pech oder kein Glück oder es sei gerade nicht der Tag gewesen, an dem die eigene überlegene Spielführung sich auch in Ergebnissen niederschlägt.
Doch was kommt, ist dann nichts. Wie auf dem Karussell fährt der Sturm des HFC um den Strafraum herum. Pintol macht Kilometer um Kilometer, entwickelt aber einmal mehr keine Torgefahr. Ajani flankt nach innen. Näher wird der HFC einem zweiten Tor heute nicht mehr kommen.
Denn auf einmal ist der FCM wieder da. Schwede schießt Lindenhahn an. Kleineheistmann rettet den Abpraller artistisch Richtung eigenes Tor. Schnitzler wäre da gewesen, muss aber nicht eingreifen. Die folgende Ecke bringt die Entscheidung: Von rechts getreten, findet sie Baumgärtel am kurzen Pfosten. Den hat Rico Schmitt gerade für Brügmann gebracht. Was ein Händchen. Baumgärtel köpft das dritte HFC-Tor des Tages. Und es steht 1:2.
Viel tiefer runter kann die Stimmung im eiskalten Erdgas-Sportpark nicht sinken. Denkt man. Die Fankurve intoniert jetzt "nur zusammen". Der Rest steht wie auf einer Beerdigung. Noch sind acht Minuten auf der Uhr, aber auf der HFC-Bank ist nur noch Selim Aydemir, der sein letztes Tor für den HFC gemacht hat, als Obama noch US-Präsident war. Sieben der acht Minuten hat der FCM den Ball. Dann setzten sich die Rotweißen auf der rechten FCM-Seite fest. Eine Ecke von Baumgärtel, besser als alle fünf, die Röser vorher geschlagen hat. Aber kein Tor. Noch eine Ecke, wieder besser als alle Röser-Versuche. Lindenhahn köpft. Zingerle wehrt ab. Langer Ball aus der Abwehr nach vorn auf den gerade erst eingewechselten Chahed. Der sieht, dass Oliver Schnitzler noch nicht wieder in seinem Kasten ist. Und schießt aus 45 Metern ins leere Tor.
Das 1:3 ist das erste Tor, das heute wirklich ein Magdeburger macht. Es fühlt sich an wie eine Hinrichtung.
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