Es ging dann ganz schnell. Keine Urwahl, kein Hinterzimmerbeschluss. Martin Schulz, der scheidende Präsident des europäischen Parlaments, nutzt einfach seine guten Beziehungen zur paneuropäischen Presse, um sich als Kanzlerkandidat der SPD ausrufen zu lassen. "INTERVIEW MIT KANZLERKANDIDAT MARTIN SCHULZ" ist ein Interview im "European" überschrieben, das an Schulz' bewährte Praxis erinnert, bei passender Gelegenheit auch mal ein Interview mit sich selbst zu führen und der Öffentlichkeit selbstlos zur Verfügung zu stellen.
Der Mann weiß, wie man Politik für sich selbst macht. Gerade erst verlieh sich Martin Schulz selbst den 1. Platz auf der NRW-Landesliste der SPD, ohne die früher einmal übliche Wahl der Delegierten in der Partei abzuwarten. Dann rief er beim "European" an, um seine Kandidatenschaft zu erklären.
Dort fand sich wirklich jemand, der dem Mann, der nach seinem Scheitern in Europa die Macht in der SPD begehrt, Stichworte zur Selbstdarstellung liefert. Schulz, der seine vermeintliche Beliebtheit bei den Wählern ausschließlich seiner Beliebtheit bei den darstellenden Künstlern in den Leitmedien verdankt, gibt sich hier als behutsamer Denker, der dabei ist, vom Wähler zu lernen.
"Vielleicht müssten Politikerinnen und Politiker auch den Mut haben zu sagen, ich habe nicht auf jedes auftretende Problem sofort eine Antwort", sagt der Mann, der seit einem Vierteljahrhundert mitverantwortlich zeichnet für eine Politik, die schon Antworten simuliert, wenn noch niemand gefragt hat. Und an deren Ende eine aufgeblähte und kaum noch regierbare EU, ein von Kriegen umgebenes Europa, ein zerrüttetes Verhältnis zu Russland und ein kalter Krieg mit dem neuen US-Präsidenten stehen.
Schulz ist nicht schuld. Schulz hat immer gewarnt. Und er warnt weiter. In Sätzen voller Komma- und Grammatikfehler radebrecht sich der scheidende EU-Parlamentspräsident durch absurde Gedankenfolgen etwa zu Michel Houellebecqs Roman „Die Unterwerfung“. Der greife "eine tief Angst und Verunsicherung auf, ohne dem eine positive Botschaft entgegen zu setzen", heißt es da wörtlich in einer Art Pidgin-Deutsch. Schulz´ Folgerung: "Die Reaktion auf sein Buch und die Angstbesetztheit, die in seinem Roman auch zum Ausdruck kommt, muss man ernst nehmen." Einzahl, Mehrzahl. Scheißegal.
Aber ernst nehmen. Tut Schulz das? Und das sieht dann wie aus? Er klagt erstmal darüber, dass der "nationale Vorrang obsiegt". Der Vorrang obsiegt. Wörtlich. Dann fordert er wie eine menschliche Gebetsmühle "europäische Lösungen". Und prangert schließlich in einem wilden Mix von Singular und Plural "ein globales Phänomen wie die Flüchtlingsbewegungen" an.
So durcheinander der schüttere Bart des Kandidaten auf die Vizekanzlerschaft, so erschütternd verquer seine Gedanken.
Die gipfeln im Satz "die Wiederherstellung der Deutschen Einheit und die Wiederherstellung der europäischen Einheit sind epochale Schritte". Unklar bliebt, welche "europäische Einheit" Schulz "wiederherstellen" will. Die halbe unter den Römern? Oder die letzte unter Hitler?
Man muss sich vorstellen: Dieses Interview, so es denn wirklich geführt wurde, was selbst in den Zeiten des Praktikantenjournalismus undenkbar scheint, ging anschließend durch etliche Hände. Schulz hat es gegengelesen. Ein, zwei oder drei seiner Handpuppen ebenso. Dann der Stichwortgeber nochmal. Und schließlich noch irgendein Handlager für den Webseiteneinbau.
Wie irre muss das alles im Original gewesen sein?
Aber zumindest Schulz´ Satz "die Welt ist heute in einer tiefen Veränderung" bleibt. Der passt immer. Und ist ihm Ausgangspunkt für eine weitere Gedankengirlande, über die kommende Generationen noch lange nachdenken werden.
Die Welt sei, hat Schulz 75 Jahre nach dem Aufstieg der USA zur Wirtschaftsnation Nummer ein und 20 Jahre nach dem Aufstieg Chinas zur Nummer 2 nun auch bemerkt, "nicht mehr eurozentristisch". Europa sei deshalb "ein Teil, nicht der Teil dieser Welt".
Und weil soviel Veränderung, tiefe, klar, und so weiter, "deshalb werden wir uns sowohl als Europäische Union, im Verhältnis zu anderen Regionen aber auch nach Innen einen permanenten Veränderungsprozess unterwerfen müssen". Steht da wörtlich. Wirklich.
Der Mann weiß, wie man Politik für sich selbst macht. Gerade erst verlieh sich Martin Schulz selbst den 1. Platz auf der NRW-Landesliste der SPD, ohne die früher einmal übliche Wahl der Delegierten in der Partei abzuwarten. Dann rief er beim "European" an, um seine Kandidatenschaft zu erklären.
Dort fand sich wirklich jemand, der dem Mann, der nach seinem Scheitern in Europa die Macht in der SPD begehrt, Stichworte zur Selbstdarstellung liefert. Schulz, der seine vermeintliche Beliebtheit bei den Wählern ausschließlich seiner Beliebtheit bei den darstellenden Künstlern in den Leitmedien verdankt, gibt sich hier als behutsamer Denker, der dabei ist, vom Wähler zu lernen.
"Vielleicht müssten Politikerinnen und Politiker auch den Mut haben zu sagen, ich habe nicht auf jedes auftretende Problem sofort eine Antwort", sagt der Mann, der seit einem Vierteljahrhundert mitverantwortlich zeichnet für eine Politik, die schon Antworten simuliert, wenn noch niemand gefragt hat. Und an deren Ende eine aufgeblähte und kaum noch regierbare EU, ein von Kriegen umgebenes Europa, ein zerrüttetes Verhältnis zu Russland und ein kalter Krieg mit dem neuen US-Präsidenten stehen.
Schulz ist nicht schuld. Schulz hat immer gewarnt. Und er warnt weiter. In Sätzen voller Komma- und Grammatikfehler radebrecht sich der scheidende EU-Parlamentspräsident durch absurde Gedankenfolgen etwa zu Michel Houellebecqs Roman „Die Unterwerfung“. Der greife "eine tief Angst und Verunsicherung auf, ohne dem eine positive Botschaft entgegen zu setzen", heißt es da wörtlich in einer Art Pidgin-Deutsch. Schulz´ Folgerung: "Die Reaktion auf sein Buch und die Angstbesetztheit, die in seinem Roman auch zum Ausdruck kommt, muss man ernst nehmen." Einzahl, Mehrzahl. Scheißegal.
Aber ernst nehmen. Tut Schulz das? Und das sieht dann wie aus? Er klagt erstmal darüber, dass der "nationale Vorrang obsiegt". Der Vorrang obsiegt. Wörtlich. Dann fordert er wie eine menschliche Gebetsmühle "europäische Lösungen". Und prangert schließlich in einem wilden Mix von Singular und Plural "ein globales Phänomen wie die Flüchtlingsbewegungen" an.
So durcheinander der schüttere Bart des Kandidaten auf die Vizekanzlerschaft, so erschütternd verquer seine Gedanken.
Die gipfeln im Satz "die Wiederherstellung der Deutschen Einheit und die Wiederherstellung der europäischen Einheit sind epochale Schritte". Unklar bliebt, welche "europäische Einheit" Schulz "wiederherstellen" will. Die halbe unter den Römern? Oder die letzte unter Hitler?
Man muss sich vorstellen: Dieses Interview, so es denn wirklich geführt wurde, was selbst in den Zeiten des Praktikantenjournalismus undenkbar scheint, ging anschließend durch etliche Hände. Schulz hat es gegengelesen. Ein, zwei oder drei seiner Handpuppen ebenso. Dann der Stichwortgeber nochmal. Und schließlich noch irgendein Handlager für den Webseiteneinbau.
Wie irre muss das alles im Original gewesen sein?
Aber zumindest Schulz´ Satz "die Welt ist heute in einer tiefen Veränderung" bleibt. Der passt immer. Und ist ihm Ausgangspunkt für eine weitere Gedankengirlande, über die kommende Generationen noch lange nachdenken werden.
Die Welt sei, hat Schulz 75 Jahre nach dem Aufstieg der USA zur Wirtschaftsnation Nummer ein und 20 Jahre nach dem Aufstieg Chinas zur Nummer 2 nun auch bemerkt, "nicht mehr eurozentristisch". Europa sei deshalb "ein Teil, nicht der Teil dieser Welt".
Und weil soviel Veränderung, tiefe, klar, und so weiter, "deshalb werden wir uns sowohl als Europäische Union, im Verhältnis zu anderen Regionen aber auch nach Innen einen permanenten Veränderungsprozess unterwerfen müssen". Steht da wörtlich. Wirklich.
10 Kommentare:
Im Original steht's (jetzt) korrigiert. Manchmal muß man screenshotten, um den Irrsinn zu fixieren.
"Eine unerträgliche u. arrogante Sprechblase auf zwei Beinen."
... das war dort schön kommentiert. Bestimmt häät-spuietsch.
"Ich habe selten erlebt, dass ein Romanwerk wie das von Houellebecq, das ein Untergangszenario par excellence entwirft, so erfolgreich und gleichzeitig so unrealistisch war. Warum das so ist, kann man so erklären: Was er beschreibt, wird so nie Wirklichkeit werden. Aber er greift eine tiefe Angst und Verunsicherung auf, ohne dem eine positive Botschaft entgegen zu setzen. Die Reaktion auf sein Buch und die Angstbesetztheit, die in seinem Roman auch zum Ausdruck kommt, muss man ernst nehmen."
Houellebecq beschreibt den Aufstieg eines gemäßigten Islam in Frankreich, nachdem sich alle Parteien gegen den FN zusammengeschlossen hatten, übrigens läuft die Machtübernahme soft und smart ab und nicht ohne Vorteile für einige Protagonisten. Vielleicht verwechselt der EU-Schulze das Buch mit "Heerlager der Heiligen".
Doch Islam in Frankreich, gibt's dort so etwas überhaupt? Und dürfen Romane denn überhaupt unrealistisch sein?
zumindest sind romanautoren aus buchhändlers sicht offenbar verpflichtet, allem eine positive botschaft entgegenzustezen.
meine von heute hier: der schulzomat wird nicht kanzler
Ich habe Unterwerfung gelesen.
Soooo unrealistisch ist das nicht. :-)
schulz hat es doch nicht gelesen. nur darüber
@eulenfurz: korrigiert, ja? hoho, die feder ist mächtiger als das schwert!
Gelernte Ostgoten wissen: Romane (wie auch andere Kunstwerke) müssen "typische Charaktere unter typischen Umständen" darstellen, anderenfalls sie irgendwie bäh sind.
Auch sollte der Held zuletzt zur einzig wahren Partei finden - Johannes Pinneberg hat das nicht, Pawel Wlassow schon. Werner Holt jein.
Halbgott in Weiß
Schulz wäre gerne der Wolzow der europäische Wiedervereinigung - an des Karls halbe und Napoleons kurze hätte man noch erinnern können. Wir kapitulieren nämlich nie, und Frau Merkel wird keine Uta Barnim.
Bernd würde dieser Atlantiknutte gerne mal guten Tag sagen
Das paßt Schulz oder Merkel. Ein "Traumpaar"
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