Mittwoch, 27. April 2016

Themensterben: Eine Stichflamme namens Böhmermann

Er kam, pöbelte und erregte. Jan Böhmermann, bis dahin nur Eingeweihten aus dem Spät- und Spartenprogramm bekannt, schaffte es mit einem Schmähgedicht, dass sich nur rumplig reimte, in den Olymp der Medienkunst: Aus seinem Fernseh-Experiment mit der Meinungsfreiheit wurde eine Staatsaffäre, über die sich die Bundesregierung zerstritt, während sie gleichzeitig das Bündnis Europa mit dem Kalifen von Ankara ins Wanken zu bringen drohte.

Aber wie so oft im rauen Nachrichtengeschäft: Noch ehe Böhmermann mit einem Sudelbuch, einer DVD voller Fäkalverse oder einer vorläufigen Biografie nachlegen konnte, war die Meute schon weitergeeilt. Schon drei Wochen nach der gewagten Pöbel-Performance im Spätprogramm finden sich im öffentlichen Raum nur noch geringe Spuren des anarchischen Aufstandes gegen Anstand und gute diplomatische Sitten. Böhmermann ist kein Thema mehr, auch wenn der Delinquent versucht, den Kessel mit geschickt gestreuten Andeutungen über seine weiteren Pöbel-Pläne am Kochen zu halten.

Nach einer Echtzeit-Untersuchung, die ein Expertenteam des An-Institutes für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale unter Leitung des Medienwissenschaftlers Hans Achtelbuscher vorgenommen hat, scheiterte Böhmermanns Versuch, die politische Debatte dauerhaft zu bestimmen, an der Neuigkeitensucht von führenden Nachrichtensendungen und Leitmagazinen. Diese seien nach dem zweiten Gesetz der Mediendynamik verpflichtet, Themen unabhängig von ihrer Relevanz zu behandeln. Damit konnte Jan Böhmermann zwar spitze Kurzspitzenzeitwerte erzielen, so dass es teilweise schien, als habe es Griechenland, Wirtschaftskrise, Ukrainekonflikt, Flüchtlingswelle und AfD-Aufstieg nie gegeben.

Sobald dann aber Angela Merkel die tückische türkische Grenze überschritt und Barack Obama Richtung Deutschland startete, löste sich die Herrlichkeit in Schweigen auf. Mit nurmehr drei Emp auf der nach oben offenen Empörungsskala, sagt der ausgebildete Entroposoph Achtelbuscher, habe Böhmermann zwar die werte früherer Erregungswellen wie die der deutschlandweiten Missbrauchsdiskussion, der Aschewolke und der Aufregung um die "Gorch Fock" erreichen, sie aber nicht übertreffen können. Unerreicht bleiben so große Krisen wie die um Thilo Sarrazins erstes Buch, der Ukrainekrieg, die Wulff-Affäre und der Prozess um den Wetteransager Kachelmann.


Als Böhmermann sich bei PPQ bediente.

6 Kommentare:

derherold hat gesagt…

Was wäre denn (keine Aufforderung !), wenn ein barttragender Kapuzenmann per Messer das Haupt vom Rumpfe trennte (und dies auf youtube/dailym. online verbreitete) ?

Würde es Solidaraktionen geben oder eher verhaltenes Schweigen ?

ppq hat gesagt…

dergleichen würde zweifellos eine neue diskussion um eine verschärfung des mordverbotes auslösen

Anonym hat gesagt…

Ein Satiriker, ein Entertainer hätte aus so einer Publicity das Maximum herausgeholt. Eine eingesetzte Systemtöle, die aus Versehen zu laut gekläfft hat, verkriecht sich in der Hütte und wartet, bis Herrchen nicht mehr böse ist.

derherold hat gesagt…

"dergleichen würde zweifellos eine neue diskussion um eine verschärfung des mordverbotes auslösen"

Vielleicht würden auch zusätzliche Piktogramme in die Integrationskurse aufgenommen.

ppq hat gesagt…

das sollte klar sein. vielleicht auch ein faltblatt mit pöbelanleitungen. muschmunken.

Volker hat gesagt…

“Was wäre denn (keine Aufforderung !), wenn ein barttragender Kapuzenmann per Messer das Haupt vom Rumpfe trennte (und dies auf youtube/dailym. online verbreitete) ?

Würde es Solidaraktionen geben oder eher verhaltenes Schweigen ?


Weder noch. Partei und Regierung würden couragiert die Schuldigen anklagen.

Wir erinnern und an Charly Hebdo. Da war der Schuldige schnell ermittelt.
Erst „Lügenpresse“ sagen – und wenige Tage später die Morde an den Journalisten. Der Zusammenhang ist offensichtlich.

Sollte wirklich einer Böhmermann einen Kopf kürzer machen, kommt als Grund nur Hass in Frage.
Und wer verbreitet Hass?
a) Pegida
b) Der Frieden, der Islam
c) AfD
(Mehrfachnennungen möglich)